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Im Einsatz gegen Hexenwahn und Frauenhass

Ein Gespräch mit Linda Auth

Eine junge Frau aus Fulda reist ans andere Ende der Welt um im Hochland von Papua-Neuguinea in einem Frauenschutzprojekt zu arbeiten. In dem paradiesischen Land werden Frauen als angebliche Hexen beschuldigt, gefoltert und in vielen Fällen getötet. Dort wird Linda Auth missio-Projektpartnerin Schwester Lorena Jenal und ihr Team im Kampf gegen diesen Hexenwahn unterstützen. Das muss ordentlich Mut erfordern. Ob sie keine Angst hätte, wird sie häufig gefragt. Im Interview mit Marlen Helms erklärt sie, was sie motiviert und wie sie sich auf ihren Auslandseinsatz vorbereitet.

 

Du möchtest ans andere Ende der Welt fliegen und dort Schwester Lorena im Kampf gegen Hexenwahn in Papua-Neuguinea unterstützen. Wie kam es dazu?

Ich war Ende 2015 bereits einmal für vier Monate in Papua-Neuguinea. Dort habe ich ein Praktikum bei Schwester Lorena absolviert und war zum ersten Mal konkret mit der Thematik „Gewalt gegen Frauen“ konfrontiert. Die Arbeit mit den Frauen vor dem Hintergrund dieser schweren Thematik hat mir Freude gemacht, da man im Einzelfall wirklich nachhaltig etwas verändern kann.
Die Mitarbeit in Papua-Neuguinea ermöglicht es mir nun, weiter mit Frauen in einem interkulturellen Kontext, aber in ihrem nationalen Umfeld zu arbeiten und daran mitzuwirken, regionale Schutzstrukturen auszubauen und zu implementieren. Ich kenne Schwester Lorena nun schon seit acht Jahren und uns verbindet eine tiefe Freundschaft. Ich weiß, dass sie in Papua-Neuguinea großartige Arbeit leistet. Als Menschenrechtlerin freue ich mich darauf, Schwester Lorena und ihr Team im Kampf gegen den Hexenwahn in Papua-Neuguinea eine Zeitlang unterstützen zu können.

 

Was unternehmt ihr gegen diese Menschenrechtsverletzungen und was wird deine Aufgabe sein?

Schwester Lorena und ihr Team arbeiten nun schon viele Jahre gemeinsam im Einsatz gegen diese schrecklichen Verbrechen. Mit der weiteren Unterstützung von missio Aachen kann nun ein Schutzhaus für genau diese Frauen errichtet werden. Dabei geht es darum, regionale Schutzstrukturen auf- und auszubauen und das Schutzhaus regional in der Diözese Mendi zu implementieren. Ich werde die Arbeit von Schwester Lorena als integrierte Fachkraft vor Ort unterstützen und als Teil des nationalen Teams arbeiten. Nach dem Aufbau des Hauses geht es vor allem um die psychosoziale Arbeit mit den betroffenen Frauen im Haus. Darüber hinaus müssen die überregionalen Netzwerkstrukturen weiter ausgebaut werden, um den Frauen Zukunftsperspektiven in anderen Teilen des Landes zu ermöglichen und ein Followup zu gewährleisten. Daneben geht es natürlich auch um Präventions- und Aufklärungsarbeit innerhalb der Pfarreien.


Was sind deine Hoffnungen und vielleicht auch Ängste vor der Reise?

Ich freue mich auf meine Zeit in Papua-Neuguinea und hoffe, dass es mir als junge Frau und junge Fachkraft gelingen wird, gewinnbringend für Schwester Lorena, ihr Team und besonders für die betroffenen Frauen zu arbeiten. Natürlich habe ich großen Respekt vor der Aufgabe. Aber ich weiß, dass ich mit Schwester Lorena eine sehr gute Mentorin habe und ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit.

 

Linda Auth zusammen mit Schwester Lorena in Papua-Neuguinea
Linda Auth (rechts) wird Schwester Lorena (links) im Kampf gegen den Hexenwahn in Papua-Neuguinea unterstützen. Seit acht Jahren verbindet die beiden Frauen eine enge Freundschaft.

Die Verfolgung vermeintlicher "Hexen" nimmt zu

Wie bereitest du dich auf deinen Einsatz vor?

Ich habe im Februar dieses Jahres mit meiner Vorbereitung auf meinen Einsatz bei AGIAMONDO in Köln begonnen. Die Ausreise war dann für Ende Mai geplant. Durch Corona sind meine Pläne, sowie die Pläne aller anderen Fachkräfte, durcheinandergewirbelt worden. Somit bin ich aktuell immer noch in Deutschland und warte auf die Möglichkeit nach Papua-Neuguinea ausreisen zu können. Jedoch konnte ich die zusätzliche Vorbereitungszeit in zahlreichen Onlinekursen und Webinaren gewinnbringend nutzen. Ich habe einen zweiwöchigen Intensivsprachkurs in Tok Pisin absolviert und mich in Seminaren zu Trauma, Umgang mit gewaltbelasteter Vergangenheit, Landesanalyse zu Papua-Neuguinea, Projektmanagement und vielen weiteren Seminaren, themenspezifisch auf meine zukünftige Aufgabe vorbereitet.

 

Wie geht es dir damit, dass sich deine Reise verzögert?

Ich bin unglücklich darüber, dass ich immer noch hier in Deutschland bin, obwohl Schwester Lorena in Papua-Neuguinea unglaublich viel zu tun hat und gerade jetzt jede Unterstützung so dringend benötigt wird. Die steigende Anzahl von Frauen, die Opfer des Hexenwahns werden, ist beunruhigend. Ich telefoniere regelmäßig mit Schwester Lorena und sie informiert mich über die aktuelle Situation innerhalb der Region. Wir sind also in engem Kontakt und sind guter Dinge, dass meine Einreise bald möglich sein wird. Jedoch kann man in der aktuellen Situation leider kaum genaue zukünftige Aussagen treffen. Ich versuche auch über die Homepages der Tageszeitungen in Papua-Neuguinea und über die sozialen Medien weitere aktuelle Informationen aus dem Land zu bekommen. Die steigende Anzahl an Corona-Infektionen gerade in der Hauptstadt ist besorgniserregend.

 

 Hat sich durch die Corona-Pandemie etwas im Land verändert?

Papua-Neuguinea hat sehr früh die Landesgrenzen geschlossen und auch im Land strenge Regeln verhängt. Somit konnte die Fallzahl mit elf nachgewiesenen Infektionen lange sehr niedrig gehalten werden. Seit Mitte Juni kam es dann zu schrittweisen Lockerungen der Maßnahmen. Seit nunmehr zwei Wochen erlebt Papua-Neuguinea einen Anstieg der Fallzahlen auf mittlerweile 110 Infektionen. Seit dem 27. Juli gibt es nun einen erneuten Lockdown in der Hauptstadt Port Moresby, der zunächst für 14 Tage gilt. In der Provinz Southern Highlands, wo Schwester Lorena tätig ist, gibt es jedoch nach heutigem Stand noch keine nachgewiesenen Infektionen.

Foto: Bettina Flitner/missio
Schauplatz brutaler Menschenrechtsverletzungen. In Papua-Neuguinea werden Frauen als vermeintliche "Hexen" verfolgt und gefoltert.

"Die Folter gegen Frauen in Zusammenhang mit dem Vorwurf der Hexerei ist abscheulich"

Du warst schon mal in Papua-Neuguinea. Was hast du dort gemacht und erlebt?

Ich habe Ende 2015 für vier Monate ein Praktikum bei Schwester Lorena absolviert, die zu diesem Zeitpunkt noch das nationale katholische Familienbüro in Goroka geleitet hat. Ich habe in dieser Zeit sehr viel über die Arbeit von Schwester Lorena und das Land gelernt. Die Zeit hat mich sehr bereichert und mich bestärkt auch zurück in Deutschland weiter im Gewaltschutzbereich mit Frauen zu arbeiten. Bei SOLWODI Deutschland e.V. in Fulda hatte ich in der Fachberatungsstelle Fulda mit Betroffenen von Zwangsheirat und Gewalt im Namen der Ehre zu tun. Ich bin sehr dankbar, dass ich dadurch die Gelegenheit hatte, Frauen auf dem Weg in die Eigenständigkeit und zu einem selbstbestimmten Leben zu begleiten.

 

Wie äußert sich Gewalt gegen Frauen in Papua-Neuguinea?

Ich habe kürzlich über Social Media das Plakat einer Frau gesehen, die in Port Moresby gegen Gewalt an Frauen protestiert hat. Der Slogan auf dem Plakat war „PNG is not safe to live as a female“ (“In Papua-Neuguinea ist es nicht sicher, als Frau zu leben”). Eine sehr eindrückliche Aussage. Es gibt in Papua-Neuguinea ein großes Gewaltpotential innerhalb der Gesellschaft und sehr viel Gewalt gegen Frauen. Während meines Praktikums war ich immer wieder mit Fällen von häuslicher Gewalt konfrontiert.

 

Siehst du Parallelen zu der Gewalt im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Hexerei?

Die Folter gegen Frauen in Zusammenhang mit dem Vorwurf der Hexerei ist abscheulich. Die Folter richtet sich häufig gegen die weiblichen Geschlechtsorgane und damit gegen das Frausein als Solches. Es ist Ausdruck eines nicht fassbaren Frauenhasses, der sich gemeinschaftlich gegen eine oder mehrere Frauen innerhalb der Community entlädt.

 

Was erhoffst du dir von der Öffentlichkeit und von dem Ausruf des Internationalen Tages gegen Hexenwahn am 10. August?

Es ist wichtig nicht wegzuschauen, sondern das große Leid dieser Frauen innerhalb der internationalen Gemeinschaft zu sehen, anzuerkennen und sich aktiv dagegen einzusetzen. Der Internationale Tag gegen Hexenwahn ist ein wichtiger Schritt in Bezug auf die internationale Wahrnehmung dieser Menschenrechtsverletzungen, die nicht nur in Papua-Neuguinea unfassbares Leid für die betroffenen Frauen bedeuten. Es ist ein Gedenktag für alle betroffenen Frauen und für alle Menschen, die sich wie Schwester Lorena aktiv im Kampf gegen diese Verbrechen einsetzen. Der 10. August ist ein Tag für die Menschenrechte.


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