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Indien: Unsicherheit über die gesamte Zukunft

Immer wieder erhebt Papst Franziskus seine Stimme und ruft zu einer Globalisierung der Solidarität und Nächstenliebe auf. In Zeiten von Corona bekommt dieser Appell eine neue Bedeutung. missio steht auch in diesen Zeiten der weltweiten Pandemie in engem Kontakt mit seinen Projektpartnern in Afrika, Asien und Ozeanien, die besonders von der Pandemie betroffen sind. Klaus Vellguth befragte Sagaya John zur aktuellen Situation in Indien.

Inwiefern hat die Covid-19-Pandemie das Leben von Ihnen und den Menschen in Ihrer Nachbarschaft verändert?

Der Pandemiesituation, die mitten ins Leben der Menschen hineinbrach, folgen enorme Veränderungen in allen Lebensbereichen. Dazu gehört, dass sie eine große Unsicherheit über die gesamte Zukunft mit sich bringt und viele Pläne der Menschen durchkreuzt. Gleichzeitig gibt es aber eine Hoffnung und ein Vertrauen auf Gott, dass mit seinem Beistand die Krise überwunden wird.

Besonders die Armen und Ausgegrenzten sind mehr denn je zuvor an den Rand ihrer wirtschaftlichen Situation gedrängt. So stehen sie täglich vor der schwierigen Herausforderung, an das Lebensnotwendige zu kommen, da viele von ihnen ihren Arbeitsplatz verlieren und ihnen die Ersparnisse fehlen. 

Die neue Kultur der "Online"- Kurse für die Kinder und Jugendliche bringt auch die Arbeiter der unteren Mittelschicht dazu, sich den digitalen Herausforderungen dieser Zeit zu stellen, um den Bedürfnissen ihrer Kinder gerecht zu werden. So kaufen viele Eltern neue Computer oder Handys, damit die Kinder trotz geschlossener Schulen lernen.

Die Soziale Distanzierung macht viele Feierlichkeiten, wie z.B. Hochzeiten, sehr oberflächlich oder sogar manchmal unmöglich, um das potenzielle Ansteckungsrisiko bei Zusammenkünften von Familien und Freunden möglichst gering zu halten. Gleichzeitig gewöhnen sich die Familien daran, mit den begrenzten wirtschaftlichen Verhältnissen und dem minimierten, sozialen Leben zurechtzukommen. Viele Menschen lernen das Familienleben wieder zu schätzen, wenn sie mehr Zeit mit ihren eigenen Kindern und Eltern verbringen.

 

Welche weiteren Auswirkungen der Pandemie sind für Ihr Land in den nächsten Monaten zu erwarten?

Es besteht die Hoffnung, dass es möglich sein wird, die Wirtschaft wiederzubeleben. Insbesondere für die Armen und Ausgegrenzten wird dies lebensnotwendig sein. Erst wenn die Wirtschaft wieder in Schwung kommt, wird sich die Situation der Ärmsten der Armen verbessern.

Zudem sind in dieser Zeit Beschäftigungsmöglichkeiten für Migranten zu schaffen, die ihren Arbeitsplatz verlieren und die nun besonders große Schwierigkeiten haben, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

 

Welche Bedeutung hat der christliche Glaube in diesen Zeiten der Pandemie?

In diesen Krisenzeiten gewinnt der Geist der "Sorge um andere", insbesondere gegenüber denjenigen Menschen, die der materiellen Hilfe bedürfen, an Bedeutung. Das Engagement vieler wird in der Gesellschaft wertschätzend anerkannt. Auf Diözesanebene werden bedürftige Menschen ausfindig gemacht und die Kirche versucht, allen Menschen so gut wie möglich zu helfen.

Dabei findet die Kirche neue Wege, um den spirituellen Bedürfnissen der Menschen durch den Gebrauch der sozialen Medien gerecht zu werden.  So ergreifen viele Initiativen die Chance, neue Fernsehprogramme, Websites und YouTube-Kanäle zu gestalten. Auf diesem Wege begegnet die Kirche den Menschen in einer neuen Art und Weise und ist ihnen nahe. Mit diesen beiden Formen der Solidarität leistet die Kirche in der Erfüllung menschlicher Grundbedürfnisse ihren Beitrag und steht so den Menschen zur Seite.

 

Auch werden viele theologische und praktische Überlegungen unternommen, welche Inhalte eines christlichen Gottesdienstes von zentraler Bedeutung sind. Denn die indische Kultur ist für religiöse Feiern und Zusammenkünfte bekannt. Diese sind in dieser Krisenzeit nicht möglich.

Der Glaubensausdruck wandelt sich, Familien versammeln sich als Hauskirchen, beten zusammen und nehmen an Online-Messen teil, um ihren spirituellen Durst zu stillen. Das gemeinsame Hören und Nachdenken über das Wort Gottes, eucharistische Anbetungen, charismatische und heilende Gebetsgottesdienste gehören auch in Zeiten der Pandemie zu den wichtigsten Aktivitäten des spirituellen Lebens. Natürlich warten die Menschen darauf, sich in den Kirchen als Gemeinschaften zur Feier der Sakramente zu versammeln. Jedoch sind die medialen Initiativen die angemessene Option in der Krise zur Stärkung des Glaubens.

Daraus ist zu folgern, dass die Kirche gerade in Krisenzeiten den verkündeten Glauben lebt, wenn sie am spirituellen und materiellen Leben der Menschen teilnimmt. Die primäre Aufgabe der Kirche ist es, die auf Jesus Christus gerichtete Hoffnung wachzuhalten und die Menschen auf ihrem Lebensweg zu begleiten und zu stärken. Auch wenn Zusammenkünfte in den Glaubensgemeinschaften eine Zeit lang nicht möglich sind, so zeigt die momentane Situation, wie wichtig es ist, die Menschen im Glauben nicht allein zu lassen.

Foto: missio

Sagaya John lebt in Indien und leitet in Bangalore das National Biblical Catechetical and Liturgical Center (NBCLC). Er ist Mitglied des von missio initiierten Netzwerk Pastoral Asien. Das Netzwerk ist ein Zusammenschluss der Direktorinnen und Direktoren zahlreicher asiatischer Pastoralinstitute. Nähere Informationen zum Netzwerk Pastoral Asien finden sie hier ».


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