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Vietnam: Ohne Hoffnung und Vertrauen bleibt den Menschen wenig

Immer wieder erhebt Papst Franziskus seine Stimme und ruft zu einer Globalisierung der Solidarität und Nächstenliebe auf. In Zeiten von Corona bekommt dieser Appell eine neue Bedeutung. missio steht auch in diesen Zeiten der weltweiten Pandemie in engem Kontakt mit seinen Projektpartnern in Afrika, Asien und Ozeanien, die besonders von der Pandemie betroffen sind. Klaus Vellguth befragte Joseph Hoang Ngoc Dung zur aktuellen Situation in Vietnam.

Wie hat die Covid-19-Pandemie das Leben der Menschen in Ihrem direkten Umfeld verändert?

Durch die Corona-Pandemie hat sich das Leben der Menschen in Vietnam wie wohl überall auf der Welt gravierend verändert. Alle sozialen Aktivitäten und Veranstaltungen wurden abgesagt. Freundschaften und Beziehungen wurden in Live-Chats und Videoanrufen gepflegt. Aufgrund dieser schwierigen Situation wurden während der Zeit des „Social Distancing“ viele Kirchen in Vietnam geschlossen, und auch der in den Pfarreien übliche Katechismusunterricht musste abgesagt werden. Die Gläubigen haben über YouTube und über die Website ihrer Diözese an einer online übertragenen Messe teilgenommen.

Wie auch in anderen von der Pandemie betroffenen Ländern hat die Wirtschaft Vietnams seit dem Ausbruch der Pandemie erheblich gelitten. In den ersten drei Monaten des Jahres gingen fast 35.000 Unternehmen in Konkurs, und eine steigende Zahl von Großunternehmen, die im Juni ihre Arbeitsverträge kündigten, zeigt, dass viele Unternehmen mit einem wirtschaftlichen Rückgang in der zweiten Jahreshälfte rechnen. Die Corona-Pandemie hat nach Angaben des Ministeriums für Arbeit und Soziales dazu geführt, dass fast 8 Millionen Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz ganz verloren haben oder zumindest den Beschäftigungsumfang reduzieren mussten.

Das Pastoralzentrum von Saigon, an dem ich tätig bin, war drei Monate (von Februar bis April) vollständig geschlossen. Als wir jedoch von Mai bis Ende Juni das akademische Semesterprogramm beendeten, stellten wir fest, dass zahlreiche Kurse online angeboten werden konnten. Die Pandemie hat zu einem Digitalisierungsschub geführt und die Möglichkeit geschaffen, Medienkompetenz zu vermitteln.

 

Welche Auswirkungen wird die Pandemie in den nächsten Monaten für Ihr Land haben?

Diese Pandemie ist nicht nur eine Gesundheitskrise, sie ist auch mit einer tiefen Vertrauenskrise verbunden. Die Menschen in Vietnam haben die Erfahrung gemacht, dass die Organisationen, Institutionen und Systeme sie völlig im Stich gelassen haben. Ohne Hoffnung und Vertrauen in die Zukunft bleibt den Menschen wenig, wofür es sich zu leben lohnt. Im Glauben mit seinen vielfältigen Dimensionen liegt gerade jetzt eine ungeheure Kraft. Deshalb werden wir in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, Unternehmen und internationalen Organisationen an einer Überwindung der Krise arbeiten. So wollen wir das Vertrauen der Menschen in die Zukunft, ihre Hoffnung und ihren Glauben stärken. Papst Franziskus hat die positive Gestaltung des bürgerlichen und politischen Lebens als eine der höchstmöglichen Ausdrucksformen der Liebe bezeichnet. Die katholische Kirche in Vietnam hilft weiterhin den Familien, die nach der Pandemie mit wirtschaftlichen oder persönlichen Problemen konfrontiert sind. Sie unterstützt junge Menschen dabei, Arbeit zu finden und ermutigt die Katholiken, Menschen in Not zu helfen.

 

Welche Bedeutung hat der Glaube für die Menschen in den Zeiten der Pandemie?

Der christliche Glaube gibt vielleicht keine Antwort darauf, warum es die Pandemie gibt. Aber er gibt eine Antwort darauf, wie wir im Angesicht der Pandemie überleben können: getröstet durch Jesus Christus und gestärkt von der Überzeugung, Einschränkungen als Opfer zu akzeptieren.

Die Zeit der Pandemie ist eine Zeit der geistlichen Solidarität. In der Zeit der Pandemie denken wir an die Menschen, die bereits gestorben sind, und an ihre Angehörigen. Und wir denken an die Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben oder an die vielen anderen, die große Angst vor Krankheit haben und trotzdem zur Arbeit gehen. In diesen Tagen erinnere ich mich oft an die Worte der Bibel: "Fürchtet euch nicht!". Der Glaube, dass wir sowohl im Leben als auch im Tod zu Gott gehören, stärkt mich. Nichts kann uns von Gott trennen.

Schwierige Zeiten fordern uns auch heraus, unsere Berufung als Jünger Jesu Christi zu überdenken, zu erneuern und zu vertiefen. Wir haben die Erfahrung gemacht, in unseren Gemeinden isoliert leben zu müssen. Die "neue Normalität", die wir erleben (Online-Messe), mag allzu neu und weit entfernt von der Normalität erscheinen. Doch wir vergessen nicht, dass die Kirche sowohl eine geistliche als auch eine physische Gemeinschaft ist; die Gebäude mögen leer stehen, aber die Kirche ist es nicht.

Die einzigartigen Umstände einer Pandemie können uns dazu einladen, unseren Glauben zu prüfen, unser Gebetsleben zu hinterfragen und darüber nachzudenken, wie wir unseren Glauben leben. Bischof Joseph Dinh Duc Dao (Diözese Xuan Loc) rief die Katholiken dazu auf, „zu versuchen, die Pandemie zu einer Chance für den Segen Gottes und die Kraft der Liebe zu machen“: indem die Christen andere materiell unterstützen und mit anderen Menschen zusammenarbeiten, um gemeinsam mit ihnen die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen.

Foto: missio

Joseph Hoang Ngoc Dung lebt in Vietnam und ist Mitglied des von missio initiierten Netzwerk Pastoral Asien. Das Netzwerk ist ein Zusammenschluss der Direktorinnen und Direktoren zahlreicher asiatischer Pastoralinstitute. Nähere Informationen zum Netzwerk Pastoral Asien finden sie hier ».


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