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Mali: Ein "fast" normaler Alltag

Immer wieder erhebt Papst Franziskus seine Stimme und ruft zu einer Globalisierung der Solidarität und Nächstenliebe auf. In Zeiten von Corona bekommt dieser Appell eine neue Bedeutung. missio steht auch in diesen Zeiten der weltweiten Pandemie in engem Kontakt mit seinen Projektpartnern in Afrika, Asien und Ozeanien, die besonders von der Pandemie betroffen sind. Marita Wagner interviewt Josef Stamer in Mali.

Wie hat die Covid-19-Pandemie das Leben der Menschen in Ihrem direkten Umfeld (in Ihrer Nachbarschaft) verändert?

Nach einer ersten Periode mit obligatorischem Mundschutz in der Öffentlichkeit, nächtlichem Ausgangsverbot, Schließung der Kirchen und Schulen, ist das Leben von Christen und Muslimen in meinem direkten Umfeld fast wieder "normal" geworden. Bei dem Begrüßungszeremoniell gibt es zwar noch etwas Zurückhaltung, aber ansonsten ist außer Mundschutz, und der längst nicht bei allen, im gesellschaftlichen Leben kaum noch etwas zu bemerken, dass auf Corona hinweist. Ein anderes Problem ist die wirtschaftliche Lage der Familien, wo sich vor allem die lange Schließung der Grenzen auswirkt.

Welche Auswirkungen wird die Pandemie in den nächsten Monaten auf Ihr Land haben?

Wenn die im staatliche Fernsehen mitgeteilten offiziellen Zahlen der Pandemieinfizierten stimmen (etwas über 3.000 seit Beginn der Pandemie), so ist Mali eigentlich bisher ziemlich verschont geblieben. Dagegen hat das Land in den letzten Monaten politische Umwälzungen gekannt, die auch für die kommenden Monate auschlaggebend sein werden. Bei den massiven Demonstrationen gegen den früheren Staatspräsidenten und schließlich dem Militärputsch im August wurde Corona eigentlich immer nur am Rande erwähnt. Die Aufhebung des wirtschaftlichen Embargos, den die ECOWAS-Staaten über Mali verhängt haben, scheint da viel wichtiger für das Land, als den Folgen der Pandemie entgegen zu wirken.

Welche Bedeutung hat der Glaube für die Menschen in den Zeiten der Pandemie?

Um diese Frage zu beantworten, muss man erst einmal diejenigen ausschließen, und das ist vielleicht hier die Mehrheit, die persönlich nicht an die Existenz der Pandemie glauben, auch wenn sie sich den obligatorischen Vorsichtsmaßnahmen beugen. Die Schließung der Kirchen über den Zeitraum von zwei Monaten hat viele Christen zu einer persönlicheren Vertiefung des Glaubens geführt und das persönliche Gebetsleben, sowie das Gebet in den Familien gefördert. Gleichzeitig haben viele aber auch die Bedeutung des gemeinschaftlichen Gottesdienstes neu entdeckt, auch wenn das für Afrikaner eigentlich ganz natürlich ist. Im Gegensatz zu den christlichen Kirchen waren die Moscheen nur teilweise geschlossen, sodass diese Erfahrung wohl so nicht gemacht wurde, obwohl einige Imame darauf hingewiesen hatten. Dann sind da die "Fundamentalisten", Christen wie Muslime, für die die Pandemie direkt als eine Strafe Gottes gesehen wird und sie damit ihren Mitmenschen Angst einjagen. Nur wenige Christen, aber auch Muslime, stellen sich die Frage: Was will Gott uns durch die Einschränkungen und eventuelle Bedrohung für unsere Gesundheit sagen? Die Antwort: ein neues und größeres Gottvertrauen.

Foto: missio

Josef Stamer wurde 1964 als Afrikamissionar zum Priester geweiht. Seit 1966 lebt und arbeitet er in Mali (mit einer Unterbrechung von sieben Jahren als Dozent am Päpstlichen Institut für Arabisch und Islam in Rom). Er unterrichtet im von ihm gegründeten Institut de Formation Islamo-Chrétienne in Bamako, welches Multiplikatoren im christlich-islamischen Dialog ausbildet.


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