Immer wieder erhebt Papst Franziskus seine Stimme und ruft zu einer Globalisierung der Solidarität und Nächstenliebe auf. In Zeiten von Corona bekommt dieser Appell eine neue Bedeutung. missio steht auch in diesen Zeiten der weltweiten Pandemie in engem Kontakt mit seinen Projektpartnern in Afrika, Asien und Ozeanien, die besonders von der Pandemie betroffen sind. Johannes Duwe befragte Emmanuel Chimombo zur aktuellen Situation in Kenia.
Persönlich trifft mich die Krise sehr. Ebenso die Menschen in meiner Umgebung. Seit März gibt es auch bei uns eine Ausgangssperre, die Hausbesuche und das öffentliche kirchliche Leben nahezu unmöglich macht.
Die Auswirkungen der Pandemie auf die hier lebenden Menschen sind verheerend. Besonders die Armut infolge von Arbeitsverlust oder durch die Schließung kleiner Geschäfte trifft viele Menschen hart. Familien leiden Hunger. Menschen werden aus ihren Miethäusern und Wohnungen geworfen, weil sie ihre monatliche Miete nicht mehr bezahlen können. Frustration, Angst, Stigmatisierung, häusliche Gewalt und sogar Inzest sind die tragischen Folgen.
Kulturell gesehen sind Afrikaner sehr sozial eingestellt. Daher führen die Restriktionen und Kontaktsperren, wie z.B. öffentliche Zusammenkünfte, Begrüßung per Handschlag oder das Fehlen würdiger Beerdigungen von Angehörigen, unweigerlich zu einer Traumatisierung der Menschen.
Welche weiteren Auswirkungen der Pandemie sind für Ihr Land in den nächsten Monaten zu erwarten?
Die Pandemie hierzulande sowie in anderen Ländern Ostafrikas hat bereits jetzt gravierende Folgen für die Menschen.
Viele Unternehmen stehen vor dem Aus. Zudem sind die Lebenshaltungskosten in die Höhe geschossen, weil zum Beispiel Angestellte ihre betriebliche Gesundheitsversorgung aus eigener Tasche aufstocken müssen. Menschen, die den öffentlichen Nahverkehr benutzen, zahlen teils doppelte Preise, da sie zum einen für die Transportkosten und zum anderen für die vorgenommenen Maßnahmen zu Kontakteinschränkungen aufkommen müssen. Besonders in der Hotel- und Transportbranche, die zu den größten informellen Sektoren in Kenia zählt, ist mit hohen finanziellen Einbußen und Jobverlusten zu rechnen. Bis Ende 2020 werden womöglich noch 5 Millionen Menschen ihre Arbeit verlieren. Häusliche Gewalt, Kindesmissbrauch und psychische Erkrankungen sind die Folge.
Auch die Gesundheitsversorgung wird schon bald überfordert sein. Aufgrund der Stigmatisierung jener Menschen, die positiv getestet werden, wollen viele nicht mehr an staatlich durchgeführten Massenscreenings teilnehmen, weil sie Angst davor haben, öffentlich abgestempelt zu werden. Das könnt in Kürze zu einer zweiten Welle führen.
Welche Bedeutung hat der christliche Glaube in diesen Zeiten der Pandemie?
Glauben spielt sich bei uns besonders gemeinschaftlich, in Form von Gottesdiensten und Gebetskreisen ab. Die Gläubigen sehnen sich danach, dass die Kirchen wieder geöffnet werden und Gottesdienste stattfinden können.
Solange es allerdings keine umfassende Lösung für die Bewältigung der Pandemie gibt, sollte die Kirche sich an staatliche Vorgaben halten und diese zudem unterstützen.
Eine große Rolle kommt dabei den Kleinen Christlichen Gemeinschaften zu, die einen besonderen Zugang zu Menschen in Nachbarschaftsvierteln haben und so einen wichtigen Beitrag bei der Unterstützung der Schwächsten in der Gesellschaft leisten können.
Da viele Menschen in den Pfarreien traumatisiert und von den Folgen der Krise betroffen sind, haben Seelsorgerinne und Seelsorger die Aufgabe, alternative Wege zu den Menschen zu finden und ihnen nahe zu sein. Abhilfe schaffen könnten zum Beispiel Online-Angebote psychosozialer Unterstützung oder Online-Beratungsstellen für Betroffene. Auch die live-Übertragung von Beerdigungen sollte für die Angehörigen gewährleistet sein.
Das Netzwerk Kleine Christliche Gemeinschaften Afrika ist ein Zusammenschluss von Seelsorgeamtsleitern (Pastoral Coordinators) und Expertinnen und Experten ostafrikanischer Länder.
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