Immer wieder erhebt Papst Franziskus seine Stimme und ruft zu einer Globalisierung der Solidarität und Nächstenliebe auf. In Zeiten von Corona bekommt dieser Appell eine neue Bedeutung. missio steht auch in diesen Zeiten der weltweiten Pandemie in engem Kontakt mit seinen Projektpartnerinnen und Projektpartnern in Afrika, Asien und Ozeanien, die besonders von der Pandemie betroffen sind. Klaus Vellguth befragte Prof. Dr. Vimal Tirimanna zur aktuellen Situation in Sri Lanka.
Inwiefern hat die Covid-19-Pandemie das Leben von Ihnen und den Menschen in Ihrer Nachbarschaft verändert?
Da ich die Hälfte des Jahres in Rom lebe und dort an einer Hochschule unterrichte, war ich zunächst in Rom, als Covid-19 Anfang März die Welt traf. Fast zweieinhalb Monate lang kam das Leben in ganz Italien zum Erliegen. Das Land hat zahlreiche Todesopfer erlitten. Seit Ende Juli bin ich nun wieder in Sri Lanka. Hier wurde ich mit einer ganz anderen Realität konfrontiert. Zunächst einmal haben die srilankische Regierung und die Gesundheitsbehörden Sri Lankas bis jetzt hervorragende Arbeit geleistet, um die Zahl der infizierten Personen unter 3.000 zu halten. Dazu wurden sehr strenge Vorschriften erlassen, und zeitweise wurde sogar eine Ausgangssperre verhängt, um die Ausbreitung der Pandemie einzudämmen.
Trotz der schwierigen Umstände fanden am 5. August in Sri Lanka Parlamentswahlen statt (unter streng kontrollierten hygienischen Bedingungen), und mit der Öffnung aller Schulen scheint sich die Lage im Land wieder zu normalisieren. Die srilankische Wirtschaft hat jedoch sehr gelitten, und viele Menschen, die im Ausland gearbeitet haben, sind in ihre Heimat zurückgekehrt, da sie ihre Arbeit verloren haben. Sorge bereitet uns die wirtschaftliche Entwicklung: Nachdem die Flughäfen geschlossen wurden, kommen keine Touristen mehr nach Sri Lanka, denen wir in der Vergangenheit Devisen und Arbeitsplätze für unsere Bevölkerung verdankt haben.
Welche weiteren Auswirkungen der Pandemie sind für Ihr Land in den nächsten Monaten zu erwarten?
Derzeit sieht es so aus, als würde Sri Lanka die Pandemie gut unter Kontrolle bringen – auch wenn es eine „zweite Welle“ geben wird. Die größte Sorge ist, ob das Virus plötzlich doch aus dem hoch verseuchten Nachbarland Indien ins Land gelangen könnte. Was die Wirtschaft betrifft, so wird die neue Regierung vor riesigen Herausforderungen stehen, wenn sie den Flughafen nicht innerhalb der nächsten ein bis zwei Monate für internationale Reisen öffnet. Auch viele unserer lokalen Unternehmen und Industrien werden massiv von den Konsequenzen der Pandemie betroffen sein, was das Land noch ärmer machen wird. Die am stärksten Betroffenen sind die Ärmsten der Armen.
Welche Bedeutung hat der christliche Glaube in diesen Zeiten der Pandemie?
Da Sri Lanka ein multireligiöses Land ist (der Buddhismus ist die vorherrschende Religion, und Christen leben als Minderheit von nur etwa 6 Prozent der Bevölkerung in meinem Heimatland), haben während der Pandemie viele unserer Bürgerinnen und Bürger an ihren religiösen Praktiken festgehalten - sei es in den buddhistischen Tempeln oder in den christlichen Kirchen. Man kann sagen, dass die Menschen religiöser geworden sind. Gerade in diesen schwierigen Zeiten ermutigt die Kirche die Menschen in Sri Lanka dazu, nicht an der Gegenwart Gottes zu zweifeln. Viele Gläubige suchen Schutz in ihrem Glauben. Er schenkt ihnen Kraft und Mut, um sich der unsicheren Zukunft, die die Pandemie geschaffen hat, zu stellen.
Vimal Tirimanna lebt in Sri Lanka und lehrt in Rom. Viele Jahre lang gehörte er der Theologischen Kommission der Federation of Asian Bishop‘s Conferences (FABC) an. Der asiatische Theologe beteiligt sich an verschiedenen Forschungsprojekten und Konferenzen, die von missio Aachen initiiert werden.
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