Wir sind eine Woche lang im Libanon unterwegs. Wir, das sind: Ayline Plachta, Elke Breuer-Schulte, Katja Heidemanns, Johannes Seibel, Frank Kraus und Pfarrer Dirk Bingener. Wir lernen Frauen und Männer kennen, die die verschiedenen christlichen Kirchen im Libanon und Nahen Osten prägen. Einige von ihnen sehen wir im Oktober zum Monat der Weltmission in Deutschland wieder.
Wir waren da, wir bleiben da, wir sind da
Die Christen in der Bekaa-Ebene rund um die Stadt Baalbek fürchten um ihre Existenz. Politische Instabilität. Religiöser Fundamentalismus. Flüchtlingsdruck. Auswanderung. Korruption. Armut. Dagegen setzt die maronitische Eparchie von Baalbek Deir el-Ahmar auf Glaubensfreude, Aufbruch, handfeste soziale Arbeit, gute Nachbarschaft mit den Muslimen – ja, und auf das Gebet. Die Botschaft der maronitischen Christen hier: Wir waren da, wir sind da, wir bleiben da.
Gottessucher bauen neuen maronitischen Orden eigenhändig auf
Bischof Hanna Rahmé wuchtet sich in unseren Kleinbus. Er fährt über unbefestigten ruckeligen Schotter mit zu einer neuen maronitischen Mönchsgemeinschaft. Seit 2017 bauen Männer dort auf einem hohen Berg den Konvent mit ihrer eigenen Hände Arbeit auf. Sie mauern und tischlern, bestellen Äcker, bauen Obst an, wollen möglichst autark leben. Intensiv suchen sie durch Gebet und Betrachtung die Nähe und Gemeinschaft mit Jesus Christus. Ausnahmsweise öffnen sie für uns heute ihre Pforten. Üblicherweise empfangen sie keinen Besuch. Übersetzt nennen sie sich Orden der Mönche von Beit Maroun und Diener der Zedern des Libanons. Während der Fahrt lacht Bischof Rahmé: „Meine Bedingung für die Ansiedlung war, dass die Mönche vier Tage im Konvent arbeiten und beten und drei Tage in der Woche in die Dörfer gehen, um dort zu unterrichten und den einfachen Menschen zu helfen.“
missio-Crew stimmt für die Mönche „Maria, breit den Mantel aus“ an
Der maronitische Orden boomt. Auch aus Australien und anderen Länder zieht es Gottessucher hierher. Er ist jetzt schon ein Kraftort für die Bekaa-Ebene. Gemeinsam gehen wir mit den Mönchen zu einer kleinen Anhöhe. Dort wacht eine hohe Marienstatute über den Konvent. Wir stimmen spontan ein „Maria, breit den Mantel aus“ an. Die Mönche antworten mit einem maronitischen Gesang. Wir empfehlen uns jetzt und hier alle dem Schutz Mariens an. Magic Moment.
Maria erscheint einem muslimischen Mädchen – ein Wallfahrtsort entsteht
Was hier nicht allein Christinnen und Christen tun. Auch Muslime wenden sich in ihren Gebeten um Hilfe in Not und Krankheit an Maria. Bischof Rahmé dirigiert uns über den Schotterweg zurück zum Marienwallfahrtsort Unserer Lieben Frau von Bechwat. In der Kapelle stimmt er ein maronitisches geistliches Lied an. Hier, so erklärt es Bischof Rahmé uns, ist einem kleinen muslimischen Mädchen Maria erschienen. Sie teilte mehrere Botschaften mit ihr. Schnell ist der Ort gewachsen. Heute empfängt ein stattliches Areal Christen und Muslime nicht allein aus der Region. „Wir sind hier als Christen da, Christus zu bezeugen, und nicht, um nur Christen zu helfen.“
Für Flüchtlinge und einheimische Libanesen gleichermaßen einsetzen
Ein eindrucksvoller Satz von Bischof Rahmé. Und er erklärt ganz einfach, warum sich die Eparchie mit ihren bescheidenen Mittel gleichermaßen für die Belange muslimischer syrischer Flüchtlinge und die Interessen der vom Staat vergessenen alteingesessenen Libanesen einsetzt. Warum er immer wieder in einer Region das interreligiöse Gespräch sucht, in der in weiten Teilen die schiitische Miliz Hisbollah das Sagen hat und die Muslime radikalisiert – wohl wissend, dass seine Gemeinden große Angst hat. Umsichtig bleiben, Ruhe bewahren, kluge Entscheidungen treffen. Das ist die täglich Herausforderung für Bischof Rahmé.
Eine Frauengemeinschaft sucht den beglückenden Glauben
Ruhe ist ein Wort, das die Schwestern der Gemeinschaft „Sisters of the Forsaken Jesus“ nicht kennen. Sie leben in einem anderen Konvent hier auf einer anderen Höhe. Bischof Rahmé unterstützt die Initiative. Wir sitzen in der kleinen Brotbackstube der Gemeinschaft. Eine Schwester greift sich aus einer Schüssel eine Hand voll Teil und knetet ihn flach auf Pizzagröße. Dann legt sie das Teil auf den rechten Unterarm, schwingt ihn auf den linken Unterarm, zurück auf den rechten und so weiter hin und her. Dann wirft sie das Stück auf einen kleinen Holzofen. Die Schwestern laden uns zur Jonglage ein. Ayline Plachta krempelt die Ärmel hoch. Eine Schwester legt ihr ein neues Teigstück über den Arm. Ayline bringt den Teig zum Tanzen. Die Schwestern klatschen, feuern unsere Erfurter missio-Diözesanreferentin an. Und jubeln, als das gute Stück auf dem Ofenblech landet.
Frauen aus besten Berufen tauschen ihr altes Leben gegen einen beglückenden Glauben
Kaum zu glauben: Diese Frauen kommen zum Teil aus besten Berufen. Beispielsweise ist eine Zahnärztin dabei. Sie haben ihre alte Leben aufgegeben, um mit ihrer Schwesternkommunität hier Präsenz zu zeigen. „Wir sind hier, weil wir unseren christlichen Glauben endlich in einer beglückenden Weise leben wollen, in Gemeinschaft, für uns und mit den Menschen rundherum um uns. Mir gibt diese Businesswelt nichts mehr“, erklärt eine Schwester ihre Vision. Die Konventtüren stehen offen, wenn Menschen zu ihnen mit ihren Problemen kommen. Die Schwestern hören zu, helfen.
Eine Vision, die für uns heute schnell handgreiflich wird. Während das Brot backt, nehmen Schwestern uns an die Hand. Sie tanzen ausgelassen um den Ofen, singen, lachen. Sie stecken uns mit dieser glaubensgetränkten puren Lebensfreude an.
Zeit für den Abschied. Von den „Sisters of the Forsaken Jesus“ und vom Libanon. Die Reise geht zu Ende. Aber zuvor recken die Schwestern auf dem Platz, auf dem wir parken, ihre Fäuste in die Höhe. Selbstbewusst, voller Energie. Wir schenken und knüpfen ihnen missio-Segensbändchen um das Handgelenk. Dafür tanzen sie einen weiteren maronitischen Tanz, haken sich unter, auch bei uns. Ein letztes Mal. Danke, Libanon. Wir sehen uns wieder.
Kommentar schreiben
Kommentarfunktion deaktiviert