Nirgendwo auf der Welt leben so viele Christen und Muslime in einem Staat vereinigt wie in der westafrikanischen Nation. Religion spielt für die Menschen in Nigeria eine übergeordnete Rolle. Schnell werden Konflikte und Krisen allein unter diesem Aspekt gedeutet. Dabei liegen die Ursachen oft woanders.
Die große Mehrheit der Nigerianer lebt in bitterer Armut. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, Korruption hat gravierende Züge angenommen. Verteilungskämpfe um Weideland und Zugang zu Wasser entladen sich schnell in gewaltsamen Konflikten und sind zunehmend ethnisch-religiös gefärbt. Islamistische Gruppen wie Boko Haram verbreiten Terror. Überfälle und Entführungen nehmen stark zu. Der Staat versagt dabei, die Ressourcen gerecht aufzuteilen und seine Bürger zu schützen.
In vielen ländlichen Regionen setzen sich Katechistinnen und Katechisten für die Versöhnung von Konfliktparteien ein. Besonders der Streit um Land zwischen mehrheitlich christlichen Bauern und Hirten, die überwiegend Muslime sind, hat in den vergangenen Jahren viele Opfer gefordert. Dieser Konflikt hat zwar keinen ursächlich religiösen Hintergrund, führt aber immer wieder zu Spannungen und Gewalt.
Kirchliche Initiativen wie die franziskanische Damietta Friedensinitiative versuchen, lokale Auseinandersetzungen mit friedlichen Mitteln zu lösen. Interreligiöse Initiativen setzen auf Dialog, gemeinsame Konfliktlösungen und sprechen sich gegen den Missbrauch der Religion aus.
Helfen Sie den Menschen in Nigeria!
Die Größe der Religionsgruppen ist in Nigeria eine hochemotionale und politische Frage. Deshalb wird die Religionszugehörigkeit seit 1963 vom Staat nicht mehr erfasst. Unterschiedlichen Quellen zufolge sind heute jeweils 40 bis 50 Prozent der Nigerianer Christen oder Muslime, bis zu 10 Prozent Anhänger traditioneller afrikanischer Religionen.
Mit 31 Millionen Gläubigen bilden Katholiken die größte christliche Gemeinschaft, gefolgt von Anglikanern mit 18 Millionen. Daneben existieren unzählige andere Konfessionen und Sekten. Viele der evangelikalen Freikirchen wachsen schneller als die beiden großen Kirchen.
Die von Boko Haram aufgeworfenen Probleme stehen in engem Zusammenhang mit Fragen der Identitätspolitik und dem Kampf um die Beanspruchung und Durchsetzung einer individuellen und gemeinschaftlichen Identität in einer sich wandelnden Welt. Es handelt sich auch um ein Symptom der Krise der Modernisierung. Allerdings ist es vor allem ein Weckruf für Nigeria und die Nigerianer, ihre staatsbürgerlichen Interessen über alle Partikularinteressen zu stellen. Vor dieser Herausforderung steht jetzt die noch junge, ums Überleben kämpfende Demokratie in Nigeria.
Mehr Informationen über die Terrororganisation Boko Haram finden Sie in den Downloads.