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DR Kongo: Eine Welle nationaler Solidarität

Immer wieder erhebt Papst Franziskus seine Stimme und ruft zu einer Globalisierung der Solidarität und Nächstenliebe auf. In Zeiten von Corona bekommt dieser Appell eine neue Bedeutung. missio steht auch in diesen Zeiten der weltweiten Pandemie in engem Kontakt mit seinen Projektpartnern in Afrika, Asien und Ozeanien, die besonders von der Pandemie betroffen sind. Dr. Marco Moerschbacher interviewt Schwester Josée Ngalula, Kinshasa.

Wie hat die Covid-19-Pandemie das Leben der Menschen in Ihrem direkten Umfeld (in Ihrer Nachbarschaft) verändert?

Die Pandemie hat sowohl bei den einzelnen als auch in der Politik zu einer großen Kreativität geführt. Bei den einzelnen, und dies gilt sowohl für die Reichen wie die Armen, sind viele Mittel der Prävention zur Anwendung gekommen, etwa mit Pflanzen der traditionellen Medizin oder mit Rezepten, die in den sozialen Medien kursieren. Die Menschen haben sehr solidarisch diese Rezepte und weitere Überlegungen und Ideen miteinander geteilt. Auf politischer Ebene hat der Präsident zu Beginn der Pandemie zur allgemeinen nationalen Solidarität aufgerufen, und dies hat zu hunderten von Initiativen der Solidarität und Hilfe geführt. Auf der einen Seite haben reiche Menschen und Unternehmen ihr Geld und ihre Möglichkeiten zur Verfügung gestellt, um die Gesundheitszentren, Krankenhäuser, Seniorenzentren und Waisenheime mit der nötigen Ausstattung auszurüsten. Auf der anderen Seite haben einzelne ihr Fachwissen und ihre Intelligenz der Nation zur Verfügung gestellt: Studierende verschiedener technischer Fächer haben Vorrichtungen für die Desinfektion erfunden, aber auch für die Beatmung und Reanimation. Und angesichts der wirtschaftlichen Folgen haben intelligente Verantwortliche ein System der Verteilung landwirtschaftlicher Produkte entworfen, um eine Hungersnot zu verhindern.

 

Welche Auswirkungen wird die Pandemie in den nächsten Monaten auf Ihr Land haben?

In den kommenden Monaten wird sich die Pandemie in vielen Bereichen negativ auswirken. Das Unterrichtssystem im Primär- und Sekundärschulbereich und an den Universitäten ist aus dem Rhythmus gekommen und die Arbeitslosigkeit ist gestiegen, da kleinere Unternehmen ihr Geschäft aufgeben mussten. Es gibt aber auch positive Auswirkungen. Das Land hat gemerkt, dass es aus eigenen Mitteln angemessene Lösungen in den Bereichen Gesundheit, Handel und Landwirtschaft entwickeln kann. Es hat auch gemerkt, dass eine gut koordinierte Solidarität auf nationaler Ebene zur Überwindung der Krise – ohne ausländische Hilfe – beiträgt. Und schließlich wird diese Krise das Vertrauen in die nordatlantische Welt verringern, denn die Mehrheit der Menschen ist überzeugt, dass diese Pandemie von den Reichen des Westens inszeniert wurde, um sich zu bereichern und um die afrikanische Bevölkerung mit Hilfe eines falschen Impfstoffes zu dezimieren. Diese Ansichten hört man überall in den Straßen Kinshasas.

 

Welche Bedeutung hat der Glaube für die Menschen in den Zeiten der Pandemie?

Unter der Pandemie haben die Gläubigen aller Religion sehr gelitten, da die Kirche und Gebetsstätten geschlossen waren. Weil ihnen ihre Beziehung zu Gott aber so wichtig ist, kam es in den Familien und in den Medien zu einer Vielzahlt kreativer Gebetsformen. Am Anfang sind Prediger aufgetreten, die die Pandemie für eine Strafe Gottes hielten, aber die Mehrheit der Menschen teilt diese Einschätzung nicht. Im Gegenteil, die Menschen preisen Gott, dass sie noch am Leben sind.

Foto: missio

Josée Ngalula aus Kinshasa ist Ordensschwester der St. André Schwestern und Professorin für Theologie an der Katholischen Universität von Kinshasa und am dortigen theologischen Institut St. Eugène de Mazenod. Als Mitglied im missio-Netzwerk „Religion und Gewalt“ und mit weiteren Projekten ist sie missio seit langem verbunden.


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