Das Forschungsprojekt „Religion und Gewalt” widmet sich dem aktuellen politischen und gesellschaftlichen Thema religiöser Konflikte.
Mit diesem komplexen Thema sind verschiedene Fragen verbunden: Wie verhalten sich Gewalt und Religion zueinander? Wo stehen Religionen zwischen Krieg und Frieden? Wie ist es um den Frieden zwischen den Religionen bestellt? Der Fokus des Projekts richtet sich auf das Verhältnis von Christentum und Islam. Das Spannungsfeld von Religion und Gewalt gibt es jedoch auch in und mit den anderen großen Religionen Judentum, Hinduismus und Buddhismus. Langfristig geht es darum, den vordergründigen Zusammenhang zwischen Religion und Gewalt zu hinterfragen und umzukehren in die Formel „Religion macht Frieden”.
Am Beispiel verschiedener afrikanischer Länder geht das Forschungsprojekt der Frage nach, wie Menschen in konkreten Konfliktsituationen das Verhältnis von Religion und Gewalt wahrnehmen. Dazu befragen Kooperationspartner in den jeweiligen Ländern Christen und Muslime sowie Vertreter der Politik und der verschiedenen Religionen. Erschienene Länderstudien finden Sie untenstehend als PDF-Dateien. Die Erhebungen zu Mali und der Zentralafrikanischen Republik werden vorbereitet.
Religion und Gewalt haben ein zwiespältiges Verhältnis zueinander. Obwohl Frieden und Gewaltlosigkeit die Kernbotschaften vieler Religionen sind, wird im Namen des Glaubens vielerorts Gewalt ausgeübt. Religionen stiften Identität. Das kann den sozialen Zusammenhalt fördern, aber auch zu Abgrenzung führen. Was können wir also tun, um die Ausbreitung von Gewalt im Namen von Religionen zu vermeiden?
Gemessen an Bodenschätzen wie Gold, Diamanten, Kupfer, Zinn, Kobalt und Coltan gehört die Demokratische Republik Kongo zu den reichsten Ländern Afrikas. Dennoch leben weite Teile der gut 90 Millionen Menschen zählenden Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Das riesige Land leidet seit Jahrzehnten unter politischen und wirtschaftlichen Kriegen und Konflikten, bei denen die Interessen der Nachbarländer wie Ruanda und Uganda, aber auch geostrategische Interessen internationaler Akteure wie China, den USA und Russland eine verhängnisvolle Rolle spielen.
Im an wertvollen Mineralien besonders reichen Osten des Landes toben von westlichen Medien nur selten wahrgenommene Kriege. Mehr als 40 verschiedene kriminelle Gruppen – sogenannte Rebellengruppen – kämpfen um Zugriff auf die Bodenschätze, mit denen sie ihren Einfluss erweitern und ihre Gewalttaten auf Kosten der Zivilbevölkerung finanzieren. Insbesondere Frauen sind häufig unvorstellbaren Gräueltaten ausgesetzt.
Welche Rolle spielt die Religion in diesen Szenarien? Die vorliegende Studie, die im Rahmen des von missio aufgelegten Forschungsprojekts zu „Religion und Gewalt“ in Afrika durchgeführt wurde, geht anhand von mehr als 3.000 Interviews mit engagierten Christinnen und Christen verschiedener Konfessionen der Frage nach, wie sie das Verhältnis von Religion und Gewalt bewerten. Dabei geht es um ihr Verständnis von Religion, aber auch um die Frage, wie sie bestimmte biblische Texte interpretieren, die in einem direkten Zusammenhang mit Gewaltausübung stehen.
Die Studie ist im Rahmen des missio-Forschungsprojekts „Religion und Gewalt“ entstanden und wurde vom „Observatoire sur les violences et intégrismes religieux en RD Congo“ (OVIRCO) unter der Leitung von Frau Professorin Dr. Josée Ngalula durchgeführt. OVIRCO ist eine an die katholische Universität des Kongo in Kinshasa angegliederte Forschungseinrichtung der Kongolesischen Bischofskonferenz.
Die Bundesrepublik Nigeria ist mit einer Einwohnerzahl von ca. 180 Millionen das bevölkerungsreichste Land Afrikas und die wichtigste Wirtschaftsmacht im westlichen Afrika. Dennoch lebt die Mehrheit der Bevölkerung in bitterer Armut. Zudem herrscht eine höchst prekäre Sicherheitslage, bei der Konflikte um politische Macht und Ressourcenverteilung entlang ethnischer und religiöser Zugehörigkeit teilweise äußerst gewaltsam ausgefochten werden. Der internationale Terrorismus hat zur Radikalisierung und Stärkung terroristischer Gruppen wie Boko Haram beigetragen. Sind die Konflikte tatsächlich religiöser Natur? Dieser Frage geht die vorliegende Studie im Rahmen des von missio koordinierten Forschungsprojekts „Religion und Gewalt“ am Beispiel der im Bundesstaat Plateau liegenden Region um die Stadt Jos nach.
Diese Region wurde ausgewählt, da Jos im sogenannten Middle Belt Nigerias an der Schnittstelle des überwiegend muslimisch geprägten Nordens zum überwiegend christlich geprägten Süden des Landes liegt und eine lange Geschichte gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen, etwa zwischen sesshaften Ackerbauern und mobilen Viehzüchtern, durchlitten hat. 350 Personen wurde von den Autoren der Studie danach gefragt, wie sie die Situation der Gewalt einschätzen. Dabei kamen die vielschichtigen Ursachen wie soziale und wirtschaftliche Ungleichheit, knappe Landressourcen, politische Führungsschwäche und Korruption, mangelnde Organisation und Versagen der Ordnungs- und Justizbehörden als Ursachen der Gewalt zur Sprache. Aber auch durch religiöse Intoleranz und Radikalisierung wird diese Gewalt weiter befeuert. Die Religionen – in Nigeria sind knapp 50 % der Bevölkerung Muslime, gut 40 % sind Christen, ca. 10 % gehören traditionellen afrikanischen Religionen an – spielen eine wichtige Rolle in der Austragung der Konflikte, aber, wie die Studie zeigt, auch in den möglichen Perspektiven und Lösungsansätzen.
Die Durchführung der Befragung und Erarbeitung der Studie wurde vom „Dialogue, Reconciliation and Peace Centre“ (DREP) in Jos unter der Leitung von Father Blaise Agwom koordiniert. Die wissenschaftliche Leitung hat Professor Daniel Atu von der Abuja State University übernommen. Dem Team des DREP, den Autoren der Studie sowie den befragten Personen, die zu dem hier gezeichneten vielschichtigen Bild der Frage nach „Religion und Gewalt“ in Nigeria am Beispiel der Region um Jos beigetragen haben, sei an dieser Stelle ein besonderer Dank ausgesprochen. Im Sinne der Wortmeldungen und Empfehlungen dieser Studie weiß missio sich weiterhin den Friedensinitiativen seiner Partnerinnen und Partner sowie den Dialog- und Ausgleichsprozessen aller Menschen guten Willens in Nigeria verpflichtet.
Im Rahmen des Forschungsprojekts über das Verhältnis von Religion und Gewalt legt missio die vierte Studie zu Konflikten in ausgewählten Ländern Afrikas vor. Fokussiert wird die Situation in Mali, wo seit dem im Jahr 2012 erfolgten Militärputsch ein Krieg herrscht, der das Land teilt, der Attentate und die Zerstörung von Kulturstätten wie Timbuktu mit sich bringt und zu einem aufwändigen und verlustreichen Militäreinsatz der Vereinten Nationen (MINUSMA) geführt hat, an dem auch etwa 1000 deutsche Soldaten beteiligt sind.
Die vorliegende Studie ist in Zusammenarbeit mit dem „Centre de Recherche et d’Action pour la Paix“ (CERAP) mit Sitz in Abidjan entstanden, an dem die Autoren tätig sind. Diese haben vor Ort mit der katholischen Universität von Westafrika in Bamako sowie mit dem „Institut de formation islamo-chrétienne“ (IFIC), ebenfalls in Bamako, zusammengearbeitet.
Mit der Veröffentlichung der Studie leistet missio einen Beitrag dazu, auf die Situation in Mali aufmerksam zu machen und dabei insbesondere das friedensstiftende Potential des interreligiösen Dialogs in den Blick zu nehmen. Diesem Dialog weiß sich missio sowohl in seiner Menschenrechtsarbeit als auch in seiner Förderung von Projekten in Mali und in Afrika insgesamt verpflichtet.
Der Tschad gehört zu den ärmsten Ländern der Welt und nimmt im „Human Development Index“ einen der letzten Plätze ein. In die Schlagzeilen der Weltpresse geriet das Land im Zusammenhang mit dem Darfur-Konflikt im benachbarten Sudan. In jüngster Zeit steht die Auseinandersetzung mit der aus dem anderen Nachbarland Nigeria stammenden Boko-HaramBewegung im Fokus der Sicherheitspolitik des Landes
Die Studie – die dritte im Rahmen des von missio koordinierten Forschungsprojekts über „Religion und Gewalt“ – erforscht die Rolle der Religionen in gewalttätigen Konflikten im Tschad sowie im Zusammenhalt der tschadischen Gesellschaft. Die meisten der ca. 300 befragten Personen sehen die Rolle der Religionen positiv. Allerdings klagen besonders die Christen politische und wirtschaftliche Partizipation ein und wehren sich gegen Tendenzen einiger muslimischer Gruppierungen, den Tschad zu einem muslimischen Staat zu machen. Die Herausforderungen bestehen in der Konzeption eines säkularen Staates, der die positive Rolle der Religionen im Staatsgebilde würdigt. Konfliktpotential birgt die Radikalisierung religiöser Gruppen, sowohl auf muslimischer Seite etwa durch Einflüsse von Al-Shabaab als auch durch neue religiöse christliche Bewegungen mit ihrem teilweise aggressiven Auftreten gegenüber Andersdenkenden.
Die Republik Côte d’Ivoire gehört zu den wirtschaftlich stärkeren Ländern Afrikas, wurde aber in den letzten Jahren immer wieder von Krisen erschüttert, die mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen und erheblicher Gewalt einher gingen. Der interne Konflikt zwischen den beiden wichtigsten Bevölkerungsgruppen, den mehrheitlich christlichen Ivorern und den überwiegend muslimischen Burkinern, wurde politisch instrumentalisiert, was für das traditionell gute Verhältnis der beiden Religionen in Côte d’Ivoire zu einer schweren Belastungsprobe wurde.
Die Autoren dieser Studie, der zweiten im Rahmen des von missio koordinierten Forschungsprojekts über „Religion und Gewalt“, gehen den Wechselverhältnissen nach. In 381 Interviews und Gruppendiskussionen haben sie ein Bild jener vielschichten Vorstellungen zusammengetragen, die in der Bevölkerung und bei verantwortlichen religiösen und politischen Führern zur Frage von Religion und Gewalt kursieren. Dabei sind sie auch der Frage nach dem Konflikt- und nach dem Friedenspotential der Religionen nachgegangen.
Tansania wird von seinen Bewohnern und Politikern gerne als das „Land des Friedens“ bezeichnet, und in der Tat sind dem Land in seiner Geschichte größere blutige Konflikte und ethnische Auseinandersetzungen in weiten Teilen erspart geblieben. Doch in jüngster Zeit gab es vermehrt negative Schlagzeilen von Gewalt im Land, etwa über den Anschlag auf die amerikanische Botschaft, aber auch über immer wieder aufflammende Konflikte in Städten wie Moshi und Daressalaam sowie über religiöse Spannungen, insbesondere auf der Insel Sansibar.
Die Studie untersucht den Zusammenhang von Gewalt und Religion am Beispiel verschiedener konfliktiver Situationen und Fragestellungen in Tansania. Durchgeführt wurde die Studie vom Hekima Institute of Peace Studies and International Relations mit Sitz in Nairobi. Die Ergebnisse werden vorgestellt, in einen theoretischen Rahmen eingeordnet und ausgewertet. Dabei zeigt sich, dass es vielfältige Ursachen von Gewalt gibt, die häufig ineinander verwoben sind. Eine auch mit religiösen Begriffen konnotierte Konfliktsituation als „religiösen Konflikt“ zu bezeichnen, greift häufig zu kurz. Zudem besteht die Gefahr, dass hier Religion für politische oder wirtschaftliche Ziele instrumentalisiert wird. Notwendig ist ein genaues Hinschauen auf die Wahrnehmungen und die Gefühlslage der handelnden und betroffenen Menschen, wie dies die Autoren der hier vorliegenden Studie tun.