Ingrid Janisch arbeitet beim Institut St. Boniface in Goma in der Demokratischen Republik Kongo. Hier erzählt sie, wie die Lage in dem zentralafrikanischen Land momentan ist.
Ganz herzlich grüße ich Sie aus Goma, wo wir bis jetzt mit nur einem positiv getesteten Corona-Fall noch nicht unter totalem Hausarrest sind.
Wie Sie vielleicht wissen, sind die ersten drei Fälle im Kongo am 10. März in Kinshasa registriert worden und am 19. März deklarierte unser Präsident den sanitären Notstand, d.h. alle Schulen und Universitäten im Land sowie alle Kirchen und Kultstätten wurden für vorerst vier Wochen geschlossen. Seitdem leben wir „von Tag zu Tag“ in ansteigender Spannung - ob der Coronavirus sich wohl auch woanders als nur in Kinshasa ausbreiten wird.
Wir versuchen die vielen „falschen Hiobsbotschaften“ oder - modern ausgedrückt - „Fake News“ der sozialen Netzwerke, besonders über Whatsapp, von den offiziellen seriösen Nachrichten zu unterscheiden und so gut wie möglich „normal“ weiterzuleben und zu arbeiten, damit die allgemein ansteigende Angst uns nicht schon vor dem Coronavirus krankmacht.
Die Grenze zum Nachbarland Ruanda ist seit dem 21. März geschlossen und alle internationalen Flüge mit Ethiopian Airways ab Goma sowie die Flüge (außer Cargotransporte) nach Kinshasa wurden eingestellt, da dort die Corona-Pandemie nun schon sehr verbreitet ist mit bis heute 123 Fällen und 11 Toten.
Es sind die Armen in den Randgebieten der Stadt die jeden Tag für ein Überlebensminimum schwer arbeiten und kämpfen müssen, die am meisten betroffen sind.
In der Grenzzone (Niemandsland) zwischen Ruanda und Kongo, wo die offizielle und die „grüne“ Grenze seit dem 21. März geschlossen sind, wagen es immer wieder Menschen aus der Überlebensnot heraus unter Lebensgefahr bei Tag oder besonders auch bei Nacht diese Grenze zu überschreiten; sowohl von der einen wie der anderen Seite, um mit Lebensmitteln zu handeln für eine kleine tägliche Überlebensration.
Entweder sie riskieren dafür ins Gefängnis gebracht zu werden als „illegale Grenzgänger“ oder aber, wie vor ein paar Tagen fünf Frauen passiert ist, dass sie von den Grenzsoldaten erschossen werden.
Der Preis „ein Menschenleben“ nur dafür, dass sie etwas Gemüse in Goma verkauft haben, um mit dem Erlös die hungrigen Kinder Zuhause ernähren zu können.
Das überfüllte Stadtgefängnis von Goma ist auch in großer Ansteckungsgefahr: Mit seinen über 2.000 Insassen ist es überfüllt ohne ausreichende Hygienemaßnahmen, das heißt: oftmals kein Wasser und die Seife ist ein „Extra-Luxus“, wenn der Magen leer ist (die erhaltene Seife wird darum oftmals sofort verkauft gegen eine kleine Essensration).
Wir hoffen hier im Kongo immer noch gegen alle Hoffnung, dass uns „das Schlimmste“ erspart bleiben wird, da eine totale Ausgangssperre für unsere arme kongolesische Bevölkerung, die jeden Tag fast nur „von der Hand in den Mund lebt“ eher den Hungertod als den Coronatod bedeutet!
Wir hoffen, dass die vielen „Viren“ (Ebola / Rebellen und jahrelange Unsicherheitslage im Inland / Kidnapping / Korruption auf allen Ebenen der Gesellschaft in Politik, Justiz und Handel) mit denen wir hier alltäglich kämpfen müssen, unsere Resilienzfähigkeit ausreichend gestärkt haben, um auch die Coronavirus-Pandemie hier besiegen zu können.
Eine meiner kongolesischen Mitschwestern, Wivine Mitima, arbeitet im Armenviertel von Birere in einem Ernährungszentrum mit Armenküche, wo viele unterernährte Kinder, alte Menschen, Aidskranke und sozialschwache Familien ambulant betreut werden. Auch dieses Zentrum musste jetzt geschlossen werden, wegen der Notmaßnahmen zur Coronavirusbekämpfung. Aber an zwei Tagen in der Woche kommen die Leute noch für eine Trockenration, die sie dann Zuhause kochen können. Dies ist auch nur möglich dank lieber Freunde und Spender aus Deutschland.
Meine deutsche Mitschwester Margarita Kathrin Maier, die ehrenamtlich als Krankenschwester im Gefängnis arbeitet, verteilt dank erhaltener finanzieller Unterstützung aus Deutschland regelmäßig Maispulver, Zucker und Öl, womit die Gefangenen, besonders die, die in einem kritischen Krankheitszustand sind und an Unterernährung leiden, sich damit in einer internen Gefängnisküche ein vollwertiges Maisbreigetränk kochen können - und auf diese Weise wenigstens vor dem Hungertod gerettet werden.
Wir haben hier noch das Glück in den geistlichen Gemeinschaften unserer Diözese in kleinem privaten Rahmen die Heilige Messe Zuhause feiern zu können, sowie abends auch Eucharistische Anbetung zu halten. Dies gibt uns bis jetzt immer wieder neu die Kraft, die Herausforderungen eines jeden neuen Tagens anzunehmen und mit Hoffnung im Herzen zu ertragen. Weil wir in dieser Situation nicht alleingelassen sind, sondern der Herr Jesus Christus das Kreuz mit uns trägt und uns den Weg zum ewigen Leben durch seine Auferstehung bereitet hat.
Sr. Ingrid Janisch, Goma (DR Kongo)
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