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Angola: Unser Herz wird von Gefühlen der Ohnmacht erfasst

Immer wieder erhebt Papst Franziskus seine Stimme und ruft zu einer Globalisierung der Solidarität und Nächstenliebe auf. In Zeiten von Corona bekommt dieser Appell eine neue Bedeutung. missio steht auch in diesen Zeiten der weltweiten Pandemie in engem Kontakt mit seinen Projektpartnern in Afrika, Asien und Ozeanien, die besonders von der Pandemie betroffen sind. Dr. Marco Moerschbacher sprach mit Pater Modeste Modekamba SJ, der in Luanda tätig ist.

Wie hat die Covid-19-Pandemie das Leben der Menschen in Ihrem direkten Umfeld (in Ihrer Nachbarschaft) verändert?

Vor zwei Wochen haben in der Stadt, in der ich lebe, die Kirchen endlich wieder ihre Türen geöffnet, und seit dieser Woche sind auch die Schulen und Universitäten wieder geöffnet. Ich spreche von Luanda, der Hauptstadt von Angola, wo ich als Missionar tätig bin. In Angola konzentrieren sich die meisten der positiv auf Covid-19 diagnostizierten Fälle auf Luanda. Die Welt um uns herum hat sich in der Tat deutlich und sichtbar verändert, und nichts wird mehr so sein wie vorher. Die Menschen sind hinter Masken versteckt, selbst vertraute Gesichter erkennt man nicht mehr auf den ersten Blick. Auch die Stimmen hören sich anders an. Die fröhliche Stimmung in den belebten Vierteln existiert nicht mehr, die Straßen sind leer. Auf alles muss man aufpassen: Personen, Oberflächen, die man nicht berühren soll, öffentliche Plätze, die Art, wie man Freunde besucht oder zu Hause empfängt – das Zusammenleben steht immer im Schatten von Covid-19. Das Virus hat alles verändert. Und was besonders traurig ist: anfangs dachten wir, das Virus sei weit weg, aber mit und mit zählen uns lieb gewesene Menschen zu den Opfern der Krankheit. Freunde haben ihre Eltern verloren und es gibt keine Beerdigungszeremonie. Sie mussten am Telefon Abschied nehmen, ohne sich umarmen zu können. Ärzte haben Angst und verschicken Abschiedsworte, denn sie mussten ohnmächtig zusehen, wie Ihnen Patienten und nun auch bereits ärztliche Kollegen verstarben. Vielleicht werden sie die nächsten sein. Tatsächlich ist die Anzahl der Toten nicht so hoch wie in China oder in Europa, aber nichts deutet darauf hin, dass die Situation sich in Kürze verbessert. Im Gegenteil, langsam steigt die Zahl der Infizierten. Aber auf Druck von verschiedenen Seiten mussten die Kirchen, Schulen und Geschäfte wieder geöffnet werden, und der öffentliche Nahverkehr und die Unternehmen haben ihre Arbeit wieder aufgenommen – die Wirtschaft konnte nicht mehr … Die Angst bleibt, und schlimmer noch, unser Herz wird von Gefühlen der Ohnmacht erfasst, zumal die Testmöglichkeiten geringer sind als in den Industrieländern.

Welche Auswirkungen wird die Pandemie in den nächsten Monaten auf Ihr Land haben?

Wir erleben eine Finanzkrise, die so nicht benannt wird, deren verhängnisvolle Auswirkungen aber immer deutlicher werden. Gehälter erhalten nur wenige, die wenigen Ersparnisse der kleinen Leute und Händler sind aufgebraucht, die Ausgangssperre hat alles kaputt gemacht, für viele Familien hat sich die Situation extrem verschlechtert, eine neue Armut greift um sich. Unsere Länder hatten schon vor Covid-19 wirtschaftliche Schwierigkeiten, und wenn wir in Angola meinten, auf der Suche nach Lösungen Fortschritte erzielt zu haben, so ist jetzt die Tendenz, dass wir abstürzen in eine Verzweiflung, die das soziale Leben mehr beeinträchtigt als die eigentliche Pandemie. Wir müssen dringend der Frage nachgehen, welche Hilfe – und damit welche Hoffnung – wir den vulnerablen sozialen Schichten und den Wirtschaftsbereichen, die am Boden liegen, geben können.

Welche Bedeutung hat der Glaube für die Menschen in den Zeiten der Pandemie?

Überall hört man – gesprochen und gesungen – dass Gott der beste Arzt und der beste Beschützer ist. Denn es ist anderweitig nicht zu erklären, warum die – von allen erwartete – Katastrophe bisher ausgeblieben ist. Wir sind so schlecht vorbereitet, wir haben keine Infrastrukturen und keine geeigneten Mittel, um auf die Pandemie eine bis in die Tiefe unserer Städte und bis in alle Dörfer reichende Antwort geben zu können. In ihrer Volksfrömmigkeit sind die Leute überzeugt, dass Gott es ist, der sich um die kleinsten in der Gesellschaft kümmert. Unser Glaube ruft uns zu mehr Kreativität, Solidarität und Hilfen auf, die besonders Kranken und Mittellosen zuteilwerden. Die Wiederaufnahme der liturgischen Feiern wurde von vielen als eine große Erleichterung empfunden, für die das Gebet und die Gemeinschaft, die sich zum Gebet versammelt, ein starkes Mittel im Kampf gegen die Pandemie sind. In schwierigen Zeiten fühlt man sich enger miteinander verbunden, ist solidarischer. Wenn man weiterhin auf den Markt gehen konnte, zur Arbeit, in Lokale und ins Kino, warum hat man dann mit dieser Strenge die Kirchentüren verschlossen? Viele Christen fanden es ungerecht, wie mit ihrer Glaubenspraxis umgegangen wurde.

Im Fühlen der Menschen wird die Krankheit immer präsenter, denn zu den Opfern zählen immer mehr junge Leute, einige bekannte Persönlichkeiten, Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger. Wir wissen jetzt, dass sich das Virus in unserer Stadt wirklich ausbreitet und dass wir ernsthaft auf der Hut sein müssen. Wir glauben fest an Gott und wir glauben, dass Gott uns schützt, aber wir wissen auch, dass wir uns schützen und den sanitären Ordnungsmaßnahmen folgen müssen, die Gott intelligenten und kompetenten Autoritäten eingegeben hat, die gegen die Krankheit kämpfen. Deshalb stehen wir in unserem Kampf an der Seite der Regierung, die ebenfalls alles in ihrer Macht Stehende tut, um die Antwort auf Covid-19 zu koordinieren. An die Adresse von missio sagen wir: Vergesst Afrika nicht, lasst uns gemeinsam kämpfen – mit Gott immer an unserer Seite.

Foto: missio

Modeste Modekamba stammt aus der Demokratischen Republik Kongo. Er ist Priester der Gesellschaft Jesu und zurzeit in der Seelsorge in Luanda, der Hauptstadt Angolas, tätig. Mit missio verbunden ist er seit seinem Promotionsstudium an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Sankt Georgen, Frankfurt.


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