missio-Präsident Pfarrer Dirk Bingener hob bei der Vorstellung des Berichts am 14. März 2023 vor Journalisten in Berlin mit Blick auf die Lage religiöser Minderheiten und dem Einsatz für Religionsfreiheit hervor: „Für unser Engagement ist der enge Austausch mit unseren Partnerinnen und Partnern in Afrika, Asien und Ozeanien zentral. Nur sie können einschätzen, welche Art der Unterstützung die Menschen vor Ort wirklich brauchen, und wie es möglich ist, das sensible Thema Religionsfreiheit zur Sprache zu bringen, ohne Menschen zu gefährden.“
Derzeit steht im Rahmen der missio-Kampagne zu Pakistan das Thema „Zwangsehe und Zwangskonversion” im Zentrum. „Menschenrechtsorganisationen im In- und Ausland schätzen, dass in Pakistan jährlich etwa 1.000 Mädchen und junge Frauen religiöser Minderheiten betroffen sind. Sie werden von meist deutlich älteren Männern entführt, vergewaltigt und missbraucht, müssen ihre Peiniger heiraten und zum Islam konvertieren. Ihre Familien haben kaum Möglichkeiten, gegen diese Verbrechen vorzugehen und die eigenen Kinder zu schützen.“ Gesetzesinitiativen, die den Schutz religiöser Minderheiten verbessern sollen, sind wiederholt gescheitert. Zu diesem Thema haben Johannes Seibel und Katja Voges von missio Aachen Interviews mit pakistanischen Experten für die Broschüre der Bischofskonferenz geführt.
Bischof Meier: Minderheiten werden verfolgt
Bischof Dr. Bertram Meier, Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, erklärte: „Pakistan hat seit seiner Gründung im Jahr 1947 immer wieder mit religiösen Konflikten zu kämpfen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist muslimisch, aber es gibt eine bedeutende christliche Minderheit von etwa 1,3 Prozent der Gesamtbevölkerung. Nach den Hindus sind die Christen die drittgrößte religiöse Gruppe. Obwohl die Verfassung die Religionsfreiheit garantiert, sind Christen wie andere religiöse Minderheiten Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt.“ Grundsätzlich sei leider ein negativer Trend wahrzunehmen: „Extremistische Interpretationen des Islam, die Wahrheits- und Geltungsansprüche für alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens erheben, haben in den vergangenen Jahren an Unterstützung gewonnen.“
Dialoginitiativen setzen sich trotzdem für ein tolerantes Miteinander ein
Doch trotz eines schwieriger werdenden gesellschaftlichen Umfelds gebe es auch Veränderungen, die Mut machten: „Seitdem wir uns im Jahr 2011 das erste Mal diesem Land gewidmet haben, ist das Bewusstsein für die Bedeutung lokaler und regionaler Dialoginitiativen in allen Religionen gewachsen. Die daran Beteiligten wollen gemeinsam die Gräben überwinden, die von extremistischen Gruppen und von einer auf Spaltung gerichteten Politik vertieft werden. Viele Dialoginitiativen von Christen, Hindus und Muslimen setzen sich für ein tolerantes Miteinander und für gegenseitigen Respekt auf allen Ebenen der Gemeinschaft ein“, fasste Bischof Meier die Gespräche mit pakistanischen Bischöfen zusammen, die er in den vergangenen Monaten geführt hat.
Kardinal Coutts: Von den Blasphemiegesetzen geht Gefahr aus
Kardinal Joseph Coutts, emeritierter Erzbischof von Karachi, wies auf die komplexe politische Situation hin. Seit einiger Zeit werde das Land von einer Regierung geführt, die nur kommissarisch im Amt sei. Weitreichende Impulse für eine Verbesserung der Situation seien aus dieser Richtung nicht zu erwarten. „Unter dem wachsenden Einfluss der islamistischen Gruppen leiden nicht nur die Christen. Alle, die sich als Muslime, Hindus oder Christen für Toleranz einsetzen, werden angegriffen. Die Regierung bemüht sich jedoch im Rahmen ihrer Möglichkeiten um Schutz und Sicherheit auch für die Christen.“ Im Umgang mit den Blasphemiegesetzen zeige sich die Gefahr, die von den Extremisten ausgehe. „Emotionen der Menschen werden von Populisten geschürt und sie erzeugen damit einen gesellschaftlichen Druck, der auf weitere Verschärfung gerichtet ist. Die Behörden können dem nur wenig entgegensetzen.“ In diesem Umfeld sei es nicht sehr aussichtsreich, mit Initiativen auf eine Abmilderung der rigiden Gesetze hinzuwirken.
Pakistan ist ein multi-ethnisches Land
Boris Wilke, Politikwissenschaftler und Pakistan-Experte, ordnete diese Probleme in den Kontext der politischen Kultur des Landes ein: „Das multiethnische Pakistan in Südasien ist historisch und kulturell eng mit seinen Nachbarn Iran, Afghanistan und Indien verbunden.“ Das Land sei als parlamentarische Demokratie gegründet worden, habe jedoch wiederholt Militärputsche erlebt. „Während der Regierungszeit des islamistischen Präsidenten Zia-ul-Haq-Regi (1977–1988) kam es immer häufiger zu gewaltsamen Übergriffen auf Andersgläubige, darunter Christen, Hindus und muslimische Minderheiten.“ Dieser Trend setze sich bis heute fort. „Die Grenzregion zu Afghanistan ist zu einem Zufluchtsort für Mitglieder verschiedener militanter islamistischer Gruppen geworden, zu denen seit der westlichen Invasion in Afghanistan im Jahr 2001 auch die Taliban gehören“, so Wilke zu den Ursachen der Probleme.