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Der Erzbischof, der Emir und der Dialog des Friedens

Für seine freundschaftlichen Beziehungen zu muslimischen Führern und Bereitschaft zum Dialog ist Erzbischof Ignatius Kaigama manchmal belächelt, oft auch kritisiert worden. Doch Kaigama ist überzeugt: „Der Dialog kann Probleme lösen, die das Potential haben, ganze Städte und Gemeinschaften in Brand zu setzen.“

Seit der Wiedereinführung der Demokratie in Nigeria 1999 kommt es in verschiedenen Regionen des Landes immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit tausenden Toten. Besonders im Middle Belt Nigerias, in dem viele ethnische Gruppen, Christen und Muslime eng zusammenleben, endet ein Streit um Land, Weiderechte oder den Zugang zu Wasser oft mit Blutvergießen. Gehören die Streitparteien unterschiedlichen Religionen an, nimmt der Konflikt schnell eine religiöse Färbung an. Eine brandgefährliche Mischung im bevölkerungsreichsten Land Afrikas, in dem annähernd so viele Christen wie Muslime leben.

Krisenstadt Jos

Ein Epizentrum von Konflikten ist die Stadt Jos im Bundesstaat Plateau. Als Kaigama hier im Jahr 2000 zum Erzbischof ernannt wird, kommt es ein Jahr später im Umfeld von Wahlen zu Gewalt. Ganze Straßenzüge stehen in Flammen. Hunderte Menschen sterben. Schnell ist in Nigeria und auch international von einem Religionskrieg die Rede. Denn der Konflikt verläuft entlang einer religiösen Trennlinie zwischen den Hausa-Fulani, die dem Islam angehören, und vielen kleineren ethnischen Gruppen, die mehrheitlich Christen sind.

Kaigama wird nicht müde, die Ursachen der Konflikte in Jos zu benennen. Ein Streit um die Macht in der Stadt, um Ressourcen, Privilegien und deren ungerechte Verteilung. Er erklärt: „Die Religion wird gezielt für politische Zwecke missbraucht“.

Im Emir von Wase, Abdullahi Haruna Maikado, findet er einen Verbündeten, der seine Sicht teilt. Und nach dessen Tod setzt sein Sohn Muhammadu Sambo Haruna den Weg seines Vaters fort. Er schließt sich wie auch der Emir von Kanam der Friedens- und Dialoginitiative des Erzbischofs an, als der für sein Dialogzentrum Kooperationspartner sucht.

Passion for Peace

Interreligiöse Initiativen in Nigeria setzen sich für ein friedliches Zusammenleben von Christen und Muslimen ein - auch gegen den Missbrauch der Religion.

Foto: Hartmut Schwarzbach/missio
Die religiösen Führerinnen und Führer des Plateau States in Nigeria treffen sich regelmäßig im DREP, Dialogue, Reconciliation and Peace Centre.

Dialog- und Friedenszentrum in Jos

So entsteht 2011 das Dialogue, Reconciliation and Peace Centre (DREP) in Jos. Zu den Mitgliedern gehören Vertreter verschiedener Volksgruppen: Christen, Muslime, Frauen- und Jugendgruppen Anhänger, Vertreter des Fulani-Viehhirtenverbandes und Bauernvertreter. Anfangs war es nicht einfach, die verschiedenen Beteiligten zu überreden, in dem Zentrum zusammen­zukommen. Zu tief saß bei vielen der Stachel des Misstrauens. Das hat sich geändert. Die Mitglieder von DREP haben sich kennen und schätzen gelernt. Selbst wenn es keine aktuelle Krise gibt, treffen sie sich regelmäßig.

Aufkommende Spannungen konnten so bereits im Vorfeld erkannt, Gewalt verhindert werden. Das hat Vertrauen geschaffen. „Es gibt Menschen, die von Konflikten profitieren. Sie nutzen die Religion und ethnische Zugehörigkeit, um Menschen zu instrumentalisieren. Krisengewinnler, die Waffen verkaufen, die stehlen, was andere auf ihren Feldern anbauen.“, erklärt der Emir von Wase.  „Sie heizen gezielt Stimmungen an, damit Krisen ausbrechen und sie sich bereichern können.

Jugendliche im Fokus

Menschen für diese Zusammenhänge zu sensibilisieren ist ein weiteres Anliegen von DREP. Das Zentrum bietet Kurse für verschiedene Zielgruppen, besonders für Jugendliche, in den Bereichen Friedenserziehung, Streitschlichtung und Versöhnung. All diese Anstrengungen haben zu einer deutlichen Stabilisierung der Verhältnisse im Bundesstaat Plateau geführt. Die Konflikte eskalieren heute nicht mehr so schnell zu einem Flächenbrand. „Es ist uns gelungen, das Niveau des Vertrauens zwischen Christen und Muslimen zu erhöhen“, erklärt Erzbischof Kaigama.

Besuch bei Emiren

2019 ist Erzbischof Kaigama zum neuen Erzbischof von Abuja ernannt worden. Kurz vor seinem Transfer in die Hauptstadt Nigerias hat er den beiden Emiren in Wase und Kanam einen Abschiedsbesuch abgestattet. Sie haben den Bischof mit allem höfischen Zeremoniell vor versammeltem Hofstaat und vielen Zuschauern empfangen. Kaigama hatte seinerseits zwei Bischöfe und mehrere Priester gebeten, ihn zu begleiten.

Alle sollten sehen, dass Christen und Muslime freundschaftlich verbunden sind. Solche Besuche haben in Nigeria eine hohe symbolische Bedeutung. Mit Blick auf sein neues Amt versichert Erzbischof Kaigama den Emiren: „Eine Beziehung, die aufrichtig und authentisch ist, hört nicht einfach auf, weil ich an einen anderen Ort gehe. Abuja ist nur einen Steinwurf entfernt. Wir werden den Kontakt halten. Wir werden auch in Zukunft zusammenarbeiten. Unser Netzwerk aus Freunden wird sich erweitern und stärker werden. Und wir werden eine noch größere Wirkung entfalten.“

Bettina Tiburzy

Emirspalast in Wase: Pferd des Emire wird für besondere Anlässe geschmückt. Foto: Hartmut Schwarzbach/missio
Emirspalast in Wase: Pferd wird für besondere Anlässe geschmückt.
Der Emir von Wase übergibt Kolanüsse als Geschenk, ein Zeichen des Friedens. Foto: Hartmut Schwarzbach/missio
Erzbischof Ignatius A. Kaigama besucht den Emir von Wase, Muhammadu Sambo Haruna, in seinem Palast. Der Emir übergibt Kolanüsse als Geschenk, ein Zeichen des Friedens.

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