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„Wir sind alle Kinder Gottes”

Kardinal Dieudonné Nzapalainga war bei uns in Aachen zu Besuch. Er ist Erzbischof von Bangui in der Zentralafrikanischen Republik und setzt sich dort für den Interreligiösen Dialog ein. Sein Land leidet unter der Gewalt von verschiedenen Milizen, die sich gegen die Regierung stellen und versuchen, Hass zwischen den Religionen zu säen. Dagegen wendet sich der Kardinal mit den anderen religiösen Führern im Land.
Ich konnte ihn bei seinem Besuch in Aachen zu einem Gespräch treffen und war beeindruckt von seiner offenen Art und den Schilderungen aus seiner Heimat.

Kardinal Dieudonné Nzapalainga zu Besuch bei missio in Aachen Foto: Marlen Helms / missio
Kardinal Dieudonné Nzapalainga besuchte missio in Aachen und beschrieb die Situation in der Zentralafrikanischen Republik.

Thomas Rekendt: Wie ist die aktuelle Situation in der Zentralafrikanischen Republik?

Kardinal Nzapalainga: Die Situation in der Zentralafrikanischen Republik ist sehr labil. Konkret heißt das, dass 20% des Territoriums von der Regierung kontrolliert wird, die Hauptstadt und zwei Gebiete im Westen. Der ganze Rest, 80% des Landes, wird von Rebellen kontrolliert. Es gibt keine Freiheit, keine Bewegung und selbst das Gebet steht unter der ständigen Angst vor den bewaffneten Männern. Das ist die Situation, in der wir uns befinden. Auch die Schulbildung: Viele Kinder im Landesinneren gehen nicht zur Schule. Viele Kinder bleiben zu Hause oder hängen in der Umgebung ab. Das ist wirklich ein Handicap, weil man in den Köpfen der Kinder Ignoranz und Analphabetismus heranzieht. Ich denke, dass die Schule der Ort ist, wo die Kinder hingehören und nicht, dass sie eine Waffe tragen. Wie kann ein zehnjähriges Kind einen Apparat tragen, der schwerer ist als das Kind selbst? Das ist eine schwierige Situation, die wir in unserem Land sehen.

Ungefähr je die Hälfte der Bevölkerung sind Christen und Muslime in der Zentralafrikanischen Republik. Oft wird in den Medien deshalb auch von einem Religionskrieg in dem Land gesprochen. Aber die Lage ist weitaus komplizierter und die Gewalt hat oft keine religiösen Gründe, wie auch Kardinal Nzapalainga erklärt.

Rekendt: Wie läuft die Zusammenarbeit zwischen Christen und Muslimen ab? Gibt es einen Religionskrieg?

Kardinal Nzapalainga: Das ist kein interreligiöser Krieg. Es sind die Rebellen, die Leute, die nach Macht streben. Die Leute, die nach Bodenschätzen und wirtschaftlichen und finanziellen Reichtümern dürsten und diese wollen nun die Religion benutzen, manipulieren und instrumentalisieren. Damit sie sagen können, es handle sich um einen religiösen Krieg, aber die wahren Beweggründe liegen vielmehr außerhalb. Der Pastor, der Imam und ich haben uns seit dem ersten Tag zusammengetan, um zu sagen: In unserem Patrimonium, in unserem Territorium hat es nie einen Religionskrieg gegeben. Wir werden nicht in die Falle tappen, dass die Leute isoliert sind.

Der Kardinal arbeitet zusammen mit den protestantischen Pastoren und dem muslimischen Imam auf einer interreligiösen Plattform zusammen, die von missio unterstützt wird. Dieses Instrument hilft dabei, Konflikte frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren, wie er erklärt.

Rekendt: Welche Auswirkungen hat die interkonfessionelle Plattform?

Kardinal Nzapalainga: Zu Anfang möchte ich gerne betonen, dass die Auswirkungen sehr positiv sind. Wir, die religiösen Führer, können im Namen Gottes, an den wir glauben, die Kleinen verteidigen. Wir können dem Chef der Rebellen sagen: „Du hast kein Recht, die Unschuldigen zu töten, die Mädchen zu vergewaltigen und die Häuser niederzubrennen. Wir als Leiter dieser Plattform können das sagen. Wenn das eine andere Person sagt, wird sie hingerichtet, aufgehalten oder ins Gefängnis geworfen. Wir aber haben noch immer diese Freiheit im Namen Gottes, um die Kleinsten, die Verwundbarsten verteidigen zu können. Die Plattform erreicht sehr viel: dass die Leute einander akzeptieren, einander respektieren, einander wertschätzen und in den Dialog kommen. Das ist die Rolle der Plattform und wir rufen häufig dazu auf, dass sich die Repräsentanten der drei Religionen zusammensetzen und miteinander in den Dialog treten. Die Mauern fallen lassen, die Vorurteile fallen lassen. Du bist kein Teufel, du bist ein Mensch. Ich kann dich grüßen, ich kann mit dir reden. Was hast du gemacht? Wer ist schlecht? Wir sollten ehrlich sein und du solltest die Gerechtigkeit wiederherstellen. Das ist die Arbeit der Plattform: Die Leute dazu zu bewegen, sich zusammenzusetzen und wir haben die Mission, ihnen zu sagen, dass Gott jeden liebt. Wir sind alle Kinder Gottes.

Rekendt: Die Existenz der Plattform ist also für die Gesellschaft und das Land sehr wichtig. Was braucht es für einen dauerhaften Frieden in der Zentralafrikanischen Republik?

Kardinal Nzapalainga: Was wir brauchen, ist, dass die Menschen einander, ohne müde zu werden, kennenlernen, einander wertschätzen, sich treffen und in den Dialog treten. Denn, wenn ich Sie nicht kenne, trete ich nicht mit Ihnen in den Dialog. Sie sind weit entfernt von mir und ich kenne Ihre Interessen nicht. Aber je mehr ich mich Ihnen nähere, desto mehr werden wir zu Brüdern. Das ist der Boden für Brüderlichkeit und ich denke, das ist sehr wichtig, damit ich Sie kennenlerne, Sie wertschätze und mich Ihnen nähere. Das ist der Dialog des Lebens. Auf den Märkten tun die Menschen dies. Wenn du etwas verkaufst, unterscheidest du nicht: „Ich verkaufe nur an Christen.“ Du wirst es an jeden verkaufen. Der Dialog des Lebens. Das funktioniert mit jedem. In meinem Herzen und meinem Leben sollte ich mich jedem zur Verfügung stellen. Nach und nach müssen wir dies den Christen und Gläubigen verständlich machen.

Kardinal Dieudonné Nzapalainga im Interview mit missio Foto: Bernd Weishaupt / missio
Kardinal Dieudonné Nzaplainga ist seit vielen Jahren Partner von missio und engagiert sich für den interreligiösen Dialog.

Kardinal Nzapalainga ruft zu gegenseitigem Respekt und Verständnis sowie zum offenen Dialog miteinander auf. Nur so könne die Gewalt und der Hass überwunden werden. Am Ende habe ich ihn dann noch gefragt, was missio und die Menschen in Deutschland tun können, um ihn und die Menschen in der Zentralafrikanischen Republik zu unterstützen.

Rekendt: Wie bewerten Sie die Arbeit von missio in der Zentralafrikanischen Republik?

Kardinal Nzapalainga: missio leistet uns in Zentralafrika große Unterstützung. Wir befanden uns in schwierigen Momenten, die völlig dunkel erschienen und missio hat in vielen Diözesen geholfen, die gute Nachricht zu verkünden und Katecheten auszubilden. Denn alles beginnt hier. Wenn es keine Katecheten mehr gibt, gibt es auch keine Lehrer mehr. Wenn es keine Lehrer mehr gibt, gibt es keine Schüler mehr. Es gäbe keine Ingenieure mehr. missio unterstützt uns in der Ausbildung von Katecheten. missio hilft uns auch, Pater in die Dörfer schicken zu können, dass diese Fahrzeuge haben und sich fortbewegen können. Um den Gemeinden zu begegnen, sie zu animieren, die Gemeinden zu ermutigen, die Sakramente zu geben und die gute Nachricht zu verkünden. Dies ist eine unermessliche Unterstützung, die missio da leistet. Auch die Ausbildung der Priester. Die Priester sind in mehreren Pfarreien dank der Themen, auf die missio uns vorbereitet. Die Priester debattieren diese Themen, sie begegnen anderen, sie diskutieren mit anderen, empfangen sie und teilen das Leben. Das ist wichtig. Wir bilden die jungen Priester aus, die gerade anfangen. Sie kennen den Beruf nicht und wir sollten sie bei ihren ersten Schritten begleiten. Dabei hilft missio uns.

Rekendt: Was würden Sie abschließend sagen, wie wir Ihnen helfen können?

Kardinal Nzapalainga: Wenn Sie uns helfen wollen, ist die erste Sache, für uns zu beten. Beten, weil das Gebet eine Kraft hat, die man nicht bemerken oder besiegen kann. Auch ist es wichtig, die Kommunion zu halten und für die zu beten, die weit weg und verlassen sind. Zur gleichen Zeit aber auch anzufangen zu sensibilisieren. Wenn Sie anfangen, in Ihrem Umfeld davon zu sprechen. Die Situation in der Zentralafrikanischen Republik ist nicht unbekannt. Sie wollen, dass die Menschen sich dafür interessieren. Zur gleichen Zeit müssen die Menschen aber auch tätig werden. Das heißt festzustellen: Die Leute gehen nicht zur Schule. Was kann man tun? Man baut Schulen, stellt Lehrer ein, besorgt Hefte und gibt Chancen. Und nachdem man dies gegeben hat, muss man sagen: „Legt uns darüber Rechenschaft ab. Das ist es, was wir von euch erwarten. Man fängt oben an mit Gebet und dem Kopf. Auf diese Weise hilft man mit dem Herzen bis zu den Füßen.”

Rekendt: Herr Kardinal, vielen Dank für das Gespräch.

Helfen Sie verfolgten Christen!


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