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Äthiopien: Verbeugung und Hand aufs Herz

Immer wieder erhebt Papst Franziskus seine Stimme und ruft zu einer Globalisierung der Solidarität und Nächstenliebe auf. In Zeiten von Corona bekommt dieser Appell eine neue Bedeutung. missio steht auch in diesen Zeiten der weltweiten Pandemie in engem Kontakt mit seinen Projektpartnern in Afrika, Asien und Ozeanien, die besonders von der Pandemie betroffen sind. Marita Wagner interviewt Rita Schiffer in Äthiopien.

Wie hat die Covid-19-Pandemie das Leben der Menschen in Ihrem direkten Umfeld (in Ihrer Nachbarschaft) verändert?

Traditionelle Praktiken haben durch die Covid-Vorsorgemaßnahmen geändert. Statt der üblichen Begrüßung per Umarmung und bei guten Bekannten mit dreimaligem Küssen auf die Wange, wird jetzt mit einer Verbeugung und der Hand aufs Herz gegrüßt. Beerdigungsliturgien und -riten finden nur noch im kleinen Kreis und in einer sehr verkürzten Form statt, was sehr schwer ist, da es traditionsgemäß sehr wichtig ist, bei einem Trauerfall die Familie persönlich zu besuchen. Alle Schulen und Unis sind seit März geschlossen und die Abschlussprüfungen wurden erstmal verschoben. Als Folge sitzen viele Jugendliche zu Hause, die meisten ohne Internetanschluss, und hoffen auf bessere Zeiten. Tagelöhner und Marktfrauen haben es schwerer sich Einkommen zu verschaffen, teils durch Reisebeschränkungen, teils durch weniger Arbeit, da Vieles "stillsteht".

Welche Auswirkungen wird die Pandemie in den nächsten Monaten auf Ihr Land haben?

In den nächsten Monaten erwarten wir mehr Armut und in manchen Fällen sogar Hunger. Die Vorräte und Ersparnisse sind so langsam aufgebraucht. Die Maisernte ist vorüber und jetzt muss die Zeit bis Januar bis zur Teff-Ernte überbrückt werden. Ich hoffe, dass die Schulen mit Präventionsmaßnahmen (Mundschutz, Hände waschen und mehr Abstand) bald wieder öffnen und eine Lösung für die Abschlussjahrgänge gefunden wird. Ich hoffe, dass mehr Tests möglich durchgeführt werden können, um unnötige Quarantänemaßnahmen zu vermeiden.

Welche Bedeutung hat der Glaube für die Menschen in den Zeiten der Pandemie?

Es hat eine lange Tradition in Äthiopien, intensiv für etwas zu beten. Alle Religionsgemeinschaften zusammen hatten zu Beginn der Pandemie einen Monat lang Gottesdienste, die im Fernsehen übertragen wurden. Nach jeder Eucharistiefeier wird ein recht ausführliches Gebet für Corona-Anliegen gesprochen und wir als Schwesterngemeinschaft sprechen ebenfalls beim Abendgebet ein langes Fürbittgebet. Sein Leben und seine Anliegen vor Gott zu bringen und auf Gottes Hilfe und Gegenwart zu bauen, ist selbstverständlicher Bestandteil des Lebens der meisten Menschen. Wenn es nicht Corona ist, dann ist es irgendein Familienproblem, kein Geld oder keine Arbeit zu haben, Krankheit, ein Dach, das undicht ist, eine Kuh, die krank ist usw. So ist das Leben und sich an Gott festhalten zu dürfen, hilft dabei, hoffnungsvoll zu bleiben und nicht aufzugeben, trotz aller widrigen Umstände.

Schwester Dr. Rita Schiffer ist Medizinerin aus dem Orden der Missionsärztlichen Schwestern in Essen und leitet seit mehr als 20 Jahren ein Landkrankenhaus in Äthiopien.


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