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Russland

Länderbericht Religionsfreiheit (55): Russland

Die Russische Föderation ist ein überaus vielfältiges Land – historisch, kulturell, geografisch, und auch im Hinblick auf die Religionen. Das Ende der Sowjetunion vor 30 Jahren beendete auch die atheistische religionsfeindliche Politik, die über Jahrzehnte Gläubige und Religionsgemeinschaften in den Untergrund gedrängt hatte. Es begann eine religiöse Wiedergeburt, die die historisch gewachsene religiöse Vielfalt zurück in die Öffentlichkeit brachte. Religion wurde in allen früheren Sowjetrepubliken zu einem wichtigen Element nationaler Identität und bot den Menschen nach dem Ende der kommunistischen Ideologie neue Orientierung.

Ende der 1990er Jahre griff der Staat wieder verstärkt in religiöse Angelegenheiten ein. Es kam zu Konflikten zwischen der Russischen Orthodoxen Kirche und anderen christlichen Kirchen um Einflussbereiche und Missionsmethoden. Diese Konkurrenz wurde oft durch die finanzielle Stärke ausländischer Kirchen verschärft. Der russische Staat brauchte gleichzeitig glaubwürdige Partner in einer Zeit großer wirtschaftlicher, sozialer und politischer Konflikte – und fand einen solchen Partner in der Russischen Orthodoxen Kirche, die als Inbegriff einer traditionsreichen und verbindenden russischen Identität galt. Das Konzept der „traditionellen Religionsgemeinschaften“ sorgte für eine neue Ordnung in der religiösen Vielfalt, es öffnete jedoch auch einer staatlichen Benachteiligung kleinerer und „nichttraditioneller“ Religionen sowie religionskritischer Stimmen das Tor. 

Seit dem Beginn der 2010er Jahre beobachten wir in Russland eine wachsende Einschränkung individueller und zivilgesellschaftlicher Freiheiten, und die Religionsgemeinschaften sind von dieser Entwicklung nicht ausgenommen. Während von den staatlichen Verletzungen vor allem kleine Gemeinschaften mit Strukturen im oder Finanzierung aus dem Ausland betroffen sind, leiden unter den staatlich geduldeten gesellschaftlichen Angriffen auch Mitglieder der großen Religionsgemeinschaften wie der Russischen Orthodoxen Kirche oder des Islam. Ein wichtiges Motiv hinter vielen der Einschränkungen ist es auch, Kritik an den aktuellen politischen und sozialen Verhältnissen zu unterbinden und eine möglichst homogene und loyale Gesellschaft zu konstruieren.

Um Religion als ureigene Sphäre eines freien Gewissens zu schützen, müssen Einschränkungen der Religionsfreiheit aufmerksam beobachtet und offen angesprochen werden. Zu diesem Diskurs möchten missio und Renovabis mit dem vorliegenden Länderbericht beitragen.

 

Bibliographische Angaben
Elsner, Regina
Religionsfreiheit: Russland, hrsg. vom Internationalen
Katholischen Missionswerk missio e.V. und von Renovabis
(Länderberichte Religionsfreiheit 55), Aachen 2022.
ISSN 2193-4339
missio-Bestell-Nr. 600563