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Uganda: Nach sechs Monaten – und das Ende ist nicht abzusehen

Immer wieder erhebt Papst Franziskus seine Stimme und ruft zu einer Globalisierung der Solidarität und Nächstenliebe auf. In Zeiten von Corona bekommt dieser Appell eine neue Bedeutung. missio steht auch in diesen Zeiten der weltweiten Pandemie in engem Kontakt mit seinen Projektpartnern in Afrika, Asien und Ozeanien, die besonders von der Pandemie betroffen sind. Dr. Marco Moerschbacher interviewt Father Ambrose Bwangatto, Kampala, Uganda.

Wie hat die Covid-19-Pandemie das Leben der Menschen in Ihrem direkten Umfeld (in Ihrer Nachbarschaft) verändert?

Zu Beginn des Lockdowns am 21. März 2020 benannte die ugandische Regierung als lebenswichtige Dienste, die aufrecht erhalten werden sollten: Operationen im medizinischen und veterinären Bereich, Lieferungen an die Haustür, Banken, private Sicherheitsdienste, Putzfirmen, Müllabfuhr, Feuerwehr, Tankstellen, Geschäfte für Lebensmittel und für Haushaltswaren. Kirchen und andere religiöse Versammlungsorte wurden, wie etwa Bars und Computerläden, als nicht wichtig kategorisiert. Das hat zu vielen Fragen geführt, denn in Uganda haben religiöse Veranstaltungen und Gottesdienste immer schon zahlreichen marginalisierten Menschen, die unter korrupten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen leiden, Trost und Zuversicht gegeben. Kirchen auf eine Stufe mit Bars und Trinkhallen zu stellen, hat etwas verändert.

Eine Schließung von Kirchen und das totale Verbot, die Heilige Messe mit öffentlicher Beteiligung zu feiern, hatte es bisher noch nicht gegeben. Ein solches Szenario hatten die meisten Menschen noch nie erlebt, und es führte zu einer Vielzahl von Reaktionen aus allen möglichen Teilen des Volkes Gottes. Nach Einschätzung der Regierung von Uganda bestand ein Weg, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, darin, die Versammlung größerer Menschenansammlung an einem Ort zu unterbinden. Nach den Bildungseinrichtungen nannte die Regierung „… die religiösen Versammlungen: Gebete in Kirchen und Moscheen, Gebetsveranstaltungen unter freiem Himmel und Gottesdienste an Freitagen, Samstagen und Sonntagen“. Sie bestimmte: „Mit sofortiger Wirkung haben diese Veranstaltungen im Interesse der Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger für einen Monat lang zu unterbleiben.“ Die Regierung empfahl, dass „Gebetszeiten in den Häusern stattfinden können und dass die religiösen Führer Fernsehen und Radio weiterhin für ihre Verkündigung nutzen dürfen“ (Ansprache von Präsident Museveni an die Nation vom 18. März 2020).

Wie erwähnt hatten die meisten Christen so etwas noch nicht erlebt und hatten sich nicht vorstellen können, dass eines Tages die Kirchen geschlossen würden und Religion ins Private abgedrängt würde. Entsprechend verunsichert fragten sich die Leute, ob dies tatsächlich möglich sei. Uganda hat im Laufe seiner Geschichte schon manch dunkle Zeiten durchlebt, insbesondere während des Bürgerkrieges in den 1980-er Jahren. Aber damals standen die Kirchen offen und die Menschen fanden in den Kirchen Zuflucht. Die Kirchen waren die einzigen Orte, die man aufsuchen konnte, um zu beten und Gott um Hilfe anzuflehen und Trost und Zuversicht in diesen schwierigen Zeiten zu erfahren.

Die Verwirrung wurde noch dadurch gesteigert, dass seitens der Regierung die politischen Aktivitäten, insbesondere in der Vorbereitung auf die für Januar 2021 vorgesehenen landesweiten Wahlen, ungehindert fortgeführt wurden, während die Gotteshäuser schließen mussten. Die meisten Menschen hinterfragten deshalb die Maßnahmen der Regierung.

Zudem waren die Christen nicht an Gebetsriten im privaten Kreis gewöhnt, denn sie wurden in eine Gemeinschaft von Gläubigen initiiert in der sie es gewohnt waren, dass Priester den Gebeten vorstehen. Viele Priester waren frustriert, da sie keine Messen zelebrieren durften. Wegen der Kirchenschließungen sind einige Priester zu ihren Eltern bzw. in ihre Dörfer zurückgekehrt.

Inzwischen haben die Menschen in Uganda gelernt, per Livestream über Fernsehen oder Radio an virtuellen Messen teilzunehmen, die Gebete mitzusprechen und eine Art spiritueller Kommunion zu empfangen. Aber viele Christen betrachten diese Art zu beten als nicht erfüllend, da die dort gefeierte Kommunion, d. h. Gemeinschaft nicht zur Fülle des Lebens beiträgt.

 

Welche Auswirkungen wird die Pandemie in den nächsten Monaten auf Ihr Land haben?

Sowohl im formellen wie im informellen Sektor wurden vielen Menschen schwer von den Schließungen getroffen. Dies betrifft die Arbeitsplätze von Millionen Uganderinnen und Ugandern. Nach einem von der „National Labour Force“ erstellten Statistik waren 2016/17 im informellen Sektor 84,9 % der Bevölkerung tätig, von denen wiederum 90 % junge Leute im Alter zwischen 10 und 30 Jahren waren. Die Schließungen im informellen Sektor bedeuten, dass beträchtliche Teile der Bevölkerung nicht mehr am Arbeitsmarkt teilhaben. Zum Überleben entwickeln einige dieser Menschen schädliche Strategien, etwa extreme Konsumeinschränkung, Diebstahl, was zu generellen Unsicherheit beiträgt, und in letzter Zeit häufen sich Suizide.

Nach sechs Monaten – und das Ende ist nicht abzusehen – ohne religiöse Veranstaltungen entwickeln viele Menschen eine religiöse Indifferenz. Dies zeigt sich am deutlichsten in der Gestaltung der Sonntage. Die Menschen betrachten den Sonntag inzwischen wie einen weiteren Wochentag, Es wird einiges an katechetischer Anstrengung kosten, bis die besondere Stellung des Sonntags als Ruhetag und Tag der Vorbereitung auf die nächste Woche wieder greift.

 

Welche Bedeutung hat der Glaube für die Menschen in den Zeiten der Pandemie?

Viele Priester haben die Hauskirche als theologischen Ort für ihr Apostolat und ihren Dienst wiederentdeckt. Das generelle Verständnis bestand darin, die Kirche vor allem als Gebäude zu sehen, das eine gewisse Stabilität im Glauben garantierte und den Raum für den Gottesdienst und für die Begegnung der Gläubigen untereinander bot. Mit der Schließung von Kirchen und anderen Gotteshäusern jedoch wurde die heimatliche Wohnstatt zur Kirche. Tatsächlich wurde in dieser Zeit von Covid-19 die theologische Bedeutung von Kirche in der Nachbarschaft neu entdeckt. Heutzutage werden die Sakramente im Kreis der Familie gefeiert. Die Gläubigen in enger Nachbarschaft versammeln sich in einem Haus, in dem dann die Eucharistie gefeiert wird und eben auch die anderen Sakramente: Taufen, Buße, Ehe, Krankensalbung. Diese Versammlungen in Häusern, bei denen die Beteiligten eine aktivere Rolle spielen, sind zur Norm geworden – im Vergleich zu den großen anonymen Pfarreien, in denen nur einige wenige die Hauptrollen spielten.

In diesem Zusammenhang wird überlegt, Programme der Weiterbildung im Glauben für Eltern anzubieten, damit sie ihren Kindern gegenüber ihre Rolle als erste Lehrer des Glaubens wahrnehmen können. In diesen Zeiten scheint die Familie der einzige sichere Hafen zu sein. Als Familienoberhaupt ist der Vater für die Katechese in der Familie verantwortlich, so wie der Bischof für die Katechese in seiner Diözese Verantwortung trägt. Die Mitglieder der Familie können gemeinsam Kirchenlieder singen, das Wort Gottes lesen und sich darüber austauschen oder den Rosenkranz rezitieren.

Die Dienste der Laien sind also gestärkt worden. Die meisten Gottesdienste werden von Laien geleitet. Priester mit der Tendenz, die Laien beiseite zu schieben, können nicht mehr herumreisen und alle Gemeinschaften besuchen. Somit tragen die Laien die Verantwortung für die Gottesdienste in den Familien und Kleinen Christlichen Gemeinschaften.

Foto: missio

Father Ambrose John Bwangatto ist Priester der Erzdiözese Kampala, Uganda. Er ist Studienpräfekt und Professor für Missionswissenschaft am Priesterseminar St. Mbaaga in Ggaba, Uganda. Als ehemaliger Stipendiat des Missionswissenschaftlichen Instituts Missio ist er in vielen Projekten mit missio verbunden.


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