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Luis Morosini: „Jetzt hat sich das Meer die Straße geholt, sie ist weg.”

Das Meer holt sich den Friedhof

Luis Morosini ist der Skipper der Diözese Auki auf den Solomon Islands. Hier ist das Meer die Straße. Der Mitfünfziger bringt uns mit seinem Neunsitzerboot sicher zu den Pfarreien. Er geht mit uns auch in Lilisana, seinem Heimatdorf, an Land. Es liegt direkt am Strand vor der Hafeneinfahrt von Auki. Er zeigt uns, was für ihn die Folgen des Klimawandels bedeuten. Ein steigender Meeresspiegel und früher nie gekannte Extremwetter produzieren früher nie gekannte Fluten. Sie ziehen seinem Dorf im wahrsten Sinne des Wortes den Boden unter den Füßen weg.

Feinster weißer Sand. Wir gehen mit Luis Morosini vom Boot einige Schritte zu den ersten Häusern. Sie standen bei der letzten „Kingtide“ – so nennen hier die Menschen eine zuvor nie gekannte Fluthöhe – unter Wasser. Das Wasser lief weiter entlang der Hauptstraße parallel zum Meer und erreichte die Holzhäuser der Menschen. Wochenlang kämpften sie mit den Folgen.

Die Menschen im Heimatdorf von Luis Morosini sind gläubige Menschen. Sie beten dafür, dass sie die Folgen des Klimawandels verschont. Foto: Johannes Seibel / missio
Die Menschen im Heimatdorf von Luis Morosini sind gläubige Menschen. Sie beten dafür, dass sie die Folgen des Klimawandels verschont.

Am Friedhof in Lilisana sind erste Gräber weggespült

Wir gehen weiter zum Friedhof am Ende des katholischen Dorfes. Der liegt unmittelbar am Strand. Rund acht bis zehn Meter trennen die letzte Ruhestätte der Verstorbenen und das Meer. Luis Morosini dreht sich auf diesem Strandstreifen zu uns um. „Wo ich hier jetzt stehe, verlief früher eine Straße. Hier konnten wir die Särge direkt zum Friedhof fahren, zum Grab tragen und unsere Lieben beerdigen. Jetzt hat sich das Meer die Straße geholt, sie ist weg“, erklärt er uns. Auch die ersten Gräber sind schon weggespült. Und damit die Erinnerung an frühere Zeiten, an geliebte Menschen.

Luis Morosini nimmt uns wieder mit zurück auf den Weg durch sein Dorf. Seit 30 Jahren ist er der Bootsmann des Bischofs von Auki. Er kennt hier jeden. Uns begegnet ein alter Mann, gegerbtes Gesicht, weißer Bart. „Das ist Abraham, unser Katechist“, stellt er ihn vor. Wir kommen zur Kirche. Sie steht auf einer kleinen Aufschüttung. Drei Stufen führen hoch zum Kirchplatz. „Jetzt kommt bei den Kingtides das Wasser schon die Stufen hoch, das gab es früher nicht. Wenn das so weiter geht, ist bald auch die Kirche nicht mehr sicher“, sagt er mir.

Luis Morosini: „Wo ich hier jetzt stehe, verlief früher eine Straße.” Foto: Johannes Seibel / missio
Luis Morosini: „Wo ich hier jetzt stehe, verlief früher eine Straße.”
Luis Morosini: „Jetzt hat sich das Meer die Straße geholt, sie ist weg.” Foto: Johannes Seibel / missio
Luis Morosini: „Jetzt hat sich das Meer die Straße geholt, sie ist weg.”

Für Menschen wie Luis Morosini sind die Folgen des Klimawandels bittere Realität

Für Menschen wie Luis Morosini und die Islanders – so nennen sich die Menschen auf den Solomon Islands – sind die Folgen des Klimawandels kein bloßer akademischer Streit, sondern bedrohliche Wirklichkeit. „Ob wir hier in zehn Jahren noch leben können? Ich weiß es nicht“, zieht Luis Morosini auf meine Frage seine Schultern hoch. An Orten wie Lilisana gewinnt die Bewahrung der Schöpfung mehr denn je an Dringlichkeit. Politisch und spirituell. Das ist unser christlicher Auftrag.


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