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Allen Völkern sein Heil – Die Mission der Weltkirche

Vor 15 Jahren, am 23. September 2004, veröffentlichten die deutschen Bischöfe ihre Erklärung „Allen Völkern sein Heil - Die Mission der Weltkirche“. Vor dem Hintergrund des schwindenden weltkirchlichen und missionarischen Bewusstseins unter den katholischen Christen in Deutschland und der innerhalb und außerhalb der Kirche gängigen Kritik an der Mission wollten die Bischöfe mit ihrer Erklärung ein zeitgemäßes Missionsverständnis formulieren und mit Blick auf die pastorale Praxis missionarische Handlungsfelder beschreiben. Anlässlich des Jubiläums der Missionserklärung sprach Klaus Vellguth mit Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Sievernich, der wesentlich an der Genese des Textes beteiligt war.

Foto: Wikipedia

Was war der Anlass für die Veröffentlichung des Missionsdokuments „Allen Völkern sein Heil“, das die Deutschen Bischöfe vor genau 15 Jahren im September 2004 veröffentlicht haben?

Es war eine späte Frucht des Zweiten Vatikanischen Konzils, dass die deutschen Bischöfe zu Beginn des neuen Jahrhunderts sich der Frage einer missionarischen Kirche zuwandten und im Jahr 2000 das Dokument „Zeit zur Aussaat“ veröffentlichten, das auf den Sendungsauftrag der Kirche einging. Ein Vierteljahrhundert nach dem Schreiben Pauls VI. Evangelii nuntiandi sollte sich die Kirche an ihre missionarische Aufgabe erinnern. Doch damit war auch klar, dass die Kirche sich nicht nur nach innen richten konnte, sondern als Teil der Weltkirche auch nach außen richten musste. Daher entstand wenige Jahre später, 2004, das Dokument Allen Völkern Sein Heil, das den Blick weitete und die Mission der Weltkirche betrachtete.

Wer hat seinerzeit den „Startschuss“ zur Entwicklung des Missionsdokuments gegeben?

Die Initiative zu diesem weltkirchlichen Bischofswort lag bei Bischof Franz Kamphaus, der damals den Vorsitz der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz innehatte und die wachsende Bedeutung der Weltkirche erkannte, die inzwischen über eine Milliarde Katholiken in alle Völkern zählt.

Was sind die wesentlichen Aussagen von „Allen Völkern sein Heil“?

Die wesentlichen Aussagen finden sich in drei großen Kapiteln. Sie befassen sich erstens mit der Geschichte und Gegenwart der christlichen Mission, die Spätantike, Mittelalter und Neuzeit umfasst und dort eine Vielfalt von Missionsmethoden entwickelte. Zweitens geht es systematisch um das theologische Profil der Mission, das als Grund Jesus Christus angibt und als zentrale Dimensionen den Dienst an der Freiheit und der befreienden Wahrheit sieht. Drittens geht es praktisch um die Weisen der Weltmission, da die Gemeinschaft der Kirche eine Lern-, Gebets- und Solidargemenschaft ist, die Kopf, Herz und Hand in Bewegung bringt. 

Der Begriff „Mission“ war lange Zeit ein historisch belasteter Begriff. Wie wird Mission im Bischofswort von 2004 verstanden?

In der Missionsgeschichte gab es immer wieder unterschiedliche Begriffe für die Verbreitung der frohen Botschaft, des Evangeliums. Man sprach von der Verkündigung des Evangeliums, von der Bekehrung der Ungläubigen, der Predigt unter den Völkern, der Evangelisierung oder dem Apostolat. In der Frühen Neuzeit bürgerte sich über Jahrhunderte der Begriff der „Mission“ ein, der sich auf die Sendung (missio) bezieht. Erst im 20. Jahrhundert, im Zuge der (berechtigten) Kritik an der Verquickung von Kolonisierung und Missionierung, wurde „Mission“ zu einem belasteten Begriff, zumal im Kontext der Dekolonisierung in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Heute spricht man sowohl von Mission als auch von Evangelisierung. Das bischöfliche Dokument Allen Völkern sein Heil (2004) definiert Mission folgendermaßen: „Mission bedeutet, mit anderen das Evangelium zu teilen und ihnen so die wahre Freiheit zu erschließen, die ein Kennzeichen des Ebenbilds Gottes im Menschen ist (vgl. Gaudium et spes 17). Eben das ist der beste Dienst der Kirche für die Welt.“ (AVSH S. 8).

Warum wurde nur vier Jahre nach Veröffentlichung des Dokuments „Zeit zur Aussaat – missionarisch Kirche sein“ von den deutsche Bischöfen ein weitere Missionserklärung veröffentlicht?

Weil beide Dokumente sich ergänzen: Das Dokument Zeit zur Aussaat knüpft im Bild der Aussaat an die fünf Stufen auf dem Glaubensweg an, die im erwähnten Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi beschrieben werden (EN Nr. 24). Es sind das Zeugnis des Lebens, das Zeugnis des Wortes durch Verkündigung, die Zustimmung des Herzens, der Eintritt in die Gemeinschaft der Gläubigen und die Beteiligung am Apostolat, also Teilnahme an der Sendung, der Mission. Hier geht es also um die methodischen Schritte der Evangelisierung. Das Dokument Allen Völkern Sein Heil ergänzt diese methodischen Schritte durch die Geschichte der Mission oder Evangelisierung, durch das theologische Grundverständnis (Christus, Freiheit und Wahrheit) und die missionarische Praxis der Weltkirche.

Wie ist das Dokument im Jahr 2004 von der Kirche in Deutschland aufgenommen worden und was hat die Veröffentlichung des Dokuments bewirkt?

Auf diese Frage kann man nur ungefähr antworten, da keine exakten Untersuchungen über die Rezeption und die die Wirkungsgeschichte vorliegen. Jedenfalls gab es von Anfang an ein großes Interesse an diesem Dokument, das bald auch in Französisch und Spanisch übersetzt wurde: A tous les peupdes ton salut. La mission de l´Église Universelle (2005); A todos los pueblos Su Salvación. La misión de la Iglesia Universal (2005). Es erschienen zahlreiche Rezensionen, darunter eine sehr detaillierte von Hans Waldenfels unter dem Titel: „Allen Völkern Sein Heil“ Das Missionsgrogramm der deutschen Kirche (Zeitschrift für Missionswissenschaft und für Religionswissenschaft 89 (2005) 163-180). Man kann nur hoffen, dass das Dokument viel Resonanz erfahren hat, das missionarische Moment der Kirche gestärkt und vielen Leserinnen und Lesern gute Anregungen für die eigene missionarische Praxis vermittelt hat.

Welche Perspektiven müsste eine künftige Missionserklärung der Deutschen Bischöfe aus Ihrer Sicht akzentuieren?

Am Beginn des 21. Jahrhunderts haben die deutschen Bischöfe die Mission oder Evangelisierung als entscheidende Zukunftsaufgabe der Kirche aufgegriffen. Da diese Aufgabe eine Daueraufgabe bleibt und sich mit jeder Epoche die Herausforderungen ändern, veröffentlicht die Deutsche Bischofskonferenz während der diesjährigen Herbstvollversammlung in Fulda ein neues Bischofswort, das die bisherigen Worte mit neuen Themen und Fragen fortschreibt. So antwortet das Bischofswort „Evangelisierung und Globalisierung“ (2019) etwa auf folgenden Fragen: Wie kann das Evangelium Jesu Christi sprachlich und kulturell übersetzt und verstanden werden? Welche Herausforderungen stellen die heutigen Kontexte von Globalisierung und Evangelisierung dar? Wie kann die Glaubensgemeinschaft der Kirche missionarische Perspektiven entwickeln und Optionen konkretisieren?

Kurzinfo

Michael Sievernich S.J., geb. 1945, Dr. theol., Dr. theol. h.c., Lic. phil., ist Prof. em. für Pastoraltheologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Honorarprofessor an der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt. Von 2000 – 2016 war er Vorsitzender des Internationalen Instituts für missionswissenschaftliche Forschungen e.V. (IIMF).


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