Angesichts der zahlreichen Kriege und Gewaltkonflikte weltweit erfährt seit einigen Jahren die Friedensforschung eine große Bedeutung und Aufmerksamkeit. Denn das Interesse um die Bedingungsfaktoren von Krieg und Gewalt einerseits und von Frieden und Gewaltfreiheit andererseits ist enorm gestiegen. Wie lassen sich Kriege, Konflikteskalationen und Gewalt verhüten, beenden und vermeiden? Und wie lassen sich Frieden, konstruktive Konflikttransformationen und Gewaltfreiheit fördern und unterstützen?
Auf diese Fragen suchen verschiedene theoretische, konzeptionelle und praktische Ansätze nach passenden Antworten. Einer dieser Ansätze war die Friedenskonferenz 2020, welche versucht hat eben jene Fragen zu thematisieren und zu beantworten.
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Die Friedenskonferenz 2020 widmete sich denjenigen Menschen und Initiativen, die sich Gewaltkontexten aktiv, mutig, kreativ und engagiert entgegenstellen. Sie entwickeln und verbreiten Friedensvisionen (Frieden denken), sie moderieren und gestalten Friedens,- Dialog- und Versöhnungsprozesse (Frieden machen), sowie konzipieren und ermöglichen friedens- und konfliktbezogene Bildungsveranstaltungen und Lernprozesse (Frieden lernen) und setzen gezielte Friedensprozesse überall in der Welt in Gang (Friedensprozesse am Beispiel Westafrika). Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zum friedlichen Zusammenleben in der Einen Welt. Diese vier zentralen Aspekte, Frieden denken, Frieden machen, Frieden lernen und Friedensprozesse am Beispiel Westafrika, bildeten in Form eigener Themenblöcke die Grundstruktur der Friedenskonferenz 2020.
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Die philosophisch-religiöse Dimension
Jeder Friedens-, Dialog- und Demokratisierungsprozess erfordert, Ideen, Visionen und Utopien. Jedes Friedenshandeln basiert auf ethischen, religiösen oder spirituellen Grundlagen und Werthaltungen. Ohne das damit verbundene Nachdenken über den Frieden ist ein nachhaltiger Frieden nicht vorstellbar. Um die Ferne des Friedens im Denken zu überwinden braucht es Friedensvisionen und einen intensiven Gedankenaustausch und Dialog über diese.
Was ist eigentlich Friede? Von der Gewaltabwesenheit zum kooperativen Prozess. (2:09 min)
— Professor Dr. Joachim Söder
Frieden und Sicherheit neu denken. (2:38 min)
— Ralf Becker
Hier finden Sie die ausführlichen Versionen der Impulsvorträge:
Der ökumenische Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens ist die gemeinsame Suche in einer Welt voller Konflikte, Ungerechtigkeiten und Schmerz, nach Möglichkeiten diese zu überwinden. Der Ökumenische Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens ist ein Weg mit Gott und führt über die Via Positiva, die Via Negativa und die Via Transformativa. Die Via Positiva ist der Ort, die Schöpfung zu feiern und die Wunder der Welt wahrzunehmen. Die Via Negativa führt uns an Orte des Schmerzes, an Orte, an denen man die Wunden der Welt spüren kann. Auf der Via Transformativa wird man verwandelt; es folgt die Erkenntnis: Krieg und Frieden beginnen in den Köpfen.
Manuela Vosen
Der Workshop „Friede als kooperativer Prozess“ zeichnete den Weg von Immanuel Kants philosophischem Entwurf „Zum Ewigen Frieden“ von 1795 bis zu den heutigen Herausforderungen in der multilateralen Zusammenarbeit nach. Prof. Söder legte dar, dass nach Kant Frieden auf den drei Ebenen der innerstaatlichen Organisation, der zwischenstaatlichen Beziehungen und der kosmopolitischen Existenz nicht als ein statischer Zustand zu verstehen ist, sondern nur als dauerhafter Verständigungsprozess stets neu zu schaffen ist. Mit den Prämissen der Freiheit, Gleichheit, Souveränität und Freizügigkeit führt das zu einem föderalen Modell der überstaatlichen Zusammenarbeit, wie es sich im Völkerbund und dann in der UNO realisiert. Herausforderungen für das Modell sind u.a. die geringe Durchsetzungsfähigkeit gegenüber Staaten, die auf Dominanz statt Verständigung zielen und die kulturelle Diversität innerhalb vieler heutiger Staaten im Kontrast zu Kants Vorstellung einer sprachlich-religiösen Einheit. Nur wo diese Herausforderungen durch Verständigung bewältigt werden, geschieht der Friede.
Burchard Schlömer
Ausgangspunkt für den Workshop ist die Entstehung, der Kontext und die wichtigsten Begriffe der Befreiungstheologie. Dabei wurde herausgearbeitet, dass die Befreiungstheologie ist eine neue Art Theologie zu treiben ist, die Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre im politischen und sozialen Kontext Lateinamerikas zunächst in den Basisgemeinden entstand. Es musste eine Antwort auf diese Frage gefunden werden: Wie findet man inmitten von Leid und Unterdrückung, unter denen die Armen leben müssen, eine angemessene Sprache über Gott? Die Befreiungstheologie ist eine kritische und systematische Reflexion der lebendigen Gotteserfahrung in der Welt der Armen. Diese Definition besagt, dass die Theologie als Reflexion immer erst der zweite Schritt ist. Der erste Schritt ist die historische Praxis in den Gemeinden. Die Theologie steht also unter dem Primat der Praxis. Wichtige Begriffe, die im Workshop reflektiert wurden, sind „Option für die Armen“; der „kapitalistische Markt als Götze“. Die Friedensethik der Befreiungstheologie wurde mit Hilfe von Zitaten aus der neuen Sozialenzyklika von Papst Franziskus „Fratelli tutti“ herausgearbeitet.
Dr. Michael Becker
Menschenrechte (human rights) sind ein elementarer Bestandteil des internationalen Völkerrechts, des Friedenssicherungsrecht und der internationalen Konfliktbearbeitung. Aber dies ist nur eine Perspektive. Eine andere Perspektive fokussiert jenseits rechtlicher Rahmen und Vereinbarungen die menschlichen Grundbedürfnisse (human needs). Von daher bietet es sich an, aus der Perspektive der grundbedürfnis-orientierten Konflikt- und Gewaltforschung Verletzungen von menschlichen Grundbedürfnissen auf verschiedenen Ebenen, vor allem im Zuge der aktuellen Covid-19-Pandemie zu analysieren. Die explizite Grundbedürfnisorientierung (als Ergänzung zur Menschenrechtsperspektive) ist fester Bestandteil zahlreicher Ansätze der internationalen Konflikttransformation. Insbesondere die jahrzehntelangen Forschungen und Konzeptentwicklungen von Johan Galtung sind dabei hilfreich, um Gewalt- und Konfliktdynamiken eingehender zu analysieren. Galtung benennt vier menschliche Grundbedürfnisse (basic human needs):
Diese vier Bedürfnisse stehen nach Galtung gleichwertig nebeneinander und unterliegen keiner hierarchischen Ordnung oder kausalen Logik.
Prof. Dr. Norbert Frieters-Reermann
Der Workshop „Interreligiöse Aspekte der Friedensarbeit“ wurde von Cora Bieß von der Berghof Foundation geleitet. In dem Workshop ging es insbesondere um die Thematik des Storytelling mit Peace Counts und das Projekt „Peace Education meets Religion” sowie das im Projekt erstellte gleichnamige Handbuch für Multiplikator*innen. Das Storytelling mit Peace Counts hat die spezielle Zielsetzung, Lernprozesse über Friedensförderung zu initiieren, eine konstruktive und lösungsorientierte journalistische Berichterstattung zu fördern sowie die Vernetzung der Friedensstifter*innen und ihrer Organisationen und Projekte untereinander zu stärken. Als Beispiel wurde von Frau Bieß eine Peace Counts Reportage aus Nigeria zur Verfügung gestellt. Anhand dieser sollten die Teilnehmer*innen die Methode der Konflikttransformation einmal gemeinsam durchexerzieren. Dabei tauschten sich die Teilnehmer*innen zusammen mit Frau Bieß zu den einzelnen Abschnitten Konfliktethos, Konflikttransformation und Friedenethos bezogen auf die Reportage aus. An dem Workshop haben 18 Personen teilgenommen.
Milan Ivić
Die politisch-zivilgesellschaftliche Dimension
Konstruktive Konfliktbearbeitung und Friedensförderung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und erfordert konkretes Friedenshandeln auf verschiedenen Ebenen. Weltweit wurden in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche zivilgesellschaftliche Ansätze der Gewaltprävention und Konflikttransformation erprobt und weiterentwickelt. Ihre Bedeutung für die Begleitung und Gestaltung von Friedens-, Dialog-, Versöhnungs- und Demokratisierungsprozessen kann gar nicht deutlich genug hervorgehoben werden.
Umgang mit gewaltbelasteter Vergangenheit (2:54 min)
— Dr. Friederike Repnik
Hier finden Sie die ausführliche Version des Impulsvortrages:
Professor Zinyemba gab einen Überblick über den Konflikt in Afghanistan mit einem Schwerpunkt auf den jüngsten drei Friedensverhandlungen. USA-Taliban Peace Talks, Pakistan-Taliban Peace Talks, Afghanistan-Taliban Peace Talks. Die Teilnehmer aus verschiedenen Ländern interessierten sich besonders dafür, wie andere Länder in Krisensituationen (z.B. Konflikt um Staats- und Sprachgrenzen in Kamerun, Israel-Palästina Konflikt) von dem Friedensprozess lernen können. Kritisch angefragt wurde, ob der Westen echtes Interesse an einem Friedensprozess habe, da Waffenproduzenten -und Händler von gewaltsamen Konflikten profitieren. Einprägsames Zitat aus dem Chat. „Fratelli Tutti echoes Isaiah 11: 6-9 call for building relationships particularly when the world feels so politically divided. This will help heal the divide.”
Dr. Eva Baillie
Thema des Workshops waren verschiedene Aspekte von Versöhnung. Schon die Wortherkunft (romanisch: Ausgleich, germanisch: Genugtuung, Wiedergutmachung) zeigt Unterschiede.
Die Teilnehmenden tauschten sich über ihr Versöhnungsverständnis und darüber aus, was Verzeihung von Versöhnung unterscheidet.
Verschiedene Ebenen von Versöhnung definiert der kolumbianische Jesuit Mauricio García Durán: Versöhnung a) mit mir, b) mit Gott, c) mit anderen und d) mit der Schöpfung.
Entsprechend der Vielschichtigkeit sind in Postkonfliktsituationen verschiedene Schwerpunkte an den Einsatzorten der AGIAMONDO-Fachkräfte des Zivilen Friedensdienstes gefragt:
Wie wichtig Perspektivwechsel sind, wurde in einer Übung deutlich, bei der die Teilnehmenden je eine Perspektive als Opfer, als Täter/innen oder Zuschauende einnahmen und zum Ausdruck brachten.
Thomas Hoogen
EIRENE unterstützt mit ihrem Projekt „Starke NachbarInnen“ Geflüchtete und deren Umfeld in Deutschland beim Umgang mit Konflikten. In Workshops, Seminaren, öffentlichen Veranstaltungen und Fortbildungen erlernen Geflüchtete, sowie Personen aus deren „Nachbarschaft“ einen konstruktiven Umgang mit Konflikten, wodurch ein friedliches Zusammenleben und eine bessere Integration ermöglicht werden. Die Referenten Bilas Almasri, Iyad Asfour und Kirsten Steinhoff- Fahadi von EIRENE, zeigten in ihrem Workshop interaktiv die Methoden und Übungen auf, welche sie in ihren Seminaren anwenden. Die Bildungsarbeit setzt sich zusammen aus einer Mischung von Übungen zur Gewaltfreier Kommunikation, Interkultureller Kommunikation und anti-rassistischer Bildung.
Monika König
Vermutlich kennt sie jeder, Momente, in denen sprichwörtlich „die Schuppen von den Augen fallen“. Situationen aus der Vergangenheit erscheinen vor dem Hintergrund neuer Erkenntnisse (vermeintlich) klar und deutlich. Geht es dabei um konfliktive Situationen, werden die Ereignisse nicht selten so tradiert, dass sie die eigene Position stärken und die Gegenseite bloßstellen. Dabei gilt: Je größer der Konflikt, desto stärker und selbstreferenzieller das Narrativ.
Spätestens seit dem Euromaidan herrscht im Osten der Ukraine ein erbitterter Krieg zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischen Truppen. Der Krieg wird durch den heiklen Konflikt religiöser, ethnischer, geographischer und historischer Narrative befeuert. Wie aber gelingt es, solche „narrativen Konflikte“ zu lösen? Organisationen wie die OSCE setzen auf Dialog, genauer gesagt auf „narrativen Dialog“. Dabei wird nicht der Konflikt als solcher als das eigentliche Problem gesehen, sondern der Abbruch von Dialog zwischen den Konfliktparteien. Ziel ist es daher, Menschen der gegnerischen Parteien miteinander in Dialog zu bringen und so einen Raum zu eröffnen, in dem Bewusstsein für die Position und Narrative der jeweils gegnerischen Partei wachsen kann und gegensätzliche Perspektiven koexistieren dürfen.
Das Konzept setzt auf Kommunikation, denn alles menschliche Erleben ist sprachvermittelt, so auch Wege zum Frieden.
Johannes Duwe
Als „kollektives Trauma” wird eine bewusste oder unbewusste identitätsstiftende Traumatisierung von Kollektiven (Familien, ethnischen, sozialen und religiösen Gruppierungen und Gemeinschaften) verstanden. Frau Dr. Cordula Reimann bettete dieses wichtige aber dennoch oft übersehene Thema in ihrem Workshop, durch den Bezug auf die Friedensförderung, in den Rahmen der Friedenskonferenz ein. Als eine andere Perspektive und gleichzeitig eine Erklärung für langandauernde hartnäckige Gewaltkonflikte, sowie ein holistischeres und vollständigeres Verständnis von Gewaltdynamiken spielt die Thematik des „Kollektiven Traumas“ nämlich eine große Rolle. Sie bietet neue Einstiegspunkte für die Friedensförderung und kann eine kritische Reflektion über diesen Bereich fördern. Konkret bedeutet das die Auseinandersetzung mit Punkten wie Trauma-Sensitivität, dem Biographischen Arbeiten im Sinne von Don Bar-On („To Reflect and Trust“), Arbeit mit Körper und Unbewusstsein über Sport, Kunst & Theater, oder auch der Konfliktanalyse. Dr. Cordula Reimann schaffte gleichzeitig zu Beispielen der konkreten Anwendung auch einen theoretischen Rahmen und definierte „Kollektives Trauma“ in Bezug auf „Collective Mind-Sets“, „Collective Emotions“ und „Collective Narratives“. Die Teilnehmer des Workshops bekamen außerdem abschließend die Möglichkeit zu Fragen nach den Formen von kollektiver Traumatisierung in unserer eigenen Gesellschaft, oder den Zugängen und Ansatzpunkten zur Transformation von kollektiver bzw. transgenerationeller Übertragung von Traumatisierung, offen in Diskussion zu treten.
Arnd Wiederhold
Pax Christi Aachen: Jung und friedensbewegt: Internationale Friedensdienste mit Zukunft? Unter diesem Motto diskutierten wir Herausforderungen und Chancen für die freiwilligen Friedensdienste für junge Erwachsene und erforschten anhand kurzer Interviews mit ehemaligen Freiwilligen auch Antworten auf die Frage: Wie viel Frieden steckt in Friedensdiensten?
Deutlich wurde uns so, dass sich die Freiwilligen während ihres Dienstes intensiv mit Friedensfindung auseinandergesetzt haben und eine Vorstellung entwickeln konnten, wie sie zum Frieden beitragen können. Gleichzeitig stellten wir gemeinsam fest, dass ein Kennenlernen, Austausch und Versöhnung nicht nur mit Ländern des globalen Südens stattfinden muss, sondern eben auch mit unseren Nachbarstaaten, die wir nur vermeintlich gut kennen.
Mehr zu den Friedensdiensten von pax christi und die Videosequenzen mit den ehemaligen Freiwilligen sind auf www.pax-friedensdienste.de zu finden.
Sr. Ida Haurand
Die pädagogische Dimension
Die Bedeutung friedenspädagogischer Bildungsprozesse ist in den letzten Jahren weltweit signifikant gestiegen. Bei der Vorbeugung, Überwindung und Nachbereitung gewaltvoller Konflikte wird der Friedenspädagogik zunehmend eine Schlüsselfunktion zugeschrieben werden. Denn die lebenslauf-begleitende Entwicklung einer umfassenden Friedenskompetenz ist unverzichtbar, um Menschen zu befähigen, den globalen Herausforderungen für Frieden und Sicherheit zu begegnen und innergesellschaftliche Friedens- und Dialogprozesse zu fördern.
Ist Friedensbildung in einer Welt organisierter Friedlosigkeit überhaupt möglich? Die Bedeutung von Friedenskompetenzen in einer unfriedlichen Welt. (3:00 min)
— Professor Dr. Norbert Frieters-Reermann
Hier finden Sie die ausführliche Version des Impulsvortrages:
„Peer Mediation“ (Gruppen-Mediation), ein pädagogisches Mittel der Konfliktlösung, ist das zentrale Element, mit dem Father Anto in Nagaland (Nord-Ost-Indien) versucht, Konflikte vor allem von Schülern und Studenten auf friedliche Art und Weise zu lösen. Dazu bildet er junge Freiwillige aus, die die Rolle des Mediators übernehmen. Wie in der Mediation üblich, muss eine Mediation zwischen zwei Streitparteien und freiwillig erfolgen, der Mediator bzw. die Mediatorin muss anerkannt sein und der Wille zur Konfliktlösung vorhanden sein. Dann dürfen beide Seiten ihre Sichtweisen darlegen, es wird nach einer tragfähigen Lösung für beide Seiten gesucht, diese wird schriftlich festgehalten und dann nach einer angemessenen Zeit wieder überprüft. In Nagaland, eine Provinz, in der die Konflikte Nord-Ost-Indiens wie in einem Brennglas gebündelt werden, wachsen so junge Menschen heran, die erfahren und trainiert in der friedlichen Konfliktlösung sind und die ihrerseits wieder Multiplikatoren sein können.
Dr. Martin Stauch
Die Referentinnen Dagmar Nolden und Anne Kruck geben im Workshop Einblick in die praxisnahen Ansätze eines mehrjährigen friedenspädagogischen Projekts der Berghof Foundation in Jordanien. In der Region des Flüchtlingslagers Zaatari entwickelte das entsandte Projektteam gemeinsam mit den Menschen vor Ort Projekte mit dem Ziel der Sensibilisierung für ein Frieden förderndes zivilgesellschaftliches Zusammenleben. Angestrebt wurde die Verankerung der Grundwerte von Gewaltfreiheit, Toleranz, gegenseitigem Respekt und Teilhabe im jordanischen Bildungswesen. KooperationspartnerInnen waren dabei Verantwortungstragende vor Ort, v.a. Lehrende von Schulen, Hochschulen und NGOs. Die konkreten Methoden und Werkzeuge der Friedensarbeit wurden gemeinsam mit ihnen entwickelt. Die interkulturelle Zusammenarbeit verlangte eine hohe Sensibilität, angefangen bei der Übersetzung des Begriffs „Frieden“, der im Kontext der Menschen vor Ort in der wörtlichen Übersetzung als „Befriedung/ Unterwerfung“ verstanden wurde. Konkrete Methoden der Friedensarbeit wurden in Workshops mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen umgesetzt, etwa theaterpädagogische Elemente und Biographiearbeit zur Reflexion von Handlungsmustern, Rollenbilder und gesellschaftlichen Strukturen. Durch die Arbeit mit den KooperationspartnerInnen auf institutioneller Ebene und die Einbindung der Inhalte in die Bildungsarbeit der Schulen, Hochschulen und NGOs kann die Friedensarbeit auch noch offiziellem Ende des Projekts vor Ort eigenständig weitergeführt werden.
Die Berghof Foundation ist eine unabhängige und gemeinnützige Nichtregierungsorganisation. Sie unterstützt Konfliktparteien und andere Akteure in ihren Bemühungen, durch Friedensförderung, Friedenserziehung und Konflikttransformation politischen und sozialen Wandel sowie dauerhaften Frieden zu erreichen. Weitere Informationen zum Projekt.
Magdalena Onyango
Martina Freise von gewaltfrei handeln e. V. leitete den Workshop „Zuhören – empathisch kommunizieren“. Die Teilnehmer*innen in dem Workshop befassten sich unter anderem mit Selbstempathie und Empathie für die Mitmenschen. Zu Beginn sollten die Teilnehmer*innen an einer Bedürfnis-Übung teilnehmen, um sich anschließend darüber auszutauschen, welche Gefühle da sind, wenn bestimmte Bedürfnisse erfüllt oder unerfüllt sind. Nach der Übung zur Selbstempathie ging es um die Empathie für das Gegenüber, also um das achtsame und wertschätzende Zuhören. In Kleingruppen sollten die Teilnehmer*innen sich gegenseitig von Momenten, in denen Sie sehr besorgt/zufrieden/berührt waren, erzählen. Die anschließende Reflexion des Austausches diente dazu, dass die Teilnehmer*innen erfahren, dass gewaltfreie Kommunikation ein Wechselspiel von Selbstempathie und Fremdempathie ist. Die Kür dabei sind „Ich-Botschaften“, in denen man eigene Gefühle & Bedürfnisse benennt sowie (wirkliche!) Bitten und Wünsche. Es sollen eher Fragen gestellt und versucht werden, das Gegenüber zu verstehen. Der Workshop war auf eine Gruppengröße von 15 Personen begrenzt.
Milan Ivić
Seit 2003 haben mittlerweile 280 Teilnehmer*innen aus 30 afrikanischen Ländern die Friedensuniversität besucht, davon 31 % Frauen. An dieser jährlichen „Sommeruniversität“ in wechselnden Ländern findet während der dreiwöchigen Dauer aktiver Unterricht von internationalen Ausbilder*innen in Verbindung zur lokalen Friedenspraxis statt Die TN sind bereits in der Friedensarbeit engagiert und lernen hier, ihre bisherigen Erfahrungen eingehend zu reflektieren, neu zu strukturieren und in einen vertieften, konzeptionellen Zusammenhang zu stellen. Nach dem Kursende begleitet die Friedensuniversität den/die TN mit einem einjährigen Coaching bei der Anwendung des Gelernten im jeweiligen institutionellen Kontext und Verantwortungsbereich.
Mehrere internationale Friedenspreise unterstreichen die Bedeutung und die Qualität dieses Projekts, das auch von missio bezuschusst wird.
Kontakt: apte@apte-net.de
Georg Poddig
Wie geht eigentlich Frieden? Das ist eine zentrale Fragestellung bei der Arbeit des ForumZfD an Schulen. Aber wie spricht man mit Kindern und Jugendlichen darüber? Ein Theaterworkshop, ein Film, z. B. über den Nahostkonflikt oder eine Friedenslauf können Impulse sein, um ins Gespräch zu kommen. Aus welchen Gründen sind Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen? Wie hängen Fluchtursachen mit unserem Lebensstil und unser Konsumverhalten zusammen? Mit welchen Problemen sehen sich Geflüchtete bei uns in Deutschland konfrontiert? Wie sieht die Lebenswirklichkeit von Menschen in Konfliktregionen aus? Wie setzen sich Gleichaltrige in Konfliktregionen für ein friedlicheres Miteinander ein? Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen, führt früher oder später zu einer anderen Frage: „Was können wir für eine friedlichere Welt tun?“
Manuela Vosen
Beispiel Westafrika
Was ist schon Frieden, wenn er nicht real ist? Besonders der Blick nach Westafrika zeigt: Frieden funktioniert nicht ohne Menschen, die die Initiative ergreifen. Dort, wo Menschen täglich von Terror bedroht sind, ist Frieden ein kostbares Gut. „Boko Haram hat den Graben zwischen Christen und Muslimen geweitet. Wir aber wollen Christen, Muslime und Menschen verschiedener Stämme vereinen und in Frieden zusammenleben“ so missio-Partner Bischof Stephen Mamza. Die Botschaft aus Westafrika ist mehr als deutlich: Frieden durchbricht religiöse, ethnische und persönliche Grenzen und wird so zu einem Dialog des Lebens.
Die beiden Referenten stellten die Arbeit von CETOTAPS in der Upper West Region von Ghana (ca. 700.000 Einwohner) vor. Schwerpunkt waren die Trainingseinheiten zur Konfliktlösung mit jungen Menschen und im Schulkontext, sowie der Fokus auf „Leadership Training”, wurden doch die schlechten Führungsqualitäten als größte Gefährdung von Friedensprozessen in Konflikten um Religion, Ethnie und Landbesitz identifiziert. Für die Teilnehmer des digitalen Workshops war es besonders interessant, die Methoden des Trainings kennenzulernen und die praktische Umsetzung von versöhnungspolitischen Ansätzen in einem konkreten Kontext.
Dr. Eva Baillie
Father Isaac Vasumu Augustine von der Katholischen Universität Leuven gewährte tiefe Einblicke in die multireligiöse Situation Nigerias und referierte über religiösen Fanatismus sowohl auf christlicher als auch muslimischer Seite. Fr. Isaac machte deutlich, kein Frieden ohne Dialog der Religionen, der immer auch ein nach innen gerichteter Appell an die eigenen Gläubigen sein muss. Peacebuilding Prozesse in Nigeria können nur unter Einbeziehung der religiösen Akteure von Erfolg gekrönt sein. Die Adressaten müssen in verschiedenen Sektoren der nigerianischen Gesellschaft erreicht werden. Zu nennen bleibt hier der Bildungs- und Gemeindesektor, welcher in dem Flächenstaat eine wichtige Rolle spielt, gerade in den Regionen, die von der Zentralregierung nur nachlässig erreicht werden. Eine der geeignetsten Plattformen bildet das „Nigerian Inter Religious Council“, in dem Vertreter der großen Religionen zusammen kommen und die nationale Situation Nigerias aus religiöser Perspektive thematisieren. Die friedliche Koexistenz in Nigeria ist im höchsten Maße von religiöser Interaktion und Verständigung abhängig.
Philipp Schröder
Der Workshop begann mit einer Reflexion über die Ambivalenz von Religion, die sowohl Friedensstifter und –erhalter, als auch Ursache für Gewalt sein kann. Zunächst wurden allgemein die verschiedenen Ursachen von Gewalt untersucht, wobei politische Motive, wirtschaftliche Interessen, Ideologische Faktoren und externe Einflüsse sowohl einzeln als auch kombiniert eine Rolle spielen können. An den Beispielen der afrikanischen Länder Tansania, Côte d’Ivoire, Tschad und Mali wurden die ganz unterschiedlichen Kontexte für das Verhältnis von Religion und Gewalt, Religion, Ethnizität und (schwacher) Staat, sowie die wirtschaftlichen (Ackerbauern/Rinderhirten), politischen (geostrategische Interessen von Frankreich USA, China) und religiös-ideologischen (Fundamentalismus) Kontexte erläutert. Im Hinblick auf die friedensstiftende Rolle der Religionen wurde im Anschluss auf die zentrale Bedeutung des interreligiösen Dialogs und seiner Elemente (Information, Sensibilisierung, Stellungnahmen, Standards) und die Vorbildfunktion religiöser Führungspersönlichkeiten hingewiesen. Dabei kristallisieren sich die Notwendigkeit einer kritischen Selbstüberprüfung der Religionen sowie die aktive Gewaltlosigkeit als gestaltende Kraft der Konvivenz heraus.
Dr. Michael Becker
Frieden Tun: FriedensaktivistInnen aus 30 afrikanischen Ländern mobilisieren sich, um mit ihren praxiserprobten Kompetenzen der Gewaltfreiheit und der zivilen Deeskalation lokale Gemeinschaften in ihrem Friedens- und Versöhnungswillen aktiv und über mehrere Monate hinweg vor Ort zu begleiten. Der Workshop präsentiert die Entstehungsgeschichte, das Konzept und die Erfahrungen des von der deutschen Entwicklungsagentur APTE getragenen Programms INOVAR. Seit 2010 wird das Programm als Gegenentwurf zu obsoleten militärischen „Friedens“missionen von lokalen Verantwortlichen eingeladen: Frauen- und Jugendgruppen, Priester und Imame, Bürgermeister und Polizisten werden über die ermutigenden Präsenz der Friedensteams zu lokalen Friedensbauern: befähigt der Gewalterfahrung soziale Resilienz gegen Zerstörung, Spaltung und Rache entgegenzusetzen. Im offenen Forum der letzten halben Stunde teilen die Teilnehmenden dazu ihre Erfahrungen eigener Friedensarbeit und formulieren Hinweise und Anforderungen an ein weiteres Wirken des Programms.
Hubert Heindl
„Nigeria na war“ ist eine gängige nigerianische Floskel im Alltagsenglisch und bedeutet so viel wie „Nigeria ist im Krieg“. Ob mit anderen Ländern oder in der Familie, ob in der Stadt oder auf dem Land, jeden Tag müssen sich die Menschen in Nigeria für kriegsähnliche Alltagseinsätze wappnen. Sr. Christiana hat gleichzeitig analytisch und emotional die katastrophale Lage Nigerias geschildert und damit die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, darunter eine 10. Schulklasse, gepackt. Der Ansatz der promovierten Ordensschwester und Theologin zur Überwindung der Kriegsgedanken ist ein „Entlernen“, ein „de-learning“, des Krieges bei der Jugend. Dem muss ein nationaler Erziehungspakt aller an der Erziehung beteiligten gesellschaftlichen Gruppen folgen. Dafür setzt sie sich ein.
Dr. Martin Stauch
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