Vorfreude und Anspannung liegen in der Luft. Die letzten technischen Vorbereitungen werden getroffen. Die Friedenskonferenz im digitalen Format stattfinden zu lassen ist eine von vielen Improvisationen, zu denen die Corona-Lage aktuell zwingt. Die Referenten sind dennoch fröhlich und konzentriert. Zwischendurch wird Ernsthaftigkeit auf den Gesichtern sichtbar, denn es geht um ein wichtiges Thema. Frieden. Auch wenn die Internationale Friedenskonferenz ein anderes Format angenommen hat, darf die Auseinandersetzung mit dem Thema keinesfalls unter den Tisch fallen.
Thema dieses ersten Konferenztages ist Frieden Denken. Referiert wird über die philosophisch-religiöse Dimension - sozusagen die Theorie, um Frieden praktisch werden zu lassen.
Denn die theoretische Sicht auf Frieden hat sich in der Menschheitsgeschichte stark gewandelt. „Friede ist nicht der Normalzustand der Menschheitsgeschichte. Krieg ist die Norm. Friede die kurzzeitige, überraschende Ausnahme.“, weist Prof. Dr. Joachim Söder, Professor der Philosophie an der Katholischen Hochschule, auf das ursprüngliche Verständnis von Krieg und Frieden hin. Erst durch den Impuls von Augustinus, der „Frieden als Übereinstimmung von Erkennen und Handeln“ definiert, verbreitet sich ein anderes Friedensverständnis. Inwiefern ist diese Theorie wichtig für den heutigen Friedensdiskurs? Es gilt zu verstehen, dass Friede nicht automatisch passiert, sondern immer ein Akt des Willens ist. Er ist kein Zustand, sondern ein Prozess. „Wir müssen Strukturen schaffen, die den Prozess des Friedens voranbringen“, fordert Söder. Wie solche Strukturen aussehen können, wird in den nächsten Tagen diskutiert.
Militärinterventionen als Instrument zur Durchsetzung des Friedens standen heute unter scharfer Kritik. Ralf Becker, Autor des Friedensszenarios „Sicherheit neu denken“, stellte ein Friedenskonzept vor, das für eine umfassende Gewaltfreiheit plädiert. Er verweist auf Untersuchungen, denen zufolge ein Großteil der Militärinterventionen erfolglos blieben und nur noch mehr Gewalt hervorbrächten. „Eine nachhaltige Entwicklung ist nur möglich, wenn die Konflikte vorher politisch gelöst wurden und nicht militärisch“. Der politische Diskurs unter Einbeziehung religiöser Akteure ist für eine langfristige Friedenssicherung unverzichtbar, so der Tenor der heutigen Veranstaltung.
Unterschieden werden zwei Arten des Friedens. Während negativer Friede die reine Abwesenheit von Krieg bezeichnet, beinhaltet positiver Friede vielmehr die Abwesenheit von kultureller, struktureller und physischer Gewalt. Er versteht sich ganzheitlich. „Nicht nur Regierungen sind für Frieden verantwortlich, sondern Akteure auf allen Ebenen der Gesellschaft“, betont Cora Bieß von der Berghof Foundation in ihrem Workshop Interreligiöse Aspekte der Friedensarbeit und nimmt damit die Religionen in die Verantwortung.
Wie Religionen als Vorbilder der Friedensbildung vorangehen können, beschreibt missio-Präsident Pfarrer Dirk Bingener aus eigener Erfahrung. Auf einer Projektreise nach Nigeria begegnen sich muslimische und christliche Würdeträger bei einem Kondolenzbesuch und zeigen, wie Frieden auch dort gelingen kann, wo religiöse Konflikte an der Tagesordnung sind. „Frieden ist nichts Aufgesetztes, sondern geschieht im Alltag“, beschreibt Bingener die bewegende Situation und unterstreicht damit die Bedeutung des interreligiösen Dialogs.
„Friede ist keine einfache Aufgabe“, so Bingener weiter, „Um Frieden zu machen, braucht es verschiedenen Perspektiven - die globale, wissenschaftliche und religiöse.“ Genau diese werden im Rahmen der Friedenskonferenz in den Austausch gebracht. Es bleibt nicht bei der Theorie – sondern Frieden wird praktisch gemacht.
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