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Unterwegs im Südsudan und in Äthiopien
Tagebuch einer Reise

kontinente-Chefredakteurin Beatrix Gramlich ist gemeinsam mit dem Fotografen Hartmut Schwarzbach auf Recherchereise im Südsudan. In ihrem Reisetagebuch erzählt sie, welchen Menschen sie begegnet, welche Erlebnisse sie besonders beeindrucken und was alles am Rande der Recherchen passiert. Werfen Sie einen Blick hinter die Kulissen einer kontinente-Reportage!
 

Von Beatrix Gramlich (Text) und Hartmut Schwarzbach (Fotos)

Tag 1: 40 Grad und ein Haufen Bürokratie

Ankunft in Juba, der Hauptstadt des Südsudan: 40 Grad und ein Haufen Bürokratie. So viele Papiere mussten wir noch für keine Reise einreichen. Kurz vor dem Abflug kam dann endlich die Genehmigung, dass wir im Land journalistisch arbeiten dürfen. Ohne sie wäre die Kameraausrüstung des Fotografen gleich am Flughafen beschlagnahmt worden. Jetzt sind wir da und kommen ziemlich zügig durch alle Sicherheitschecks. Dafür fehlen unsere Koffer, und am nächsten Tag wollen wir weiter nach Rumbek. Zum Glück landen sie am Nachmittag mit der nächsten Maschine. 

Tag 2: Die „braune Kuh“

Das Bild zeigt zwei Frauen, die auf einem Feld stehen. Die Frau links hat dunkle Haut, eine schwarz-weiße Strickmütze und trägt ein grün-weiß kariertes Kleid. Sie hält einige lange, dünne Gegenstände, die wie Pflanzenstängel aussehen. Sie hat ein breites Lächeln im Gesicht. Die andere Frau rechts ist hellhäutig und hat kurze braune Haare und eine Brille. Sie trägt eine orangefarbene Bluse mit Knöpfen und eine dunkle Hose und hält einen Notizblock und einen Stift, scheinbar um sich Notizen zu machen. Der Hintergrund zeigt ein Feld mit Reihen von kleinen Pflanzen. Im Hintergrund sind auch ein Gewächshaus und ein Wasserturm zu sehen. Die Umgebung deutet auf einen sonnigen Ort im Freien in einem ländlichen Gebiet hin.

Ich heiße jetzt „braune Kuh“. Der Name, den mir die Gärtnerin der Maria-Ward-Schwestern (im Bild links) in Rumbek gegeben hat, ist eine Ehre. Denn für die hier lebenden Dinka sind die Rinder ihr wertvollstes Gut. Die Ordensfrauen leiten in Rumbek eine Grund- und eine weiterführende Schule mit insgesamt 1600 Schülern. Morgen starten sie mit ihnen einen Pilgermarsch für Frieden und Versöhnung in diesem von 50 Jahren Bürgerkrieg und blutigen Konflikten gebeutelten Land. Wir gehen mit. 

Tag 3: Pilgermarsch für Frieden und Versöhnung

Mit Sonnenaufgang setzt sich die Pilgergruppe in Bewegung: 120 junge Leute in orangefarbenen T-Shirts, auf dem Rücken ein Zitat von Papst Franziskus „Es ist Zeit, Frieden zu schaffen.“ Die vielen jungen Menschen zu Fuß, wie eigentlich nur die Ärmsten unterwegs sind, erregen Aufmerksamkeit. Menschen bleiben stehen, Autofahrer drosseln ihr Tempo. Wir laufen zum Flughafen, um Erzbischof Séamus Patrick Horgan zu empfangen, den ersten im Südsudan residierenden Nuntius. Er kommt in Begleitung von Bischof Christian Carlassare, dem früheren Bischof von Rumbek. Kaum sind die beiden aus dem Flugzeug gestiegen, werden sie mit sie knallbunten Lametta-Kränzen behängt, am Rand des Rollfelds singen Kinder, eine Frauengruppe begrüßt sie freudig mit schrillem Getriller. 

Das Bild zeigt eine Gruppe von Menschen in einer Kirche. Im Vordergrund knien viele Menschen auf dem Boden, die meisten von ihnen tragen weiße und gelbe Kleidung. Geistliche in weißen Gewändern stehen weiter hinten an einem Altar. Der Altar ist mit weißem Stoff geschmückt, und hinter den Geistlichen hängen gelbe und weiße Vorhänge. Ein Kreuz ist in der Mitte der Kulisse angebracht.
Das Bild zeigt eine große Gruppe von Menschen, die auf einer unbefestigten Straße gehen. Die meisten Leute in der Gruppe tragen orangefarbene T-Shirts und einige blaue Mützen. Einige Personen im Vordergrund tragen andere Farben, darunter eine Frau in einer roten Jacke. Einige der Leute tragen Fahnen. Der Hintergrund zeigt Bäume und einen dunstigen Himmel. Es scheint ein Marsch oder eine Kundgebung zu sein.

Tag 4: Bei den Dinka

Die Dinka, die 90 Prozent der Bevölkerung im Lakes State mit seiner Hauptstadt Rumbek stellen, sind schmal und hoch gewachsen. Beim Größenvergleich ziehen wir eindeutig den Kürzeren!

Die Armut in den Dörfern ist unvorstellbar. Die Menschen halten ein paar Ziegen und Hühner, bauen Erdnüsse und Sorghum, eine Hirseart, an. Nachts breiten sie auf dem Boden ihrer Lehmhütten die Schlafmatten aus. Ihre wenigen Habseligkeiten baumeln in Plastiktüten an der Wand. Schon die Kleinen üben sich im Nationalsport Ringen. Jeden Sonntagnachmittag messen die Kinder ihre Kräfte beim Wrestling-Wettkampf. Solche sportlichen Highlights hätte Nuntius Séamus Patrick Horgan bei seinem Gang durch die Dörfer wohl kaum erwartet.    

Das Foto zeigt eine Gruppe von Menschen, hauptsächlich junge Erwachsene und Kinder, vor einem einfachen Hintergrund in einer ländlichen Gegend. Im Vordergrund stehen mehrere junge Erwachsene. Die meisten tragen moderne Kleidung, einige Kinder sind einfacher gekleidet. Im Hintergrund sind weitere Kinder und ein paar einfache Hütten sichtbar. Palmen sind im Hintergrund zu erkennen, was auf ein afrikanisches Klima hindeutet. Die Atmosphäre ist freundlich und warmherzig, der Ort wirkt eher ländlich und bescheiden. Es könnte sich um ein Begegnungsbild handeln, eventuell in Zusammenhang mit einer Hilfsorganisation oder einem sozialen Projekt. Die Menschen wirken glücklich und zufrieden. Die Szene strahlt Hoffnung und Gemeinsamkeit aus.
Das Foto zeigt eine Szene in einem afrikanischen Dorf. Im Zentrum steht ein rundes Lehmhaus mit Strohdach. Vor dem Haus stehen und sitzen verschiedene Personen, vorwiegend Kinder. Eine Frau hält ein Baby. Ein kleiner Junge in hellem beigefarbenem Hemd steht im Zentrum. Ein paar ältere Kinder stehen in der Nähe eines Baumes. Im Vordergrund ist eine Ziege zu sehen, die an etwas frisst, und etwas Rauch steigt vom Boden auf, was auf ein kleines Feuer hindeutet. Die Umgebung ist staubig und trocken. Im Hintergrund sind eine einfache Behausung und Bäume sichtbar. Das Bild vermittelt einen Eindruck von einfachsten Lebensbedingungen in einem ländlichen afrikanischen Dorf, mit einer ruhigen und alltäglichen Szene. Die Farben sind warm und die Atmosphäre wirkt friedlich, trotz der sichtbaren Armut.
Das Foto zeigt zwei junge afrikanische Jungen, die spielerisch auf einem Acker rangeln. Der Junge in dem gelben Oberteil hat den anderen im Haltegriff. Der Hintergrund besteht aus einem trockenen, sandigen Acker mit spärlicher, grüner Vegetation. Im Hintergrund sind einige Bäume und Palmen zu sehen. Der Himmel ist klar und hellblau. Das Licht deutet auf den späten Nachmittag oder frühen Abend hin. Die Szene strahlt Freude und Unbeschwertheit aus, trotz des einfachen Umfelds. Die Jungen wirken glücklich und gesund. Das Bild fängt einen spontanen Moment kindlicher Interaktion in einer ländlichen afrikanischen Umgebung ein und vermittelt ein Gefühl von Ruhe und Einfachheit.

Tag 5: Anflug auf Juba

Dieses Luftbild wurde aus einem kleinen Flugzeug aufgenommen. Im Vordergrund sind ein Teil der Flugzeug-Tragfläche und ein Rad zu sehen. Der Großteil des Bildes zeigt eine Landschaft mit einem Fluss, der sich durch das Bild schlängelt. Der Fluss ist relativ breit und zeigt sich in dunkleren Blautönen. Entlang des Flusslaufs und in der Umgebung sind grüne Flächen und Ackerland zu erkennen, die teilweise bewässert zu sein scheinen. Die Felder sind in regelmäßige Abschnitte unterteilt, was auf eine systematische Landwirtschaft hindeutet. Im Hintergrund ist eine Stadt oder eine größere Siedlung zu erkennen, die sich über den Horizont erstreckt. Der Himmel ist klar und blau. Das Bild vermittelt einen Eindruck der Weite der Landschaft und des Kontrastes zwischen der natürlichen Umgebung und menschlicher Besiedlung und landwirtschaftlicher Nutzung. Es wirkt ruhig und friedlich, bietet aber gleichzeitig einen interessanten Einblick in die geografische Struktur der Region.
Anflug auf Juba mit dem Weißen Nil

 

Wer groß ist, muss den Kopf einziehen, um sich in einen der zwölf Sitze unserer Propellermaschine zu zwängen. Kurz vor der Landung schwenkt das Flugzeug über den Weißen Nil. Der Strom, der sich in Khartum mit dem Blauen Nil vereint, ist das Wasserreservoir der Stadt. 

Doch eine öffentliche Wasserversorgung gibt es nicht. Wer kann, lässt auf seinem Grundstück nach Wasser bohren. Die Armen müssen es für teures Geld kaufen: ein Zehn-Liter-Tank kostet eineinhalb Dollar. Selbst ein Lehrer verdient maximal 50 Dollar im Monat. 

Tag 6: In einem Camp für Binnenflüchtlinge

Schwester Pasqua Binen Anena nimmt uns mit in ein Camp für Binnenflüchtlinge mitten in Juba. Das Lager besteht seit elf Jahren. Die Menschen sind vor den blutigen Konflikten im Jonglei State geflohen, seit einigen Monaten suchen auch Flüchtlinge aus Khartum hier Schutz. Die Bedingungen sind unvorstellbar: 10 000 Frauen, Männer und Kinder, die auf engstem Raum unter zerschlissen Plastikplanen hausen. In der Regenzeit fließt das Wasser in die Zelte und verwandelt die engen Gassen in Schlammpisten. Seit das World Food Programm die Lebensmittelausgaben eingestellt hat, ist jeder Tag ein Kampf ums Überleben. Für das ganze Camp gibt es zehn Latrinen, drei davon sind voll. Die Regierung, die den Flüchtlingen den Platz zugewiesen hat, kümmert sich nicht darum.

Das Foto zeigt eine stark überfüllte und heruntergekommene Flüchtlingssiedlung in Afrika. Im Vordergrund ist ein Junge in einem gelben „Jeep“-Trikot zu sehen, der auf einem staubigen, mit Müll übersäten Weg geht. Im Hintergrund sind zahlreiche provisorische Unterkünfte aus Planen und Wellblech zu erkennen. Eine Person transportiert mehrere Kanister auf einem Fahrrad. Viele Menschen, hauptsächlich Frauen und Kinder, sind zu sehen. Es gibt viel Müll und Abwasser auf dem Boden. Das Bild vermittelt einen starken Eindruck von Armut, Überbevölkerung und mangelnder Hygiene. Die allgemeine Atmosphäre wirkt bedrückend, aber die Menschen wirken dennoch widerstandsfähig und gehen ihren täglichen Geschäften nach. Die Farbpalette ist gedämpft, außer dem auffälligen gelben Trikot des Jungen.
Das Foto zeigt eine Szene in einem armen Viertel in Afrika. Im Vordergrund stehen eine Nonne in weißem Habit und eine junge Frau, die ein Baby hält. Weitere Kinder stehen um sie herum. Im Hintergrund sind einfache, provisorische Unterkünfte aus Plastikplanen zu sehen. Die Kleidung der Menschen ist einfach. Die Nonne scheint mit den Bewohnern zu interagieren, die Szenerie wirkt authentisch und ungekünstelt. Das Foto vermittelt einen Eindruck von Armut, aber auch von Gemeinschaft und sozialem Engagement. Die Schrift auf dem Gewand der Nonne deutet auf eine religiöse Organisation hin.
Das Foto zeigt eine Gruppe von Kindern in Afrika, die in einer Reihe stehen und auf eine Mahlzeit warten. Eine erwachsene Person reicht ihnen blaue Plastikteller. Die Kinder sind unterschiedlich alt. Im Hintergrund sind weitere Kinder zu sehen, die ebenfalls auf warten. Der Boden ist staubig und die Umgebung wirkt einfach, möglicherweise ein Flüchtlingslager oder ein Gebiet mit Armut. Der Ausdruck der Kinder ist ernst und einige scheinen hungrig zu sein. Das Bild ist herzzerreißend und verdeutlicht die Armut und Notlage von Kindern in der Region. Die Szene wirkt authentisch und ungekünstelt.

Aus dem Flüchtlingscamp kommen auch die Kinder, die Schwester Pasqua mit Frühstück und Mittagessen versorgt, damit sie nicht länger auf den Straßen um Wasser und Essen betteln müssen. Die Mädchen und Jungen sind glücklich, dass sie den halben Tag auf dem Gelände der Combonischwestern verbringen können. Hier dürfen sie Kind sein, spielen und lernen. Zwei junge Leute bringen ihnen Grundzüge in Schreiben, Lesen und Rechnen bei. Das ersetzt die Schule nicht, aber die Kleinen machen begeistert mit. 

Tag 7: Auf dem Weg in die Nuba-Berge

Dorfbewohner haben Früchte im Wald gesammelt und transportieren sie nach Hause. Sie laufen durch einen ausgetrockneten Fluss, in der kargen Berglandschaft der Nuba-Berge gibt es wenig Wasser.
Dorfbewohner haben Früchte im Wald gesammelt und transportieren sie nach Hause. Sie laufen durch einen ausgetrockneten Fluss, in der kargen Berglandschaft der Nuba-Berge gibt es wenig Wasser.

Heute geht es weiter Richtung Norden in die Nuba-Berge. Offiziell gehört die Region zum Sudan, doch die Hälfte des Gebiets wird von der südsudanesischen Befreiungsarmee kontrolliert. Zugänglich ist es nur aus dem Südsudan. Die Zwischenlandung in Rubkona führt uns erneut vor Augen, dass wir in keinem sicheren Land unterwegs sind. Gepanzerte UN-Fahrzeuge bewachen das Flugfeld, am Rand patrouillieren Blauhelme mit schusssicherer Weste und Maschinengewehr. Dabei ist Fliegen noch die sicherste Art, sich fortzubewegen. 

Von Rubkona fliegen wir mit einer alten Cessna nach Yidel, kurz vor der sudanesischen Grenze. Von dort geht es mit einem Geländewagen weiter in die Nuba-Berge. Vor uns liegen sechs abenteuerliche Stunden Fahrt über sandige Wege, die über weite Strecken kaum als Straße erkennbar sind, die Hälfte der Zeit im Dunkeln.
 

Überwältigender Sternenhimmel, rustikale Unterkunft


Zum Glück begleitet uns Pfarrer Biong, Sekretär der Bischofskonferenz von Sudan und Südsudan, ein Dinka und Mann wie ein Baum. Allein seine Anwesenheit bedeutet Schutz. Er regelt alle Einreiseformalitäten und sorgt dafür, dass wir die Checkpoints problemlos passieren. In tiefschwarzer Nacht landen wir durchgeschwitzt und erschöpft bei den Comboni-Schwestern in Gidel. Der Sternenhimmel ist überwältigend, die Unterkunft rustikal: kein fließendes Wasser, Waschhaus mit Latrinen und Eimerdusche auf dem Hof.

Eine Ordensschwester pumpt Wasser aus einem Brunnen in den sudanesischen Nuba-Bergen.
Die Comboni-Schwestern führen in den sudanesischen Nuba-Bergen ein einfaches Leben ohne Komfort in der heißen und trockenen Savannenlandschaft.

Tag 8: Im Mother of Mercy Hospital

Gidel, ein Dorf im Zentrum der Nuba-Berge, ist für die Menschen in der Region vor allem mit einem verbunden: dem Mother of Mercy Hospital. Die Klinik mit mehr als 400 Betten wurde 2008 von Comboni-Missionar Macram Max Gassis, Bischof der Diözese El Obeid, gegründet. Die Kranken kommen von weit her, manche aus Dörfern, mehrere Tagesmärsche entfernt. Der medizinische Direktor, Tom Catena, ein US-amerikanischer Arzt und Laienmissionar arbeitet seit der ersten Stunde hier. Sieben Tage pro Woche behandelt er Patienten, operiert, sorgt für Nachschub an Medikamenten und medizinischem Material, nachts ist er in Rufbereitschaft. Jeder hier kennt seinen Namen. Wir treffen ihn zum Interview und sind tief beeindruckt – von seinem nahezu übermenschlichen Einsatz genauso wie von seiner tiefen Spiritualität.

Das Mother of Mercy Hospital unterhält 19 Außenstationen, die eine rudimentäre Gesundheitsversorgung in den Dörfern anbieten. Die Mitarbeiter haben meist keine medizinische Ausbildung, sondern ihr Wissen durch Erfahrung erworben. Sie geben Medikamente aus, impfen, helfen bei Geburten. Wir fahren mit zwei Ärztinnen des Mother of Mercy Hospitals ins zwei Stunden entfernte Longoro, im Gepäck Verbandsmaterial und Medikamente. Für den kleinen Koni, den seine Schwester gebracht hat und der schwer atmend auf der Wartebank liegt, ein Glück! Ärztin Hesté Henning attestiert eine schwere Lungenentzündung. Der Sauerstoffgehalt im Blut des Dreijährigen ist dramatisch gering. Normalerweise würde sie ihn mit in die Klinik nehmen. Aber da sie keine Möglichkeit hat, seine Eltern zu informieren, kann sie nur Antibiotika geben - und hoffen, dass er überlebt.

Ärztin Hesté Henning vom Outreach Team des Mother of Mercy Hospital untersucht den kleinen Koni.

Ärztin Hesté Henning vom Outreach Team des Mother of Mercy Hospital untersucht den kleinen Koni.

Patienten sitzen und liegen dicht gedrängelt im katholischen Mother-of-Mercy-Hospital, Nuba Berge, Sudan.

Das katholische Mother of Mercy Hospital ist das beste Krankenhaus im Umkreis von 300 Kilometern für eine Million Menschen.

kontinente-Chrfredakteurin Beatrix Gramlich im Gespräch mit Dr. Tom Catena, dem Leiter des Mother-of-Mercy-Hospitals im Sudan

Beatrix Gramlich im Gespräch mit dem amerikanischen Arzt und Laienmissionar Dr. Tom Catena, dem Leiter der Kinik.

Tag 9: Einfaches Leben, wunderschöne Landschaft

In der kargen Berglandschaft der sudanesischen Nuba-Berge gibt es wenig Wasser, aber die Desert Rose blüht prächtig in pink.
In der kargen Berglandschaft der sudanesischen Nuba-Berge gibt es wenig Wasser, aber die Desert Rose blüht prächtig.

Das Leben der Menschen in den Nuba-Bergen ist einfach. Sie wohnen in traditionellen Rundhütten, leben vom Ertrag ihrer Felder, halten Kühe, Ziegen, Hühner. Die Landschaft ist wunderschön. Jahrhundertealte Baobabs recken ihre knorrigen Äste gen Himmel, vereinzelt blühen pinkfarbene Wüstenrosen.

Kamuka Jaily Anur geht auf die St. Joseph’s Secondary School, in der Comboni-Schwester Catherine Achieng Ouma, unterrichtet. Sie gehört zu den Besten ihres Jahrgangs – obwohl sie sich nach der Schule um Familie, Haushalt und ihren kleinen Sohn Augustin kümmert. Ihr Mann arbeitet als Lehrer in einer Grundschule, sechs Stunden Fußmarsch entfernt, und kommt nur einmal in der Woche nach Hause.

 

Während die Mutter in der Schule ist, passt ihre Oma auf den Kleinen auf. Abends backt Kamuka Brot, am Wochenende stellt sie Wein aus Sorghum her. Beides verkauft sie, um ihre Schulgebühren bezahlen zu können. „Ich hoffe, dass ich die Schule nicht wieder verlassen muss“, sagt die 22-Jährige – wie damals in der siebten Klasse, als ihr Vater die Gebühren nicht mehr für alle Kinder aufbringen konnte.

Schülerin Kamuka Jaily Amur (21) mit ihrem dreijährigen Sohn auf dem Arm vor den Hütten ihres Dorfes in den Nuba-Bergen.
Schülerin Kamuka Jaily Amur (21) besucht die St. Joseph Secondary School, hat einen dreijährigen Sohn und ist mit einem Lehrer verheiratet.

Tag 10: Bomben am Wegesrand

Der Bürgerkrieg im Norden des Sudan, hoffen die Menschen in den Nuba-Bergen, nimmt sie aus der Schusslinie. Noch im Dezember 2023 hat die Regierung in Khartum die Region, die um Unabhängigkeit kämpft, bombardiert. 

Bei einem Angriff 2000 auf die Grundschule in Kauda, eine halbe Stunde Autofahrt von Gidel entfernt, wurden 15 Mädchen und Jungen getötet. Ihre zerfetzen Körper ruhen in einem Massengrab auf dem Schulhof. An der Wegstrecke stecken immer wieder Bomben im Sand, die nicht explodiert sind.

Eine nicht explodierte Streubombe in den Nuba-Bergen, Sudan.

Tag 11: Drei Stunden Sonntagsmesse

Katholische Messe am Sonntag in der einfachen Kirche in Gidel in der Region Süd-Kordofan in den Nuba-Bergen. An einigen Stellen sind die Mauern eingebrochen.
Katholische Messe am Sonntag in der einfachen Kirche in Gidel in der Region Süd-Kordofan in den Nuba-Bergen. An einigen Stellen sind die Mauern eingebrochen.

Drei Stunden Sonntagsmesse in St. Peter und Paul, Gidel. Genau genommen ist die Kirche nicht mehr als ein Karree aus niedrigen Mauern mit hochgestelltem Wellblechdach. Immerhin weht dadurch ein bisschen Wind über die Köpfe. An einigen Stellen sind die Wände eingebrochen. 

Die Gemeinde sammelt für den Bau eines neuen Gotteshauses. Doch angesichts der Armut hier wird es lange dauern, bis das Geld reicht. Was für den Bau benötigt und nicht vor Ort hergestellt wird, ist wie vieles in den Nuba-Bergen teuer. Denn es muss mühsam aus Juba herangeschafft werden.

Tag 12: Neun Stunden Rückfahrt aus den Nuba-Bergen

Neun Stunden Rückfahrt aus den Nuba-Bergen. Unterwegs sehen wir uns zwei Gesundheitsstationen an. Die Diözese El Obeid stellt die Räumlichkeiten, sorgt für Medikamente, Impfstoffe und bezahlt das Personal. Ohne die Kirche würde sich auf dem Land niemand um die Kranken kümmern. Pfarrer Biong und unser Fahrer Dihalla Khalil essen auf halber Strecke an einem Marktstand zu Mittag. Auch wenn alles appetitlich aussieht: Wir sehen, wie es gekocht wird, und verkneifen uns den Genuss lieber.

Auf der Strecke kommen wir an einem Flüchtlingslager vorbei. Mitten im Niemandsland hat die Regierung der Nuba-Berge Menschen, die vor dem Krieg im Sudan Zuflucht suchen, ein Stück Land zugewiesen. Hier siedeln sie in armseligen Hütten, die sie aus Holz, Stroh und Plastikplanen notdürftig zusammenbauen.

Weil nur morgens Flüge nach Juba gehen, verbringen wir die Nacht im Pfarrhof von Yida mit UNHCR-Planen und Stroh gedeckten Lehmhütten. Die Räume sind sauber, die Latrinen nutzt man besser nur, wenn unbedingt nötig. Dafür genießen wir das Abendessen unter einem fantastischen Sternenhimmel.

Lokales Essen in einer kleinen Marktküche im Südsudan.
Eine Gruppe von Binnenflüchtlingen im Sudan vor armseligen Hütten, die sie aus Holz, Stroh und Plastikplanen notdürftig zusammengebaut haben.
Schlafplatz von kontinente-Chefredakteurin Beatrix Gramlich im Yida, einem Flüchtlingscamp in den Nuba-Bergen nah der sudanesischen Grenze.

Tag 13: Napfkuchen auf offenem Feuer

Der „Regenschirm“-Baum spendet Schatten für alle. Unter seinen ausladenden Ästen haben sich rund 60 Frauen und eine Handvoll Männer versammelt. Jeden Samstagnachmittag treffen sie sich hier auf dem Schulhof der katholischen Grundschule zu den Kursen von Schwester Mary Atimango. Die Sacred-Heart-Schwester ist Lehrerin und vermittelt ihnen auf engagiert-resolute Art, wie man bei einem Marktstand Gewinn und Verlust kalkuliert oder mit der Herstellung von Gebäck Geld verdient. Vor unseren Augen entsteht mit einfachsten Mitteln in Windeseile ein Rührteig. Anschließend backt der Napfkuchen auf offenem Feuer. Wie die Frauen Ober- und Unterhitze mit Holzkohle auf und unter der geschlossenen Aluform ausbalancieren, ist eine Wissenschaft für sich – das Ergebnis zum Reinbeißen!

Die Frauen der Women`s Empowerment Group der Sacret Heart Sisters treffen sich auf dem Gelände der Redeemer Children and Nursery Primary School in Juba.
Zwei Ordensschwestern zeigen drei Frauen an einem kleinen Tisch unter einem Baum, wie man schnell einen Kuchen herstellt.

Tag 14: Mit Schwester Manna Awala in Tigray, Äthiopien

Letzte Station unserer Reise: Äthiopien. Die Ankunft in der Provinzhauptstadt Mekele fühlt sich an wie die Rückkehr in die Zivilisation: asphaltierte, nächtlich beleuchtete Straßen, Geschäfte, Cafés, in denen die Menschen sitzen und plaudern. Schwester Manna Awala hat uns für eine Nacht ein Hotel gebucht.

Am nächsten Morgen fahren wir mit ihr gen Norden Richtung eritreische Grenze: Hier tobte 2020 bis 2022 ein Bürgerkrieg, der als einer der grausamsten in der jüngsten Zeit gilt. Mehr als eine Million Menschen wurden getötet, zwei Millionen zu Flüchtlingen im eigenen Land. Auslöser war Präsident Abiy Ahmeds Versuch, die Regionalregierung Tigrays zu entmachten und das föderale System durch ein zentralistisches zu ersetzen. Zu den Gräueltaten der äthiopischen Truppen und ihrer Verbündeten gehörte die systematische Vergewaltigung von Frauen und Mädchen. Schwester Manna Awala und ihre Mitschwestern helfen den Opfern. Darüber wollen wir berichten.

Ursulinenschwester Manna Awala begrüßt kontinente-Chefredakteurin Beatrix Gramlich vor dem Akhsum Hotel in Mekele, der Hauptstadt der äthiopischen Region Tigray.
Ankunft in Mekele, der Hauptstadt der Krisenregion Tigray im Norden Äthiopiens: Ursulinenschwester Manna Awala begrüßt kontinente-Chefredakteurin Beatrix Gramlich im Akhsum Hotel.

Tag 15: Kämpfer für das tigrinische Volk

Die Sonntagsmesse in der Kathedrale von Adigrat beginnt um 6.30 Uhr und dauert drei Stunden. Die Diözese feiert nach orientalischem Ritus in der alten Kirchensprache Ge‘ez, der Priester zelebriert mit Rücken zum Volk. Männer und Frauen sitzen getrennt. Unzählige Male wiederholen die Gläubigen die Gebetsformeln. Ihre Stimmen vereinen sich in einem melodischen Singsang, der zwischen wenigen Tönen variiert.

Nach dem Gottesdienst treffen wir Bischof Tesfaselassie Medhin. Im Krieg hat er immer wieder seine Stimme für das tigrinische Volk erhoben und die Menschenrechtsverletzungen der Regierungstruppen angeprangert. Er selbst wurde von Soldaten aus dem Gottesdienst gezerrt und bedroht. „Ich war ihre Zielscheibe Nummer eins“, sagt er. „Wir sind durch die Hölle gegangen.“ Noch immer sind Teile Tigrays von eritreischen Truppen besetzt, leben Menschen in Flüchtlingscamps und bitterer Armut.

Außenansicht der Kathedrale zum Göttlichen Erlöser von Adigrat in der äthiopischen Region Tigray bei Sonnenuntergang.
Bischof Tesfaselassie Medhin im Gespräch mit mit kontinente-Chefredakteurin Beatrix Gramlich.
Gottesdienstbesucherinnen in der Sonntagsmesse nach orientalischem Ritus in der Kathedrale in Adigrat, Äthiopien, tragen weiße Gewänder mit schwarzen Verzierungen.

Tag 16: Händler und Bettler

Montag ist Markttag in Adigrat. Die Händler haben ihre Ware auf dem Pflaster am Straßenrand ausgebreitet. Von Altkleidern über Obst und Gemüse bis hin zu lebenden Hühnern ist alles zu haben. Auf dem Gehweg bettelt eine Mutter um Geld, damit sie ihre Tochter freikaufen kann. In der Hoffnung auf ein besseres Leben wollte sich die junge Frau nach Europa durchschlagen. In Libyen geriet sie in die Fänge von Kriminellen. Organisierte Banden machen hier grausame Geschäfte mit den Migranten: Sie entführen und misshandeln sie, halten sie gefangen und erpressen Lösegeld von den Angehörigen.

Auf dem Markt in Adigrat mit traditionellen Handwerksprodukten spricht eine Frau mit einem Händler, der Teppiche verkauft.
Eine verzweifelte Mutter bittet mit einem Plakat auf der Straße in Adigrat in Äthiopien um Spenden, um ihre in Libyen gekidnappte Tochter frei kaufen zu können.

Tag 17: Ein Sack Mais pro Monat

Ursulinenschwester Manna Awala (links) spricht mit einer Mutter und ihrer kleinen Tochter, die ein Baby auf dem Rücken trägt, im Flüchtlingslager "Old Airport IDP Camp" in Adigrat.
Besuch mit Ursulinenschwester Manna Awala (links) im Flüchtlingslager "Old Airport IDP Camp" in Adigrat.

In Adigrat leben mehr als 58.000 Binnenflüchtlinge. Der Bürgerkrieg, der von 2020 bis 2022 in Tigray tobte, hat ihnen alles genommen: ihr Zuhause, ihre Felder, ihr Vieh. Obwohl sich nach dem Friedensabkommen von November 2022 alle ausländischen Truppen aus Äthiopien zurückziehen sollten, halten eritreische Armee und amharische Milizen weiterhin Teile von Tigray besetzt. Wo sie sind, herrschen Gewalt und Rechtlosigkeit.

Seit drei Jahren auf Hilfe angewiesen

Die Flüchtlinge aus diesen Regionen sind dazu verdammt, weiter in Lagern auszuharren. Zwei davon besuchen wir. Bis zu 50 Männer, Frauen und Kinder teilen sich ein Zelt. Pro Monat bekommt jeder einen Sack Mais. Die Diözese unterstützt die Geflüchteten mit Geld, damit sie Kleidung, Schulmaterial für die Kinder, Hygieneartikel kaufen können. „Seit drei Jahren betteln wir und sind auf Hilfe angewiesen“, sagt die 49-jährige Genet Berhane. „So können wir nicht länger leben. Wir wollen nach Hause.“ 

 

Hoffen auf Benzin für Rückreise

Morgen geht es mit dem Auto zurück nach Mekele und von dort über Addis Abeba mit dem Flugzeug nach Hause. Wir hoffen, dass die Tankstellen bis dahin wieder Benzin haben.