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Pater Petzold - Herbergsvater in Terrorzeiten

Eigentlich ist Jens Petzold auf der Suche nach Sinn und fernöstlicher Spiritualität. Dann lernt er auf seiner Reise zum Zen-Buddhismus in Syrien eine christliche Gemeinschaft kennen und tritt ihr bei.

Aus dem Schweizer Postbeamten, der in einer atheistischen Familie aufwächst, wird ein Ordensmann, der ernst macht mit dem Gelübde der Gastfreundschaft und in seinem Kloster im Irak 200 Flüchtlinge beherbergt.

Foto: Andy Spyra/missio

Spiritualität fasziniert ihn

Er hatte eine Ausbildung als kaufmännischer Angestellter absolviert und arbeitete bei der Post. Jens Petzold war 30 Jahre alt, frisch verbeamtet und hätte sich beruhigt zurücklehnen können. Stattdessen packte er den Rucksack und brach auf zu einer spirituellen Reise. „Ich habe mir seit dem 14., 15. Lebensjahr Fragen gestellt“, sagt er. Fragen, auf die der gebürtige Berliner in seinem atheistischen Elternhaus, das jeglicher Form institutionalisierter Religion mit Argwohn begegnete, keine Antwort fand. „Wenn Religionsunterricht war, hatte ich immer frei“, erinnert sich Petzold. „Mit Kirche hatte ich nichts zu tun.“

Erst nach dem Tod seiner Eltern, mit denen er als Kleinkind in die Schweiz gezogen war, fühlt sich der junge Mann freier. Er beschäftigt sich mit Meditation und begibt sich auf die Suche. Weit größere Anziehungskraft als der christliche Glaube übt die fernöstliche Spiritualität auf ihn aus. Petzold jedoch genügt nicht, was in westlichen Breitengraden darunter verstanden wird. Er will die Religion, die ihn so fasziniert, in ihrem kulturellen Umfeld erleben und hängt seinen Beamtenjob an den Nagel.

Sinnsucher aus aller Welt

Ein Jahr lang ist er bereits als Rucksacktourist unterwegs, als er von Mar Musa erfährt – ein tausend Jahre altes Felsenkloster in der syrischen Wüste, das sich zunehmend zum Treffpunkt für Sinnsucher aus aller Welt entwickelt. Auch auf Petzold verfehlt der magische Ort seine Wirkung nicht. Während er auf ein Visum für den Iran wartet, besucht er in Damaskus einen Arabisch-Kurs. Aber immer wieder zieht es ihn nach Mar Musa. Als er zum vierten Mal dort ist, lädt ihn Pater Paolo Dall’Oglio ein zu bleiben. Der Jesuit hat hier eine internationale Gemeinschaft gegründet, zu der Katholiken ebenso wie Mitglieder der christlichen Kirchen des Orients gehören. Ihre Grundpfeiler sind Gebet, Arbeit, Gastfreundschaft und der Dialog mit dem Islam. In Mar Musa, für Muslime seit Jahrhunderten eine geheiligte Stätte, sollen sich die Religionen begegnen. Die Einladung von Pater Paolo interessiert Petzold. „Ich wollte immer in ein Kloster“, sagt er, „aber eigentlich in ein buddhistisches.“

Nach einem Jahr in Mar Musa kehrt er zurück nach Europa, „um zu sehen, ob die Faszination anhält“. Sie hält – bis heute. Aber es ist ein harter Weg. Er gesteht:

Es war sehr schwierig für mich,
das Christentum zu akzeptieren.
Es hat mehr als ein Jahr gedauert.

In der Osternacht 1996 empfängt er die Taufe. Vier Jahre später – inzwischen hat er sein Noviziat gemacht und in Rom Theologie und Philosophie studiert – legt er die ewigen Gelübde ab. 2011 öffnet Pater Petzold in Sulaymaniyya im Nordirak das Kloster der Jungfrau Maria. Wie in Syrien will die Gemeinschaft von Mar Musa hier eine Begegnungsstätte für Menschen und Religionen schaffen. Doch es kommt anders. Die Terrormiliz IS überrennt die christliche Stadt Karakosch in der Ninive-Ebene, und von heute auf morgen stehen 200 Flüchtlinge vor der Tür. Pater Petzold nimmt sie alle auf. Einen Teil der Kirche funktioniert er zum Wohnraum um, weitere Familien bringt er im ehemaligen Mönchshaus unter.

200 Flüchtlinge aufgenommen

Petzold kümmert sich um die Unterbringung, um Lebensmittel, Trinkwasser. „Ich bin wieder in meinem Element“, erklärt der 53-Jährige. „Es hilft, dass wir in Mar Musa Erfahrung mit vielen Gästen hatten.“ Trotzdem: Es bleibt eine Herausforderung, so viele Menschen auf engem Raum zu beherbergen – Menschen, die verängstigt, verzweifelt, traumatisiert sind.

Der Ordensmann ist für alle da; jeden Abend feiert er mit den Flüchtlingen Gottesdienst. Er will ihnen Zeit geben zum Atemholen, Zeit, in Ruhe zu überlegen, wie es weitergehen kann. Für den Ordensmann steht fest, dass er bleibt, wo er gebraucht wird. „Ich hoffe, es ist für jeden Christen selbstverständlich zu helfen.“

Von Beatrix Gramlich

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