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Südafrika: Weltkirchliche Solidarität in Zeiten von Corona

Immer wieder erhebt Papst Franziskus seine Stimme und ruft zu einer Globalisierung der Solidarität und Nächstenliebe auf. In Zeiten von Corona bekommt dieser Appell eine neue Bedeutung. missio steht auch in diesen Zeiten der weltweiten Pandemie in engem Kontakt mit seinen Projektpartnerinnen und Projektpartnern in Afrika, Asien und Ozeanien, die besonders von der Pandemie betroffen sind. Klaus Vellguth befragte Dr. Nontando Hadebe, die am St. Augustin College of South Africa lehrt, zur aktuellen Situation in Südafrika.

Inwiefern hat die COVID-19-Pandemie das Leben von Ihnen und den Menschen in Ihrer Nachbarschaft verändert?

Ärmere Gemeinden werden wahrscheinlich die Hauptlast der gesundheitlichen und sozioökonomischen Folgen tragen, wenn sich COVID-19 ausbreitet.

Arbeitslose oder Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen (insbesondere Menschen, die weder eine Krankenversicherung noch Erspartes haben), Erwachsene und Kinder, die unter Hunger leiden sowie Personen, die aufgrund chronischer oder bestehender Erkrankungen möglicherweise Zugang zur Gesundheitsversorgung benötigen, sind in Südafrika besonders betroffen.

Die Regierung sucht weiterhin nach Wegen, um die negativen Auswirkungen insbesondere für die Armen einzudämmen: beispielsweise durch die Verteilung von Nahrungsmitteln, die Gewährung von Grundeinkommen für Arbeitslose etc. In ähnlicher Weise tragen die katholische Kirche, andere Kirchen, Nichtregierungsorganisationen, Einzelpersonen und Gemeinschaften dazu bei, die Grundbedürfnisse der Armen zu befriedigen, indem sie sich um Nahrungsmitteln, Wasser und eine medizinischer Grundversorgung kümmern.

Welche weiteren Auswirkungen der Pandemie sind für Ihr Land in den nächsten Monaten zu erwarten?

Auch in Südafrika befürchten wir eine Zunahme geschlechtsspezifischer Gewalt, die die Verwundbarkeit von Frauen und Kindern aufdeckt. Es gibt Berichte über eine erhöhte Anzahl von Frauen, die Gewalt in der Partnerschaft ausgesetzt sind. Daneben gibt es die Verwundbarkeit sexueller Minderheiten (LGBTIQ-Personen). Auch Migranten und Asylsuchende werden besonders betroffen sein, weil sie beim Versuch, einen Zugang zur Gesundheitsversorgung zu erhalten, verschiedenen Formen der Ausgrenzung ausgesetzt sind. Darüber hinaus nehmen psychische Erkrankungen zu. Laut der Online-Umfrage der South African Depressions and Anxiety Group (Sadag) zu COVID-19 und psychischer Gesundheit leiden 55 Prozent der Bevölkerung unter Angstzuständen und Panik, 46 Prozent unter finanziellem Stress, 40 Prozent unter Depressionen, 30 Prozent und unter belastenden familiären Beziehungen. 12 Prozent der Befragten gab an, Selbstmordgedanken zu haben, und 6 Prozent bekannten sich zum Drogenmissbrauch.

Auch im Bildungsbereich sind die schwächeren sozialen Schichten besonders von Covid-19 betroffen. Viele Schülerinnen und Schüler haben keinen Zugang zu Laptops und zum Internet, so dass sie vom Online-Unterricht abgeschnitten sind. Auch verfügen viele Eltern selbst gar nicht über eine Bildung, um in diesen Wochen und Monaten ihre Kinder zu unterrichten.

Welche Bedeutung hat der christliche Glaube in diesen Zeiten der Pandemie?

Den religiösen Glaubensgemeinschaften kommt in dieser Zeit eine besondere Rolle zu. Die Schließung religiöser Räume hat die Christen zu kreativen Lösungen herausgefordert. Radio, Fernsehen und soziale Medien sind neue Kanäle, um spirituelle Botschaften zu kommunizieren. Die südafrikanische katholische Bischofskonferenz war von Anfang an bei der Entwicklung neuer Formate aktiv beteiligt Viele lokale Gemeinden starteten Initiativen, um mit ihren Gemeindemitgliedern im Kontakt zu bleiben.

Die Kirchen engagieren sich in Südafrika, um die schutzbedürftigen Gemeinschaften mit Nahrungsmitteln zu versorgen und die Spiritualität zu stärken. Covid-19 zwingt uns, die Folgen der Ungleichheit zu beobachten, da sie die ärmere Bevölkerung noch verwundbarer macht. Theologien der Hoffnung wurzeln in der Sehnsucht nach Gerechtigkeit, Solidarität, einer Option für die Armen, dem Einsatz für das Gemeinwohl und der alternativen Visionen einer gerechten Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. Theologien sind wichtig, die sich mit den Ursachen geschlechtsspezifischer Gewalt befassen, indem sie bestehende Theologien anfragen, die hierarchische Beziehungen zwischen den Geschlechtern aufrechterhalten, Frauen marginalisieren und die Konstruktion von Männlichkeiten analysieren. Diese Theologien müssen sich mit Homophobie und Marginalisierung sexueller Minderheiten in Südafrika befassen. Wichtig sind auch Angebote der Seelsorge, Beratung und Weiterbildung. Auch müsste die Berufung der Laien neu gedacht werden, denn jede und jeder ist berufen und begabt, im Kontext von COVID-19 einen Dienst zu leisten. Und schließlich geht es darum, den Wert der interreligiösen und ökumenischen Solidarität neu zu entdecken.

Foto: missio

Nontando Hadebe lebt in Südafrika und arbeitet unter anderem in dem Forschungsprojekt „Vatican II – Legacy and Mandate“ mit, das in Kooperation mit missio realisiert wird. Sie ist Mitglied des Steering Commitees der afrikanischen Studiengruppe.


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