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Kenia: Die nächsten Monate werden für viele Kenianer äußerst hart

Immer wieder erhebt Papst Franziskus seine Stimme und ruft zu einer Globalisierung der Solidarität und Nächstenliebe auf. In Zeiten von Corona bekommt dieser Appell eine neue Bedeutung. missio steht auch in diesen Zeiten der weltweiten Pandemie in engem Kontakt mit seinen Projektpartnern in Afrika, Asien und Ozeanien, die besonders von der Pandemie betroffen sind. Dr. Marco Moerschbacher befragte Adrien Sawadogo MAfr zu aktuellen Situation in Kenia.

Inwiefern hat die COVID-19-Pandemie das Leben von Ihnen und den Menschen in Ihrer Nachbarschaft verändert?

Ich lebe jetzt in Nairobi, der Hauptstadt Kenias. Wie viele andere große Städte in Afrika ist sie ein Schmelztiegel aller sozialen Klassen. Nairobi ist eine Stadt, in der das Leben in einen höllischen Rhythmus verläuft – für jeden vom sehr armen bis zum sehr reichen: höllisch in Bezug auf die tägliche Arbeitslast, die Sorgen des Lebens, höllisch in Bezug auf die Verpflichtungen des gesellschaftlichen Lebens und die Möglichkeiten und Gewohnheiten der Freizeitgestaltung. Die COVID-19 Pandemie hat diesen Lebensstil komplett verändert und all dies zum Stillstand gebracht.

Keine Staus mehr in den Straßen, keine überfüllten Einkaufszentren und Bars, keine Treffen mehr – das Diktat der „social distance“ ist eine der Maßnahmen, um die Ausbreitung des Virus einzuschränken. Diese Maßnahme bedroht den Lebensunterhalt der am meisten gefährdeten Menschen, nämlich jener, für die die täglichen Aktivitäten auf den Märkten und öffentlichen Plätzen lebenswichtig sind. Mein eigenes Leben indes hat sich von Aktion zur Kontemplation verändert, wie das vieler hier in meiner näheren Umgebung. Wie viele andere, die sich das leisten können, setzte ich meine Arbeit online fort, dank der guten Internetverbindungen, die wir hier in Nairobi haben

Welche weiteren Auswirkungen der Pandemie sind für Ihr Land in den nächsten Monaten zu erwarten?

Die größte Auswirkung von COVID-19 ist die Reduzierung des wirtschaftlichen Lebens. Der informelle Sektor, in dem 60 % der Jugendlichen arbeiten und der 34 % des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet, – so die Angaben des „Institute of Ecnomic Affairs“ und der offiziellen nationalen Statistiken – wurde durch die Einschränkungen und die Ausgangssperre schwer getroffen. Zudem wurde der Tourismussektor, der für das Bruttoinlandsprodukt von großer Bedeutung ist, durch die Reisesperre beeinträchtigt. Wenn man weiß, wie diese beiden wichtigen Bereiche miteinander verzahnt sind, wird schnell klar, dass die nächsten Monate für viele Kenianer äußerst hart werden. Staatliche Stellen haben bereits den Verlust von Arbeitsplätzen verzeichnet, viele Jugendliche sind am Ende ihrer Mittel für ihren Lebensunterhalt und am Ende ihrer Geduld. Es ist abzusehen, dass dies, wenn den Betroffenen nicht geholfen wird, zu vermehrter Gewalt und Verbrechen in den Städten und Gemeinden führen wird – erste Anzeichen gibt es schon. Wir merken, dass für viele Haushalte das Überleben schwierig geworden ist.

Welche Bedeutung hat der christliche Glaube in diesen Zeiten der Pandemie?

In diesen Zeiten der Pandemie bestimmen Angst und Verzweiflung die Gesellschaft – Angst vor dem Ungekannten, Angst vor Leiden und Tod und eine verständliche Verzweiflung, wenn man vor nicht mehr befriedigten Grundbedürfnissen steht. Der christliche Glaube, der in der Offenbarung und dem Aufweis der Liebe und Treue Gottes zur Menschheit unter allen Umständen wurzelt, ist Quelle von Widerstandskraft und Hoffnung – Widerstandskraft gegen die Angst vor dem Unbekannten, denn wie es in Psalm 23 heißt:

Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil, denn du bist bei mir

Psalm 23,4

So ist der Glaube an Gottes liebende Gegenwart die Quelle der Widerstandskraft gegen alle Ängste. Wenn die Angst im Glauben überwundern wird, keimt aus Gottes Treue Hoffnung – der durch Glauben und Mut gefestigte Mensch spricht dann seine eigenes Glaubensbekenntnis und weiß wie der große Apostel Paulus: „Alles vermag ich durch Ihn, der mir Kraft gibt“ (Phil 4,13). In diesen Zeiten der Pandemie werden diese zwei Grundpfeiler der Gemeinschaft gläubiger Christen die Gesellschaft stärken, sie lebendig und aktiv machen in der Gestaltung jener neuen und besseren Welt, die wir alle ersehnen.

Foto: missio

Adrien Sawadogo stammt aus Burkina Faso und gehört dem Orden der Afrikamissionare an. Er unterrichtet an der von mehreren Orden getragenen Hochschule „Tangaza University College“ in Nairobi. Dort leitet er das Institut für den interreligiösen Dialog und Islamwissenschaft (Institute for Interreligious Dialogue and Islamic Studies). Er ist Mitglied des missio-Netzwerks „Religion und Gewalt“ ».


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