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Wir staunen über den Dialog des Lebens

missio und Bistum Mainz auf Friedenssuchermission in Ghana (Teil 2)

So geht es mir oft: Ich sortiere nach einem erlebnisreichen Tag meine Eindrücke: Was war heute an diesem Freitag wichtig? Was will ich in Erinnerung behalten? Und dann fallen mir als erstes gerade nicht die „zentralen“ Aussagen aus einem Gespräch ein, die Merksätze oder die wichtigsten neuen Erkenntnisse - sondern interessante Nebensachen. Bilder, die mir vertraut vorkommen. Die ich so oder so ähnlich schon einmal im Leben gesehen habe, an einem anderen Ort, in einem völlig anderen Zusammenhang. Heute in Accra, der Hauptstadt Ghanas, hatte ich ein solches Déjà-vu. Ausgelöst hat es ein Erzbischof, der die Schuhe auszieht.

Der Erzbischof ist Philip Naameh, der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz von Ghana. Unsere Reisegruppe von missio und aus dem Bistum Mainz ist im Haus der Bischofskonferenz, um an einer interreligiösen Konferenz teilzunehmen. Ein Treffen mit dem Erzbischof ist für heute nicht vorgesehen, aber plötzlich steht er im Raum und setzt sich zu uns. Er rückt sich auf dem Stuhl zurecht, streckt die Füße aus und streift die Schuhe ab.

Das Bild zeigt eine große Gruppe von Menschen, etwa 14, die in einem Raum vor einem roten Banner stehen und posieren. Das Banner trägt die Aufschrift "Blessed are the peacemakers!" (Selig sind die Friedensstifter!). Die Gruppe besteht aus Männern und Frauen verschiedener Altersgruppen und ethnischer Hintergründe; darunter ist zumindest ein Kardinal erkennbar. Sie halten das Banner gemeinsam und lächeln in die Kamera. Im Hintergrund sind zwei gerahmte Bilder an der Wand und ein Teppichboden zu sehen. Auf einem Couchtisch vor ihnen befinden sich Wasserflaschen und weitere Gegenstände. Der Raum scheint ein Büro oder ein Besprechungsraum zu sein. Die Stimmung ist freundlich und feierlich. Auf dem Banner sind auch die Logos von "Bistum Mainz" und "missio" zu erkennen.
"Selig, die Frieden stiften": Das ist das biblische Leitwort des Weltmissionssonntages, der für Deutschland am 4. Oktober in Mainz eröffnet wird. Zur Vorbereitung sind missio und das Bistum Mainz derzeit in Ghana auf Friedenssuchermission. Hier treffen sie Erzbischof Philip Naameh.

In diesem Moment fällt mir eine Begegnung ein, die ich vor zehn Jahren in Barcelona hatte. Ich war bei einem Ehepaar zu Gast, das ein Segelboot gebaut hatte, mit dem es den Atlantik überqueren wollte. Kurz vor der Abfahrt war ich für einen Tag eingeladen, mit den Bootsbauern vor Barcelona zu kreuzen. Zur Begrüßung sagte der Kapitän: „Bitte zieh‘ die Schuhe aus, das machen auf dem Boot alle so.“ Ich fragte, warum. Die Antwort: „Unsere Erfahrung ist, dass man sich barfuß besser unterhält.“ So wurde es gemacht.

Katholische Kirche in Ghana feiert Geburtstag des ranghöchsten islamischen Geistlichen mit einem Gottesdienst

Erzbischof Naameh hält keine lange Rede, sondern fordert uns auf, ihm Fragen zu stellen. Und weil das Thema unserer Reise nach Ghana das Zusammenleben der Religionen ist, sind wir sofort mitten in seinem Arbeitsalltag. Denn seine Diözese liegt im Norden Ghanas in einer Region, deren Einwohner mehrheitlich Muslime sind, die Christen sind dort eine Minderheit. Auf die Frage nach den Beziehungen zum Islam antwortet er: „Aktiv und konkret. Dialog der Religionen, das kann nur ein Dialog des Lebens sein.“ Als der ranghöchste islamische Geistliche des Landes seinen einhundertsten Geburtstag gefeiert habe, sei es für die katholische Kirche selbstverständlich gewesen, dieses Ereignis in einem Gottesdienst zu würdigen.

Der ranghöchste islamische Geistliche und ich sind uns einig, dass wir unseren Gläubigen und vor allem den jungen Menschen vermitteln müssen: Jede Religion hat ihren Wert.

Erzbischof Naameh aus Ghana

Das bedeutet in Ghana auch, dass die Religionen im öffentlichen Leben gemeinsam ihren Platz beanspruchen. Bei staatlichen Veranstaltungen, Konferenzen oder Zeremonien ist es üblich, dass zum Beginn und zum Schluss ein Gebet gesprochen wird. „Üblicherweise teilen wir uns diese Aufgaben: Der christliche Pfarrer übernimmt den Auftakt, der Imam den Schluss – oder umgekehrt“, sagt Erzbischof Naameh. „Und ich habe es schon oft erlebt, dass bei solchen Gelegenheiten die muslimischen Politiker oder Beamten, die an der Veranstaltung teilnehmen, das Vaterunser mitsprechen – weil sie als Kinder eine kirchliche Schule besucht und das Gebet dort gelernt haben."

Das Foto zeigt eine Begegnung in einem Büro oder Besprechungsraum. Im Vordergrund stehen zwei Männer, die sich eine kleine, dunkle Schachtel übergeben. Der Mann links trägt ein kariertes Hemd, der Mann rechts, der offensichtlich eine höhere Position innehat (ein Bischof aufgrund seiner Kleidung), trägt weiße Gewänder. Weitere Personen sind im Hintergrund zu sehen: Ein weiterer Geistlicher im Hintergrund links und eine Frau rechts, die eher zivil gekleidet ist und an dem Treffen teilnimmt. Bücherregale, eine Klimaanlage und ein Sofa sind im Hintergrund ebenfalls zu erkennen. Die Atmosphäre wirkt formell, aber freundlich und konzentriert.
Werner zum Meyer zum Farwig (links), stellvertretender Leiter der missio-Bildungsabteilung, bedankt sich im Namen der Reisegruppe von missio und dem Bistum Mainz bei Erzbischof Philip Naameh für die Gastfreundschaft in Ghana. Die Gruppe bereitet den Weltmissionssonntag 2020 mit vor, der in Mainz eröffnet wird.

Ermutigendes Beispiel trotz Sorgen um Religionsfrieden: Interreligiöse Ehen werden geschlossen, bei denen beide Eheleute ihre Religion behalten

Was der Erzbischof erzählt, klingt so, als wäre Ghana tatsächlich ein Leuchtturm, das Musterbeispiel eines gelungenen christlich-islamischen Dialogs. So beschreiben viele Beobachter, seien sie politische Analysten, Diplomaten oder Vertreter der Religionen selbst, das Land. Aber hat er keine Angst, dass hier Ähnliches passieren könnte wie im nördlichen Nachbarland Burkina Faso, wo eine kleine Minderheit radikaler Muslime, die aus dem Ausland kamen, das jahrelang eingeübte gute Zusammenleben stört? „Diese Befürchtung gibt es, und besonders die islamischen Geistlichen in unserer Region sorgen sich“, sagt Naameh. Andererseits aber gebe es ermutigende Entwicklungen. So seien in den letzten Jahren viele Interreligiöse Ehen geschlossen worden, bei denen beide Eheleute ihre Religion behalten hätten.

„Dialog des Lebens“ – das ist also doch ein Stichwort zum Merken. Ich vermute, es bedeutet, dass man sich gemeinsame Ziele und Aufgaben sucht – in der Familie, oder auch in der Politik. Zu letzterer mehr in meinem nächsten Blogbeitrag.


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