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"Wir sehen das humanitäre Leid der Bevölkerung"

Unerwartet schnell haben die Taliban nach dem Abzug der NATO-Truppen aus Afghanistan die Macht im Land übernommen. Sie kontrollieren die Hauptstadt Kabul und fast alle Regionen. Wie geht es nun für die Menschen in Afghanistan und in der umliegenden Region weiter? Dazu haben wir Romina Elbracht, Auslandsreferentin bei missio und zuständig für den Nahen und Mittleren Osten sowie Pakistan, befragt.

 

Was bedeutet es für die Region, dass die Taliban wieder die Macht in Afghanistan übernehmen?

Die Machtübernahme der Taliban bedeutet Unsicherheit und Chaos, zunächst vor allem für Afghanistan selbst aber auch für Anrainerstaaten und die gesamte Region. Es sollte daher in Anbetracht der vielen in Afghanistan verbliebenen Schutzsuchenden unser deutsches und europäisches Ziel sein, auch nach dem vollständigen Truppenabzug die afghanische Zivilbevölkerung nicht aus dem Blick zu verlieren, denn vor allem für Frauen und Mädchen, Journalistinnen, Menschenrechtlerinnen und z.B. die schiitische Minderheit der Hazara könnten düstere Zeiten angebrochen sein. Obgleich sich die Taliban der Öffentlichkeit aktuell als strukturiert und pragmatisch präsentieren, befürchten viele das Schlimmste. Die Talibanherrschaft hat bereits in der Vergangenheit z.B. Frauen den Zugang zu Bildung verwehrt, Musik und Filme verboten und mutmaßliche Regelbrecherinnen gesteinigt.

 

Foto: Sohaib Ghyasi / Unsplash
Afghanische Kinder beim Spielen. Wie wird ihre Zukunft aussehen?

Wie reagieren die anderen Staaten, allen voran Pakistan, Iran und Indien, darauf?

Für diese Staaten bedeutet die Machtübernahme durch die Taliban Unterschiedliches. Vor allem für Indien, das in Afghanistan zweieinhalb Milliarden Euro investiert hat, ist es tragisch, da die Talibanherrschaft den Einfluss Chinas und Pakistans in der Region erhöht. Der indische Außenminister hat aber bereits betont, dass Indien selbstverständlich dem afghanischen Volk auf der Basis der historischen Beziehungen zur Seite steht. Für die zahlreichen afghanischen Geflüchteten und Studierende in Indien muss nun eine mittel- und langfristige Lösung gefunden werden.

Während Pakistan den Truppenabzug der USA gutheißt, sind die Beziehungen zwischen der pakistanischen Regierung und den Taliban noch zu klären. Auch werden mögliche Flüchtlingswellen und ihre Auswirkungen auf Pakistan oder auch auf den Iran die langfristigen Beziehungen zwischen den genannten Ländern und den Taliban maßgeblich beeinflussen.

 

Was kann missio für die Menschen in Afghanistan tun, insbesondere für die, die sich nun in Gefahr befinden und fliehen müssen?

Wir sehen das humanitäre Leid der Bevölkerung und werden gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern dafür sorgen, dass Afghanistan nicht vergessen wird. Gleichzeitig stehen wir an der Seite unserer Projektpartnerinnen und -partner in den Nachbarländern, die nun Geflüchtete aufnehmen werden und in denen sich unsere Projekte konzentrieren. Ein reger und konkreter Austausch über Unterstützung muss nachhaltig geführt sowie die Bedeutung humanitärer Korridore betont werden. Denn das Hunger und Elend für die afghanischen Menschen eine weitere berechtigte Sorge darstellen, wird bislang nicht oft genug betont.

 


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