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Der Erzbischof, der Macher

Das Haus des Erzbischofs von Honiara ist ein einfaches blaues Holzhaus. Es steht auf Stelzen. Angebaut eine knarzige, alte Holzterrasse. Sie bietet einen herrlichen nächtlichen Ausblick über die Hauptstadt der Solomon Islands. Erzbischof Chris Cardone OP bittet an einen betagten Holztisch zum Aperitif. Fünf Dosen Bier, ein Rotwein, neuseeländischer Käse, Cracker – der erste Tag auf den Solomon Islands beginnt verheißungsvoll.

3.000 junge Menschen aus den Solomon Islands beim Weltjugendtag

Chris Cardone OP ist ein Macher. Der drahtige Dominikaner mit dem markanten Schnauzbart setzt auf die Jugend. „Aus den Solomon Islands waren 3.000 junge Frauen und Männer dieses Jahr beim Weltjugendtag in Portugal. Ist das nicht fantastisch“, fragt er uns. „Ich sage unseren Pfarrern immer, Fußball und Musik, bietet den Mädels und Jungs Fußball und Musik, dann wird’s auch was mit lebendigen Pfarreien“, sprudelt es weiter aus ihm heraus. 


In der Kathedrale einige Meter unterhalb des Erzbischofshauses feiert die Gemeinde sonntags vier Gottesdienste. Um 9 und um 11 Uhr ist sie brechend voll mit jungen Leuten. Wegen der Musik. „Die Menschen im Pazifik erreichst Du über nichts besser als die Musik, wir sind hier alle so richtig musikalisch“, sagt er. 

Rund 60 junge Männer bereiten sich in Hauptstadt auf ihre Zukunft als Priester vor
Eine lebensfrohe, im Alltag verwurzelte, offene Kirche braucht sich nicht über Berufungen zu beklagen. Derzeit bereiten sich 60 junge Männer im Großen und Kleinen Priesterseminar auf ihre Zukunft als Pfarrer vor. „Die meisten davon kommen mittlerweile tatsächlich aus den Solomon Islands. Wir sind ja noch nicht so lange hier, aber die Kirche wird immer einheimischer“, freut sich Erzbischof Chris Cardone.

Von der Holzterrasse geht es ein paar Schritte zum Speisesaal, vorbei an Gymnastikgeräten. Der 65-Jährige muss fit bleiben. Fisch, Hühnchen, eine Art Spinat, eine Art Kartoffel, Reis, Wassermelonen – das Essen ist einfach, aber üppig. Es ist gegen 19 Uhr. Priester kommen aus anderen Pfarreien von der Arbeit herein. Sie setzen sich an den Tisch. Handfeste, gestandene Männer in kurzen Hosen, T-Shirts und Flip-Flops. Es wird einfach viel gelacht, was ansteckt. Das Leben hier scheint schon etwas weniger angestrengt als in Papua-Neuguinea.

Obdachlose dürfen nachts an und in der Kathedrale schlafen

Erzbischof Cardone führt uns noch zu einer Kapelle und zur Kathedrale. Sie musste erweitert werden. Es kommen so viele Menschen. Es ist tiefdunkel, kurz nach 20.30 Uhr – wenn die Nacht schon gegen 18 Uhr in diesen Breiten anbricht – ist das spät. Einige Beter und Beterinnen sitzen versunken in den Bänken, junge Menschen übrigens. „Diese Kathedrale hat 24 Stunden am Tag sieben Tage die Woche geöffnet, rund um die Uhr. Das ist mir wichtig“, sagt er. 

Am Ambo macht er kurz Halt. Das Lesepult hat die Form eines Schiffes. „Willst Du mal raufgehen, ein beliebtes Fotomotiv, ich fotografiere Dich“, fragt er mich. Klar, will ich. Sieht gut aus, die Kirche von hier oben. „Die musst den Arm ausstrecken, Du hast eine Botschaft“, animiert er mich. 

Die Kathedrale hat eine rundum offene Form. Es gibt keine Türen. Die Wände sind nicht gänzlich zum Boden gezogen. Wir gehen weiter. Drei Männer sagen dem Erzbischof Hallo. Sie strecken uns ihre Hände entgegen. Wir schlagen ein. Kurze Zeit später erklärt er. „Das sind eigentlich Obdachlose. Sie können hier die ganze Nacht bleiben. Manchen schlafen auch hier in der Kirche. Wir haben einen Deal mit ihnen gemacht. Wenn sie nichts kaputt und keinen Ärger machen, dürfen sie bleiben. Wenn es Stress gibt, müssen sie raus. Das funktioniert“, lacht er. 

Die Geschichte von Caroline Kennedy und dem Erzbischof

Und Geschichten kann der Mann erzählen. Etwa die von Caroline Kennedy, der Tochter von Präsident John F. Kennedy. Am 2. August 1943 rammte ein japanischer Zerstörer im Pazifik das Boot des damaligen jungen Soldaten John F. Kennedy. Er konnte sich schwimmend auf eine kleine Insel der Solomon Islands retten. Vier Tage, nachdem er schon für tot erklärt worden war, entdeckten ihn Biuku Gasa und Eroni Kumana, zwei junge indigene Kundschafter der Allierten von den Solomon Islands. So wurde John F. Kennedy gerettet. Jetzt in diesem August 2023 hat Caroline Kennedy, mittlerweile Botschafterin der Vereinigten Staaten in Australien, auf einem Kanu die Strecke abgefahren, auf der ihr Vater sich schwimmend gerettet hatte. „Das war für sie sehr emotional. Wir feierten hier gemeinsam einen Gedenkgottesdienst. Caroline ist eine praktizierende Katholikin. Ich schrieb ihr eine E-Mail, ob sie im Gottesdienst nicht die erste Lesung übernehmen wolle, sie antwortete mir gleich, und sagte ja. Das hat mich auch sehr berührt“, so der Dominikaner.

Morgen besuchen wir eine Pfarrei auf einer kleinen Insel, die rund drei Stunden mit dem Speedboot entfernt liegt. Chris Cardone OP fährt mit uns. Würde mich nicht wundern, säße er am Steuer. 


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