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Madagaskar: Tage voller Furcht, Ermüdung, Unzufriedenheit

Immer wieder erhebt Papst Franziskus seine Stimme und ruft zu einer Globalisierung der Solidarität und Nächstenliebe auf. In Zeiten von Corona bekommt dieser Appell eine neue Bedeutung. missio steht auch in diesen Zeiten der weltweiten Pandemie in engem Kontakt mit seinen Projektpartnern in Afrika, Asien und Ozeanien, die besonders von der Pandemie betroffen sind. Dr. Marco Moerschbacher interviewt Pater Adam Nzul OMI, Antananarivo zur aktuellen Situation in Madagaskar.

Wie hat die Covid-19-Pandemie das Leben der Menschen in Ihrem direkten Umfeld (in Ihrer Nachbarschaft) verändert?

Mit der Covid-19 Pandemie ist das Leben in Madagaskar äußerst schwierig geworden, auch wenn die Anzahl der mit dem Virus Infizierten und die Zahl der Toten noch längst nicht so katastrophale Ausmaße angenommen hat wie in Europa.

Aber täglich steigt die Zahl der bestätigten Fälle, besonders in der Hauptstadt. Seit Mitte März gilt eine umfassende Ausgangssperre. Alle Flüge, die Madagaskar mit dem Ausland verbinden, sind gestrichen. Es werden nur Flüge durchgeführt, die Ausländer aus Madagaskar in ihre Heimat fliegen. Keiner darf von einer Region oder einer Provinz in eine andere reisen. Warentransporte sind nur für lebenswichtige Produkte erlaubt. Familientreffen und gesellschaftliche Zusammenkünfte sind verboten, und wir dürfen nur bis 13 Uhr Einkäufe tätigen und ein Minimum an Büroarbeit leisten. Danach müssen alle in ihre Häuser und Wohnungen zurückkehren. Alle Kirchen und Schulen sind geschlossen, und viele Firmen haben ihre Tätigkeiten eingestellt. Die aktuelle Situation beraubt praktisch jeden Haushalt seines Einkommens, viele Menschen haben ihren Arbeitsplatz verloren, vielen mangelt es jeden Tag an ausreichender Nahrung. Wer in der Hauptstadt gearbeitet und zur Miete gewohnt hat, ist in sein Heimatdorf zu seiner Familie zurückgekehrt – aus Mangel an Arbeit und Geld. Der madagassische Staat hat versprochen, den Ärmsten zu helfen, aber bis heute haben nur sehr wenige Hilfspakete bekommen, die jeweils ein paar Kilos Reis, Bohnen, einen Satz Kerzen und eine Flasche Öl enthalten.

Der inzwischen berühmt gewordene Ausspruch, der die Situation auf den Punkt bringt, lautet: „Raha mihiboka dia tratran ‘my kibo vida, raha mivoaka dia tratran ‘ny Covid‘‘, d.h. wenn wir uns an die Ausgangssperre halten, sterben wir am Hunger, wenn wir rausgehen, sterben wir an Covid-19.

 

Welche Auswirkungen wird die Pandemie in den nächsten Monaten auf Ihr Land haben?

Die aktuelle Krise im Gesundheitswesen in unserem Land wird sich gesellschaftlich und wirtschaftlich auswirken. Im Bereich der Wirtschaft werden wir aus diesem Tal nur schwer wieder rauskommen. Schon vor der Krise lief es mit unserer Wirtschaft – nach Jahren schlechter politischer Führung seitens der verschiedenen Regierungen – nicht rund. Aber aufgrund der Beschränkungen im Kampf gegen die Pandemie wie etwa der Grenzschließungen ist zum Beispiel der Tourismus, der 50 % des Bruttoinlandproduktes ausmachte, vollständig zum Erliegen gekommen.

Viele Unternehmen sind geschlossen und einige werden Insolvenz anmelden müssen, was die Arbeitslosenquote weiter in die Höhe treiben wird. Dies wird vermehrt zu Kriminalität und Diebstählen führen, denn jene, die ihren Job verloren haben, haben auch kein Einkommen mehr. In den nächsten Monaten könnte sich durch steigende Preise eine Nahrungsmittelkrise entwickeln.

Es zeichnet sich auch eine Verschärfung der sozialen Krise ab, denn viele Menschen sind unzufrieden mit der Ausgangssperre, die sie davon abhält, ihren täglichen Lebensunterhalt zu verdienen. Hinzu kommt, dass die Ausgangssperre ihre Wirkung zu verfehlen scheint, denn die Ausbreitung der Krankheit schreitet mit jedem Tag voran, die Zahlen der Infizierten und der Toten steigen weiter.

 

Welche Bedeutung hat der Glaube für die Menschen in den Zeiten der Pandemie?

Seit der Schließung der Kirchen und dem Verbot von Versammlungen und Sitzungen auch in der pastoralen Arbeit, scheinen viele Gebet und Liturgie zu vernachlässigen. Die Tage sind voller Furcht, Ermüdung, Unzufriedenheit. Aber gerade in diesen schwierigen Zeiten sollten wir uns verstärkt dem Glauben und dem Gebet zuwenden.

Wir Missionare versuchen trotz geschlossener Kirchen und dem Verbot von pastoralen Treffen, unseren Christen nahe zu bleiben mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, indem wir beispielsweise die sonntägliche Messe regelmäßig im Internet übertragen.

Foto: missio

Pater Adam Nzul OMI stammt aus Polen. Er ist Mitglied des Oblatenordens und Priester. Zurzeit ist er für die Finanzen seines Ordens in der Region Madagaskar verantwortlich. Seit langen Jahren ist er Missionar in Madagaskar und mit missio durch verschiedene Projekte z.B. in der Ordensausbildung verbunden.


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