Unter den rund 530 entführten Schülern einer staatlichen Schule in der nord-nigerianischen Stadt Kankara im Bundesstaat Katsina befinden sich mindestens vier junge Christen, drei davon katholisch. Dies bestätigte heute die örtliche katholische Pfarrgemeinde in Kankara gegenüber dem katholischen Hilfswerk missio Aachen. Rund 99 Prozent der Schüler der überfallenen Schule sind Muslime. Über 300 Schüler würden noch vermisst.
Die missio-Partner teilten weitere Einzelheiten der Entführung vom vergangenen Freitag mit. Der Überfall auf die Schule mit Internat habe sich zwischen 22.30 und 23 Uhr ereignet. Nach Zeugenberichten hätte sich eine erste Gruppe der Entführer ein Feuergefecht mit dem Sicherheitsdienst der Schule geliefert, während eine zweite Gruppe dies ausgenutzt habe, um die Schüler im Schlaf zu überraschen und aus ihren Schlafsälen zu holen. Sie hätten sich dabei zuerst als Lehrer ausgegeben und so die Schüler überrumpelt.
Die missio-Partner beunruhige, dass der Sicherheitszaun rund um die Schule vermutlich erst am Morgen des Überfalltages repariert worden sei. So scheiterte die Flucht einiger Schüler, die bekannte Lücken des Zaunes nutzen wollten, dies dann aber nicht mehr konnten. Man frage sich, ob die Reparatur Zufall oder geplant gewesen sei.
Nach Angaben der missio-Partner vor Ort sei die Stadt Kankara in den vergangenen Monaten ein „Epizentrum“ von Entführungen und Überfällen krimineller Banden gewesen. Die Bevölkerung sei verzweifelt, weil sie sich durch die Polizei und den Staat nicht mehr geschützt fühle. Das Leben in der Region sei brutal, schrecklich und kurz.
Mittlerweile reklamiert die islamistische Terrorgruppe Boko Haram die Entführung für sich. Ob dies tatsächlich zutrifft, kann nicht endgültig verifiziert werden. Auch kriminelle Gruppen haben in Videos erklärt, sie hätten die Schuljungen entführt.
Der Bundesstaat Katsina, in der die Schule gelegen ist, gehört zum katholischen Bistum Sokoto.
Hintergrund der Entführungen in Nigeria
Die jüngste Entführung von Schülern in Kankara erinnert an die der 276 Schulmädchen aus Chibok, die Boko Haram 2014 international in die Schlagzeilen brachte. Bis heute befinden sich mindestens einhundert der Mädchen immer noch in der Gewalt der Terrormiliz. 2018 entführte die Gruppe in einem Ort namens Dapchi, Bundesstaat Yobe, 110 Schulmädchen. Sie kamen nach geheimen Verhandlungen mit der Regierung und vermutlichen Zahlung einer hohen Geldsumme wieder frei. Alle bis auf ein Mädchen. Die einzige Christin unter ihnen: Leah Sharibu. Das Mädchen weigerte sich, zum Islam zu konvertieren und befindet sich bis heute in Gefangenschaft.
Keine offiziellen Statistiken über Entführte
Niemand weiß genau, wie viele Menschen entführt oder getötet wurden. Denn die nigerianische Regierung spricht am liebsten nicht über das Ausmaß von Entführungen und Mord in ihrem Land. „Statistiken dazu gibt es nicht. Für uns religiöse Führer ist es nicht möglich, diese Zahlen zu bekommen“, erklärt der Erzbischof von Abuja, Ignatius Kaigama. „Nur wenn wir von unseren Leuten in ländlichen Gemeinden informiert werden, wenn sie Alarm schlagen, erfahren wir von Überfällen und Entführungen. Ich bin sicher, dass viele Menschen entführt werden. Wir wissen nicht, wer sie sind, wohin sie verschwinden. Statistiken sind schwer zu bekommen. Aber wir wissen, etwas Hässliches, etwas Böses geht vor“, so Erzbischof Kaigama.
Lesen Sie dazu auch den Blogbeitrag https://www.missio-hilft.de/blog/missio-in-aller-welt/wir-wissen-etwas-haessliches-etwas-boeses-geht-vor/ .