Prälat Klaus Krämer leitete von September 2008 bis zum 31. Juli 2019 missio Aachen. Während seiner Amtszeit rückten Themen wie Migration, Religionsfreiheit, Mission als Glaubenszeugnis und Vernetzung der Weltkirche in den Mittelpunkt der Arbeit von missio. Ein Rückblick.
Herr Prälat Krämer, missio ist ein Missionswerk. Der Begriff der Mission ist nicht unumstritten. Wie sind Sie damit umgegangen?
Der Begriff der Mission ist im kirchlichen Kontext vorbelastet, damit müssen wir uns auseinandersetzen. Wir wollen aber auf diesen Begriff nicht verzichten, weil er auf ein Wesensmerkmal kirchlichen Handelns hinweist. Wir sind den Weg gegangen, Menschen in Deutschland das Glaubenszeugnis unserer Partner in den von uns geförderten Projekten der Kirche in Afrika, Asien und Ozeanien nahezubringen. An ihrem Einsatz wird deutlich, was Mission eigentlich ist – nämlich aus einer christlichen Motivation heraus eine Antwort auf ganz konkrete Notsituationen von Menschen zu geben. Das überzeugt auch andere Menschen. Dabei ist uns auch klar geworden: Ohne Religionsfreiheit können Christen ihren Glauben und ihre Mission in diesem Sinne nicht leben.
Deshalb ist auch das Thema Religionsfreiheit in Ihrer Amtszeit so in den Fokus gerückt?
Als ich 2008 zu missio kam, diskutierten wir sehr lebendig, ob Religionsfreiheit überhaupt ein Thema für missio sein kann. Aber es zeigte sich, dass, wenn wir überzeugend an der Seite von bedrängten und verfolgten Christen stehen wollen – und das tun wir selbstverständlich und noch mehr als je zuvor: Dann müssen wir uns auch für die Unteilbarkeit und Universalität des Menschenrechtes auf Religionsfreiheit einsetzen. Wir müssen uns überall dort zu Wort melden, wo die Religionsfreiheit von Menschen verletzt wird, gleichgültig welcher Religion sie angehören. Das ist ein ganz wichtiges missionarisches Zeugnis. Das ist anspruchsvoll, aber dazu gibt es keine Alternative. Es freut mich deshalb, dass wir auch von der Politik zu einem gesuchten Ansprechpartner in Sachen Religionsfreiheit geworden sind.
Für die Politik ist missio auch beim Thema Flucht und Migration ein gefragter Ansprechpartner geworden. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützt zum Beispiel den missio-Truck „Menschen auf der Flucht“.
Diese Unterstützung hat uns besonders gefreut. Denn mit dem Truck als modernem Bildungsmedium können wir über die Ursachen von Flucht und Migration weltweit aufklären und für mehr Verständnis für Flüchtlinge und Migranten in Deutschland werben. Hier haben wir uns mit der Aktion Schutzengel, die dieses Jahr 20. Geburtstag feiert, eindeutig positioniert. Wir müssen uns immer wieder bewusst machen, dass nicht Europa, sondern vor allem Afrika, der Nahe Osten und Asien Vertriebenen, Binnenflüchtlinge und Migranten aufnehmen und versorgen. Die Menschen in den Ländern unserer Projektpartner tragen die Hauptlast der globalen Migration. Das wird zu schnell vergessen.
Welche Begegnungen haben Sie in Ihrer Amtszeit am meisten beeindruckt?
Da kann ich an die vorige Frage anknüpfen. Für mich persönlich waren die Besuche in Flüchtlingslagern etwa im Irak oder in Äthiopien Erlebnisse, die mich erschüttert haben. Ich habe dadurch auch einen neuen Blick auf das Thema bekommen. Es hat mich beeindruckt, wie unsere Partner in riesigen Flüchtlingslagern unter schwierigsten Bedingungen praktische Hilfe und pastorale Begleitung für die betroffenen Menschen organisieren, die ihnen Hoffnung und Lebensperspektive gibt.
Hat sich in Ihrer Amtszeit das Verhältnis zu den Projektpartnern verändert?
Unsere Projektpartner sind sehr selbstbewusst geworden. Sie wissen, dass sie in der Weltkirche etwas zu sagen und zu bieten haben. Deshalb haben wir auch die Netzwerkarbeit forciert. Wir organisieren Gesprächsforen, Publikationsreihen und Netzwerke etwa zu den Themen Religionsfreiheit, Pastoral und Kleine Christliche Gemeinschaften, in denen sich Christen aus aller Welt gleichberechtigt zu zentralen Themen des Glaubens, der Theologie oder der gesellschaftlichen Entwicklung austauschen können. Durch diese Plattformen wird das Wort vom Dialog konkret mit Leben und Inhalt gefüllt.
Und auch wir in Deutschland können von der Weltkirche lernen?
Wir können das Beispiel der Kleinen Christlichen Gemeinschaften nehmen. Sie organisieren das kirchliche Leben in Afrika oder Asien durch Laien vor Ort in den Nachbarschaften. Das Gebet und die Heilige Schrift sind die Quellen, aus denen sie schöpfen. Solche Gemeinschaften sind wichtig, weil dort Pfarreien sehr groß sind, Priester und hauptamtliche Mitarbeiter eine hohe Zahl an Gläubigen betreuen müssen. Diese Situation gibt es mittlerweile auch in Deutschland. Auch hier suchen Menschen neue Wege, wie sie an ihren Lebensorten Gemeinschaft im Glauben finden können. Wenn das nicht gelingt, wird sich kirchliches Leben immer mehr ausdünnen und verflüchtigen. Hier können wir von den Erfahrungen der Weltkirche profitieren und lernen. Aber dieses Potenzial wird noch zu wenig ausgeschöpft. Hier Impulse zu vermitteln, ist eine wichtige Zukunftsaufgabe für missio.
(KNA/sei)
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