Immer wieder erhebt Papst Franziskus seine Stimme und ruft zu einer Globalisierung der Solidarität und Nächstenliebe auf. In Zeiten der Corona-Pandemie bekommt dieser Appell eine neue Bedeutung. missio steht auch in diesen Zeiten der weltweiten Pandemie in engem Kontakt mit seinen Projektpartnerinnen und Projektpartnern in Afrika, Asien und Ozeanien, die besonders von der Pandemie betroffen sind. Klaus Vellguth befragte Prof. Dr. Gabriel Faimau, der an der University of Botswana lehrt, zur aktuellen Situation in Botsuana.
Inwiefern hat die Covid-19-Pandemie das Leben von Ihnen und den Menschen in Ihrer Nachbarschaft verändert?
Die vielleicht größte Herausforderung der Corona-Krise ist die Frage, wie unsere physischen Räume durch die Praxis der sozialen Distanzierung begrenzt werden. Da die physischen Räume begrenzt sind, verändern sich auch unsere Beziehungen untereinander. Händeschütteln und Umarmen zum Beispiel sind in vielen Teilen Afrikas kulturelle Praktiken, die Menschen seit langem als Teil der alltäglichen Interaktionen schätzen. Das hat sich nun geändert. Aber vielleicht sind die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Krise am stärksten spürbar. In Botswana sind diejenigen, die mit manuellen Tätigkeiten oder als Straßenverkäufer arbeiten, stark betroffen. Da das Land eine Zeit des „Lockdown“ erlebte, waren viele sogar gezwungen, ohne finanzielle Reserven in ihre jeweiligen Dörfer zurückzukehren, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Die Regierung bot zwar Sozialhilfe an, aber in einer unerwarteten Krise wie der Corona-Pandemie war die Sozialhilfe nie ausreichend. Der begrenzte physische Raum führte auch zu einer Zwangsregulierung kultureller und religiöser Praktiken wie Beerdigungen oder Gottesdiensten. Da das Corona-Protokoll nur einer begrenzten Anzahl von Menschen die Teilnahme an Beerdigungen und Begräbnissen gestattet und kulturelle Praktiken wie gemeinsame Mahlzeiten nach einer Beerdigung/Bestattungszeremonie nicht erlaubt sind, haben diejenigen, die ihre Angehörigen verloren haben, oft das Gefühl, dass es ihnen nicht gelungen ist, ihren Angehörigen einen angemessenen Abschied zu ermöglichen. Die Corona-Krise hat unsere Lebensweise eindeutig verändert.
Welche weiteren Auswirkungen der Pandemie sind für Ihr Land in den nächsten Monaten zu erwarten?
Für viele ist die COVID-19-Pandemie nicht nur eine Gesundheitskrise, sondern auch eine soziale Krise. Während der gesamten Krise haben Tausende von Menschen ihre Einkommensquellen verloren. Ich bin überzeugt, dass die Arbeitslosigkeit in Botswana weiter steigen wird. Die Pandemie führte auch zu einer allgemeinen Verunsicherung, da viele Menschen befürchten, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren. Unter den Arbeitssuchenden sind viele unsicher, ob es jemals wieder Arbeitsmöglichkeiten für sie geben wird. Die COVID-19-Pandemie wird wahrscheinlich den Stress und die Angst vieler Menschen verstärken. Im Bildungssektor wurde das Online-Lehren und -Lernen während der Corona-Krise verstärkt. Wie sich dies auf den Bildungssektor, insbesondere auf Schulen in abgelegenen Gebieten, auswirken wird, bleibt abzuwarten.
Welche Bedeutung hat der christliche Glaube in diesen Zeiten der Pandemie?
Der christliche Glaube zeigt sich darin, wie wir uns zueinander verhalten, wie wir uns zu anderen Geschöpfen verhalten, wie wir uns zu unserer Umwelt verhalten. Ein sinnvoller christlicher Glaube betont insbesondere die menschlichen Beziehungen. Die Corona-Krise hat die Menschheit vor eine Herausforderung gestellt, da nun die direkten sozialen Beziehungen durch soziale Distanzierung oder sogar Abschottung eingeschränkt sind. Aber dieselbe Krise stellt auch einen Kairos dar, in dem wir über Familie, Gemeinschaftswerte und Mitgefühl nachdenken sollten. Die Zeit der Pandemie fordert uns auf, denen, die in Not sind, eine helfende Hand zu reichen. Dazu gehören auch diejenigen Menschen, die während der Krise ihre Lieben oder ihre Einkommensquelle verloren haben. Gleichzeitig kann die Krise unser Zugehörigkeitsgefühl und die Liebe zu unserer Umwelt stärken. Die Corona-Pandemie betrifft uns alle, unabhängig von unserem religiösen, wirtschaftlichen und politischen Hintergrund. Die Bekämpfung der Corona-Pandemie sollte daher das Gefühl der Einheit unter uns Menschen fördern. Denn gemeinsam sind wir in einer globalen Gemeinschaft in die Krise geraten.
Gabriel Faimau lebt in Botswana und arbeitet unter anderem an dem Forschungsprojekt „Schöpfungsspiritualitäten in Afrika, Asien und Lateinamerika“ mit, das in Kooperation mit missio realisiert wird.
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