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Ein Haus der Hoffnung trotzt dem Erdbeben

Das Bett schaukelt. Der Fußboden vibriert. Die Wellblechwand knarzt. Vierzig Sekunden Unbehagen. Ein Erdbeben. Dann kehrt Ruhe ein. Mittwochnacht in den südlichen Highlands in Papua-Neuguinea. Wir besuchen Schwester Lorena im Haus der Hoffnung. Es liegt im Dorf Pomperel. Dort baut ihr Team behutsam Frauen auf, die der Hexerei bezichtigt, gequält und gefoltert wurden. Das Projekt wurde von missio Aachen mitfinanziert.

Das kleine Erdbeben – das Epizentrum lag rund 200 Kilometer entfernt – versinnbildlicht mein Empfinden heute. Gerade eben noch friedlich geschlafen, Augenblicke später droht die Katastrophe. Leben und Landschaft hier in den Highlands wirken so friedlich, gemächlich, beinahe paradiesisch. Gut kultivierte Äcker. Überbordende Herzlichkeit. Zugewandt, offen, lachend die Menschen. Plötzlich schlägt die Stimmung um. Aggressivität greift Raum.

Plötzlich stiebt eine Männertraube seitwärts

Ein Beispiel: Die Menschen der katholischen Außenstation St. Joseph empfangen uns vor dem Dorf. Sie begleiten uns tanzend und singend zum Kirchplatz. Das ist Tradition und höchste Wertschätzung.

Plötzlich stiebt eine Männertraube seitwärts. Geschrei. Sie stoßen einen Mann von sich, drängen ihn weg. Schwester Lorena und einige Besonnene greifen ein. Wir bringen das Programm zu Ende. Die Stimmung bleibt gespannt.

Was war passiert? Schwester Lorena erklärt es uns. Der Mann stammt aus der Nachbarsiedlung. Er suchte eine junge Frau. Sie hatte sich unter die Menge gemischt. Das wollte er den Männern erklären. Sie ließen ihn aber nicht zu Wort kommen. Sie schubsten ihn weg. Das wiederum machte ihn wütend. Schon war der Konflikt da. „Ich sprach mit dem Mann, kenne ihn, hörte mir seine Geschichte an, das beruhigte ihn. Ich sprach mit den anderen Männern. Das ist meine Erfahrung. Wir müssen hier in Konflikten allen die Möglichkeit zum Sprechen geben, sie müssen sich alle gehört und respektiert fühlen“, erklärt sie uns.

 

Sprechen und heilsame Berührungen

Eine Lektion heute. Schwester Lorena lehrt mich: Unvoreingenommenheit durchhalten, Respekt gegenüber jedermann und jederfrau vorleben, Ruhe ausstrahlen, zu Wort kommen lassen, heilsame Berührungen sind Voraussetzungen und Erfolgsrezept ihrer Arbeit zugleich. Diese Haltung durchdringt das Haus der Hoffnung in Pomperel spürbar. Es tut so gut.

In Pomperel ist das ganze Dorf auf den Beinen. Zwei Kilometer vor dem Dorf werden wir empfangen. Wir bekommen als Zeichen der Gastfreundschaft kleine Taschen umgehängt und traditionelle Kopfbedeckungen. Tänzerinnen und Tänzer, Sängerinnen und Sänger drehen zwei Runden. Dann bilden sie einen langen Prozessionszug. Wir gehen voran. Die Prozession erreicht nach etwa 5 Minuten den Platz vor dem Haus der Hoffnung. Rund 300 Menschen sind versammelt. Alle stehen hinter dem Haus der Hoffnung, den Frauen, die so Schweres durchmachen und dort Heilung finden. Die Menschen lachen, feiern. In einer Erdmulde braten sie mit heißen Steinen ein halbes Schwein, Gemüse und Bananen und teilen das Essen mit uns. Schwester Lorena umarmt so viele Menschen, streicht ihn über die Schulter, spricht mit ihnen.

 

„Das ist kein Schutzhaus, das ist ein Haus der Hoffnung“

Am nächsten Tag führt uns Schwester Lorena durch das Haus der Hoffnung. Sie zeigt uns Kapelle, Sanitätsraum, Veranda, Therapieraum, die Zimmer für die Frauen. „Das ist kein Schutzhaus, das ist ein Haus der Hoffnung“, sagt die Schweizer Ordensfrau. „Alles ist so konstruiert, dass die Frauen immer ins Offene, nach außen schauen, damit sie sich nicht verkrümmen und verschließen“, erklärt sie. Beispielsweise ist der Abstand der Seitenwände im Hauptgang ganz schmal. „Die Frauen sollen sich an den Seitenwänden mit den Händen abstützen können, damit sie von Anfang an lernen, wieder aufrecht zu gehen, nicht zu kriechen, sich klein zu machen“, ist sie überzeugt. 

Und dann der Höhepunkt des Tages für uns: Schwester Lorena, mehrere Frauen, die im Haus der Hoffnung nach Folter, sozialer Ausgrenzung und unsäglichen Leiden neue Hoffnung schöpfen, singen gemeinsam mit uns. Wir alle strecken die Hände nach oben aus, berühren uns. Auferstehung.


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