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Wie Kirche in einer muslimischen Region lebt

missio und Bistum Mainz auf Friedenssuchermission (Teil 5)

Frühmorgens in Tamale: Hier weckt mich nicht ein einzelner Muezzin, hier sind es mehrere, deren Rufe die Gläubigen zum Gebet rufen. Auf unserer Reise durch Ghana sind wir in einer überwiegend muslimischen Region angelangt. Ungefähr jeder Fünfte hier ist Christ. Das prägt die Arbeit eines Mannes, der für unsere Missio-Reisegruppe wichtig ist: Father Boniface Maasoayele. Er wird im Oktober nach Deutschland kommen, zur Eröffnung des Monats der Weltmission. Hier in der Provinz Tamale dürfen wir ihn zwei Tage bei seiner Arbeit begleiten.

Der Sonntag beginnt mit einer Autofahrt über die Dörfer. Unser Ziel ist der kleine Ort Cheshe, wo es eine katholische Kirche gibt. Die Fahrt führt an vertrockneten Feldern entlang, was an sich nichts Außergewöhnliches ist, denn wir sind in der Trockenzeit hierhin gekommen. Doch die Regenzeit, in der man Ackerbau betreiben kann, ist nur kurz. „In der Trockenzeit leben die meisten Menschen hier vom Kleinhandel“, sagt Father Boniface – das heißt: Sie sind sehr arm.

 

Das Bild zeigt eine Straßenansicht einer scheinbar ländlichen oder städtischen Peripherie in einer westafrikanischen Stadt. Im Vordergrund ist eine relativ breite Straße zu sehen, auf der drei Autos fahren. Entlang der Straße befinden sich kleine, einfach gebaute Häuser und Geschäfte mit Wellblechdächern. Die Gebäude wirken eher bescheiden und zeigen Anzeichen von Gebrauchsspuren. Der Hintergrund zeigt weitere, ähnliche Gebäude und eine flache Landschaft mit wenigen Bäumen. Es scheint sich um eine eher einfache Bebauung zu handeln, die ein Bild des täglichen Lebens abgibt. Die allgemeine Stimmung ist ruhig und alltäglich, der Himmel ist klar und hell. Foto: Angela Ott / missio
Die Friedenssucher von missio und Bistum Mainz machen im muslimisch geprägten Teil Ghanas Halt. Sicht auf das Dorf Cheshe.

Deswegen suchten immer mehr junge Leute ihr Glück im wohlhabenderen Süden Ghanas, in Accra.

Aber viele scheitern dort. Junge Frauen werden missbraucht, geraten an gewalttätige Männer. Nur: Wenn sie dann ins Dorf zurückkehren, wollen sie ihr Scheitern nicht eingestehen. Nach Jahren in der Stadt haben ihre Ersparnisse gerade einmal ausgereicht, damit sie sich ein schönes Kleid kaufen oder einen modernen Gebrauchsgegenstand, zum Beispiel eine Kühlbox. Diesen Besitz zeigen sie dann stolz vor. Und obwohl es das Einzige ist, was sie aus der Stadt mitgebracht haben, gilt es im Dorf als Beweis, dass man es da draussen zu etwas bringen kann.

Father Boniface Maasoayele
 

Das Foto zeigt zwei Männer im Gespräch vor einer Tür in einem hellen, schlichten Gebäude. Der Mann links trägt ein dunkelblaues Hemd und einen Rucksack und ist ein Europäer. Der Mann rechts trägt ein weißes, langes Gewand und ist Afrikaner. Beide Männer schauen einander an und gestikulieren leicht. Der Hintergrund zeigt einen Korridor mit einfachen, aber sauberen Wänden und grün umrahmten Fenstern mit Gittern. Der Ort wirkt institutionell. Die Szene wirkt ungezwungen und freundlich, als wäre es ein informelles Gespräch. Die Farbpalette ist reduziert und dezent, was zur ruhigen Atmosphäre des Bildes beiträgt. Foto: Angela Ott / missio
Father Boniface Maasoayele im Gespräch mit Thomas Schneider. Der Priester arbeitet in einer Region, in der sehr viele Muslime leben.
Das Foto zeigt das Innere einer kleinen, einfach eingerichteten katholischen Kirche in einer ländlichen Gegend Afrikas. Die Wände sind hellblau gestrichen, der Boden ist aus Erde. Die Einrichtung ist bescheiden: Ein einfacher Altar aus Steinen mit einer Tischplatte, ein Tabernakel aus Steinen mit einem strohgedeckten Dach, ein paar Plastikstühle und ein einfaches Holzkreuz an der Wand. Ein Bildnis ist ebenfalls an der Wand zu sehen. Im linken Vordergrund ist ein Stehpult mit einem Gewand zu erkennen. Die Beleuchtung erfolgt durch Glühbirnen an der Decke. Das Foto vermittelt den Eindruck einer bescheidenen, aber würdevollen und funktionellen Gebetsstätte mit einfachen Mitteln errichtet. Foto: Andreas Lerbs / missio
Noch ist Ruhe in der Kirche Sankt Martin in Cheshe in Ghana. Hier in der Region gibt es nur wenige Kirchen.

Father Boniface predigt, wie man durch Liebe überraschen und Konflikte lösen kann

Zur Kirche St. Martin sind etwa 60 Menschen gekommen, darunter viele Kinder, die Geduld brauchen – und haben: Der Gottesdienst dauert mehr als zwei Stunden. Wird ein Kind müde, legt es sich auf den Fußboden und schläft. Father Boniface braucht Unterstützung hier in Cheshe: Die Gemeinde spricht Dagbani, das ist nicht Bonifaces Muttersprache. „Die liturgischen Texte kann ich sprechen, aber die Predigt halte ich lieber auf Englisch, damit ich sicher bin, dass ich etwas Sinnvolles sage.“ Die Lesungen übernehmen Männer und Frauen aus der Gemeinde, das Evangelium gibt es zweimal, und bei der Predigt hat Boniface immer einen jungen Mann als Dolmetscher neben sich.

Bisweilen spricht Boniface aber doch selbst auf Dagbani. Seine Predigt folgt keinem Manuskript, sondern er wendet sich direkt an seine Gemeinde, wenn er erklärt, was es bedeutet, dass man nach seiner rechten Wange auch die Linke hinhalten soll. Nämlich: Dass man seine Nächsten durch Liebe überraschen und dadurch eine schwierige, konfliktgeladene Situation lösen kann.

 

Das Foto zeigt einen jungen Mann in einem farbenfrohen Hemd, der einen großen, dunklen Vogel, möglicherweise einen Truthahn, in seinen Händen hält. Er lächelt und scheint den Vogel stolz zu präsentieren. Im Hintergrund sitzt eine ältere Frau auf einem Sofa und schaut auf ihr Handy. Der Raum ist einfach eingerichtet, mit einem Tisch, auf dem Essen steht, und einem kleinen Couchtisch mit drei Wasserflaschen. Der Boden ist aus Terazzo oder ähnlichem Material. Die Szene deutet auf ein informelles Treffen hin, möglicherweise in einem Gemeindezentrum in Afrika. Die gesamte Atmosphäre ist entspannt und freundlich. Foto: Andreas Lerbs / missio
Überraschung: Die Friedenssucher von missio und Bistum Mainz bekommen ein Huhn überreicht, dass sie für eine Pfarrhaushälterin in Tamale mitnehmen. Ein kleiner Hilfstransport.

Am Ende des Gottesdienstes werden wir Gäste aus Deutschland noch einmal besonders begrüßt, und Eva Baillie von der missio-Diözesanstelle Mainz dankt der Gemeinde für die freundliche Aufnahme. Während sie noch spricht, ist im hinteren Teil der Kirche plötzlich ein Gackern zu vernehmen. Und schon kommen zwei Vertreter der Gemeinde nach vorne und überreichen Eva stellvertretend für uns alle ein Huhn. Das ist ein großes Geschenk – Father Boniface hatte uns ja schon auf der Fahrt hierhin von der Armut der Dorfbewohner erzählt. Das passt zu der Predigt, in der es ja darum gegangen war, dass man seine Nächsten durch Liebe und gute Taten überraschen soll.

Muslimische Nachbarn helfen beim Bau einer neuer Kirche

Auf dem Rückweg machen wir übrigens noch einen Zwischenhalt in einem anderen Dorf. Auf einer freien Fläche liegen viele Lehmziegel. Hier, erklärt Father Boniface, soll eine neue Kirche gebaut werden. „Auch hier, wie überall in der Region, sind die Christen eine Minderheit“, sagt er. „Und diese Wenigen müssen jeden Sonntag stundenlang nach Cheshe laufen, wenn sie zum Gottesdienst wollen. Aber das Wunderbare ist, dass unsere muslimischen Nachbarn uns geholfen haben, die Ziegel zu brennen.“ So kann der Neubau der Kirche bald beginnen, und Boniface wird noch eine weitere Out Station, eine neue Außenstelle zu betreuen haben.

Dann fahren wieder in Richtung Tamale – mit unserem Huhn als weiterem Fahrgast, das wir dann am Ziel der Pfarrhaushälterin übergeben.

 


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