Die katholischen Hilfswerke missio Aachen und Renovabis schätzen die Lage der Religions- und Gewissensfreiheit in Russland als „besorgniserregend“ ein. Auf dem Hintergrund der allgemeinen Verschlechterung der Menschenrechtslage in dem Land sind insbesondere religiöse Minderheiten wie evangelische Freikirchen, die Zeugen Jehovas oder muslimische Gruppen und religionskritische Bewegungen „großem Druck“ ausgesetzt. Dies geht aus dem neuen „Länderbericht Religionsfreiheit: Russland” der beiden Hilfswerke hervor, der jetzt vorgestellt wurde.
Religionen sollen „loyale Gesellschaft“ fördern
Der Länderbericht sieht ein wichtiges Motiv für die Einschränkungen der Religionsfreiheit in der politischen Absicht, „Kritik an den aktuellen politischen und sozialen Verhältnissen zu unterbinden und eine möglichst homogene und loyale Gesellschaft zu konstruieren“. Dabei erfährt die Russische Orthodoxe Kirche eine besondere Privilegierung. Der russische Staat stellt Religionen in den Dienst einer „verbindenden russischen Identität“ und öffnet damit das Tor für die willkürliche Behandlung von Religionsgemeinschaften, die nach staatlicher Lesart diese Identität vermeintlich untergraben. Das russische Gesetz über die Gewissensfreiheit und religiösen Vereinigungen legt beispielsweise fest, dass die Gewissens- und Religionsfreiheit zum Schutz von Verfassung, Sittlichkeit, Gesundheit, Rechten sowie zur Verteidigung des Landes und der Sicherheit des Staates begrenzt werden darf.
Verletzungen der Religionsfreiheit auf der Krim
Der Länderbericht untersucht auch Verletzungen der Religionsfreiheit auf der 2014 von Russland okkupierten ukrainischen Halbinsel Krim. Dort mussten sich alle religiösen Organisationen neu nach russischem Recht registrieren lassen. Unter anderem betraf dies die römisch-katholischen und die lutherischen Gemeinden, die Verbindungen zu ukrainischen Stellen wie Bistümern oder Verwaltungen aus ihren Statuten entfernen mussten. Die Gemeinden der Ukrainischen Orthodoxen Kirche, die nicht dem Moskauer Patriarchat angehören, verweigern die Registrierung nach russischem Recht. Ihre Gottesdienste werden darum regelmäßig durch Polizei und Sicherheitskräfte abgebrochen, wie der Länderbericht festhält.
Der Länderbericht stellt nicht zuletzt „xenophobe gesellschaftliche Tendenzen“ in Russland fest, die insbesondere Muslime und Juden betreffen. Dabei ist auch „die Verbindung von nationalistischen und ultrarechten Bewegungen mit orthodoxen Akteuren“ ein Problem.
- Informationen zu den Herausgebern:
Das Internationale Katholische Missionswerk missio Aachen ist ein Päpstliches Missionswerk, das mit der Ortskirche in Afrika, Asien und Ozeanien zusammenarbeitet. missio Aachen setzt sich für Religionsfreiheit und den interreligiösen Dialog weltweit ein.
Renovabis ist die Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa.
- Informationen zum Heft:
Regina Elsner, Religionsfreiheit: Russland, hrsg. Vom Internationalen Katholischen Missionswerk missio e.V. und von Renovabis e.V. (Länderberichte Religionsfreiheit 55), Aachen 2022.