Pater Blaise Kongomatchi, 51, ist Spiritaner, Psychologe und hat eine Ausbildung in Psychotraumatologie. Er arbeitet für die Kindesschutz-Kommission der Bischofskonferenz in seiner Heimat, der Zentralafrikanischen Republik.
Kurz nachdem ich mein Psychologie-Studium in Rom abgeschlossen hatte, baten mich die Bischöfe der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) sie zu unterstützen: Sie wollten ein Kinderschutzprotokoll erstellen. Das Thema sexueller Missbrauch kam durch aktuelle Fälle auf die Tagesordnung. Es war neu in der Kirche der ZAR, äußerst komplex und wie alles, was mit Sex zu tun hat, in unserer Kultur sehr schambehaftet. Bei Verdachtsfällen ging ich anfangs mit einem siebenköpfigen Fachkräfte-Team – darunter Juristen, Erzieher und Anthropologen – in die Dörfer. Unsere Aufgabe: Vertrauen zu den Menschen aufbauen, allen Seiten gut zuhören und anschließend eine Stellungnahme verfassen, die zuerst an den Bischof und dann an weitere zuständige Stellen geht.
Heute arbeite ich mit allen neun Diözesen der ZAR, aber auch mit Schulen und Heimen zusammen. Der Aufklärungsbedarf ist riesengroß. Auch in der Priesterausbildung! Im Großen Seminar unterrichte ich Psychologie. Ich lehre die Priesteramtskandidaten die Kunst des Zuhörens in der Pastoral. Ich vermittle ihnen, wie sie die Körpersprache lesen und Anzeichen für Missbrauch erkennen können. Wir wollen in der Kirche eine Kultur des Schutzes etablieren, damit jeder sich sicher fühlen und frei entfalten kann. Das ist eine enorme Aufgabe für die Kirche in der ZAR, wo es an Herausforderungen nicht mangelt: Der Staat ist wegen der vielen sozio- politischen und militärischen Krisen vielerorts nicht präsent, die Kirche ist oft die einzige Anlaufstelle für die Menschen und ihre Probleme. Gleichzeitig ist der Mangel an qualifiziertem Personal innerhalb der Kirche groß. Die Bevölkerung leidet unter erdrückender Armut, die Sicherheitslage ist schwierig. Oft dauert es lange, bis kirchliche Mitarbeiter von einem Ort zum anderen gelangen. Von meinem Team bin ich als Einziger übriggeblieben, der sich mit dem Thema sexueller Missbrauch beschäftigt. Ich hoffe auf Vernetzung und Unterstützung, daher mein Besuch bei missio.
Aufgezeichnet von Eva-Maria Werner