Der zweite Konferenztag startet mit vollem Elan. Das Team ist bereits eingespielt und man blickt gespannt auf die bevorstehenden Vorträge. Zunächst steht die politisch-zivilgesellschaftliche Dimension im Vordergrund. Am Nachmittag geht es um die Friedenspädagogik. Die Internationale Friedenskonferenz macht ihrem Namen alle Ehre. Zahlreiche Partner aus aller Welt werden per Videokonferenz hinzugeschaltet. Auch ihr Input darf nicht fehlen. Das heutige Motto: Frieden machen und Frieden lernen. Es wird konkret.
Die Impulsreferate beginnen mit geballter Frauenpower. Den Aufschlag macht Dr. Frederike Repnik von AGIAMONDO. Während gestern noch über Friedenstheorien philosophiert wurde, kommen jetzt praktische Tools auf den Tisch. So zum Beispiel der Austausch über das Erlebte und der Prozess der Wahrheitsfindung. „Gewalt und ihre Folgen sind nicht abstrakt, sondern immer konkret und kontextuell. Auch die Auseinandersetzung muss konkret und kontextuell sein. Einen Masterplan gibt es nicht.“, betont Dr. Frederike Repnik. Friedensprozesse seien in jedem Land unterschiedlich und können nicht einheitlich vorgezeichnet werden. Wohl aber die Herangehensweise. Denn nur wenn Aufarbeitungsprozesse inklusiv und partizipativ gestaltet werden, könne wirkliche Versöhnung beginnen. An dieser Stelle kommen die Religionen erneut ins Spiel. „Die Religionsgemeinschaften liefern tragfähige Beziehungsangebote“. In Drucksituationen müssen sich Organisationen häufig zurückziehen. Die Kirche bleibt. Das schaffe Vertrauen. „Daher ist es zentral in Prozessen der Gewaltversöhnung Religionsgemeinschaften mit einzubeziehen und bewusst zu fördern. Das System Weltkirche verfügt über einen großen Erfahrungsschatz.“ Genau diesen gelte es für den Frieden zu nutzen.
Um den Erfahrungen aller Konfliktparteien gerecht zu werden, müssen Lösungsansätze alle Perspektiven mit einbeziehen. Opfer wie Täter dürfen zu Wort kommen. „Wir müssen Dialogräume schaffen und die Gleichzeitigkeit von unterschiedlichen Erfahrungen und Erinnerungen zulassen“, fordert Repnik.
Ein Ansatz, um Konfliktbewältigung ganzheitlich zu betrachten, ist die Capacitar-Methode aus Lateinamerika. Gegründet auf dem Leitsatz: „Let there be peace on earth and let it begin with me – Frieden sei auf Erden und er beginne bei mir.“ Gemeint ist, durch Formen der Meditation und des Thai Chi sich selbst zu reflektieren und in den eigenen Körper hineinzuhorchen. Dadurch wird ein innerer Prozess zur Heilung angestoßen.
Ein weiterer Ansatz kommt aus Indien. Peer Mediation ist ein wirksames Tool, um Konflikte im Dialog auf Augenhöhe anzugehen und Regeln des respektvollen Umgangs zu verinnerlichen. „Konflikte sind gut, wenn sie funktional sind“, erklärt Father Dr. Chowaram Paul-Anto, Leiter des Peace Channels in Nagalnd, Nordostindien. Sie bergen immer auch die Chance, sich weiterzuentwickeln.
Der dritte Block dieser Friedenskonferenz trägt den Titel Frieden Lernen. Im Fokus steht eine Bildungsarbeit, die Kompetenzen zur Friedensherstellung und -Erhaltung vermittelt. Eine Kompetenz, die heutzutage dringend gebraucht wird. „Friedenspädagogik ist in genau diesen schwierigen Zeiten ein Gebot der Stunde“ unterstreicht Prof. Uli Jäger von der Berghof Foundation. Gemeint sind die weltweite Corona-Pandemie, Terrorismus, Verunsicherung und zahlreiche lokale Konfliktherde. „Wir können versuchen, die Friedensidentitäten von Menschen zu fördern. Menschen sollen sich als handelndes Subjekt verstehen, das zum Frieden beitragen kann. Eine der schönsten und schwierigsten Aufgaben ist es, diese Identitäten zu stärken.“ Genau darin bestehe die Chance der Friedenspädagogik.
Prof. Dr. Norbert Frieters-Reermann, Professor für Fachwissenschaft und Soziale Arbeit an der Katholischen Hochschule Aachen, zeigt dabei drei Ebenen der Friedenspädagogik auf. Bildung über Frieden, Bildung für Frieden und Bildung durch Frieden. „Bildung ist nicht per se friedensstiftend“, stellt er klar und verweist dabei auf die bewusste Ausrichtung der Bildungsarbeit auf die Herstellung des Friedens.
Am Ende dieser drei Themenblöcke stellt sich nun die Frage nach uns selbst. „Können wir selbst Frieden haben, wenn es anderen Menschen nicht so geht und unser Friede sich gar auf den Unfrieden von anderen stützt?“, fordert Bona-Sande Späker die Teilnehmenden der Konferenz heraus. Eine weitreichende Frage, denn sie tastet meinen eigenen Handlungsspielraum an. Auch Prof. Uli Jäger greift diesen Gedanken auf. „Friedenspolitik beginnt immer mit der Arbeit an der eigenen Haltung von ein jedem, der an den Friedensprozessen beteiligt ist.“ Das gilt sowohl für Konfliktparteien in Übersee als auch für meine Lebenswirklichkeit.
Mit dieser Konferenz machen wir ein Angebot, dass man den Frieden nicht nur denken, fühlen und lernen, sondern auch handeln kann.“, ermutigt Jäger, den eigenen Handlungsspielraum wahrzunehmen und einzusetzen. Denn Frieden betrifft jeden. Ganz nach dem Motto: Friede sei auf Erden und er beginne bei mir.
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