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Anna Kombuk (Mitte) leitet die katholische Frauenvereinigung (Catholic Women Association) der Erzdiözese Mount Hagen. Sie zeigt Ayline Plachta und Anne Knörzer, welche Produkte kleine Frauenunternehmen produzieren und mit welchen Materialien sie geschult werden.

Frauenrechte im Schussfeld

Im Hochland Papua-Neuguineas kochen immer wieder Familienfehden hoch. Zuletzt berichtete in Deutschland sogar der „Spiegel“ davon. Dann brechen blutige Gefechte aus.

„Wir Frauen sind es so leid. Wir verlieren unsere Männer und Söhne. Wir kommen nicht mehr aus dem Haus heraus. Unser ganzes soziales und wirtschaftliches Leben für uns und unsere Kinder bricht zusammen. Auf die Männer einzureden, ist in diesen Situationen sinnlos. Sie weisen uns brüsk ab. Das ist Männersache, sagen sie. Und am Schluss geht es doch nur darum, wer der Stärkere ist, wer gewinnt. Das ist verrückt.“

Anna Kombuk

Sie leitet die katholische Frauenvereinigung (Catholic Women Association) der Erzdiözese Mount Hagen. 

85 Prozent der Frauen in Papua-Neuguinea sind von Gewalt betroffen

Wir treffen sie am Donnerstag auf der Konferenz der Katholischen Frauenvereinigung im Hochland Papa-Neuguineas (Highlands Regional Catholic Women Association). Die HRCWA vertritt rund 50.000 Frauen aus fünf Hochland-Diözesen. missio Aachen fördert seit 2014 die Arbeit der Frauen. Das ist bitter notwendig. Fünfundachtzig (!) Prozent der Mädchen und Frauen in Papua-Neuguinea leiden unter den von Anna Kombuk beschriebenen Familienschießeren, erleben häusliche Gewalt, Vergewaltigung, werden Opfer von Menschenhandel, als angebliche Hexen gefoltert oder sind Analphabetinnen – um nur einige Phänomene zu nennen.

„Wir müssen vom Rücksitz aussteigen“

Aber warum ist das so? „Die Männer sitzen bei allen Entscheidungen auf dem Fahrersitz, wir auf dem Rücksitz. Also müssen vom Rücksitz aussteigen und selbst was ändern“, antwortet Anna Kombuk. Wie sie selbst das Steuer ihres Lebens übernehmen, erklärt Anna Kombuk so: Der Verband qualifiziert Leiterinnen lokaler Frauenverbände. Sie ziehen mit den Frauen in ihren Pfarreien unterschiedlichste Projekte auf. Einige engagieren sich in der Familienpastoral. Sie gründen Familiengruppen. Dort lernen Männer, wie sie Gewalt in der Ehe vermeiden können. Oder warum die Würde der Frau unantastbar und ihre Selbstständigkeit vorteilhaft für die gesamte Familie ist. Andere absolvieren einen theologischen Grundkurs. Mit diesem Wissen leiten sie Sonntagsschulen für Kinder – zuvor eine Männerdomäne. Hier nehmen sie Einfluss auf eine geschlechtergerechte Erziehung.

„Dafür muss eine Frau 300 oder 400 Taschen verkaufen“

Andere lokale Leiterinnen bringen Frauen das kaufmännische Einmaleins bei, damit sie kleine Geschäfte gründen können. Beispielsweise stricken sie Mützen oder kleine Taschen. Die verkaufen sie auf den Märkten. Matilda Pangatio aus der Diözese Goroka zeigt mir solche Taschen. „Wie viele Taschen müssen sie verkaufen, damit ihr Kind ein Jahr lang die Schule besuchen kann“, frage ich. Und bin über die Antwort erschüttert. „Dafür muss eine Frau 300 oder 400 Taschen verkaufen. Der Staat hilft uns nicht, aber wir arbeiten hart, damit es unsere Kinder besser haben“, gibt sie sich dennoch kämpferisch.

Armut und männerdominierte Kultur sind eine toxische Mischung

Damit sind wir beim Kern der Probleme. „Es ist die Mischung aus einer männerdominierten Kultur und der weit verbreiteten Armut, die Ursachen für die Gewalt gegen Mädchen und Frauen sind“, sagt Maggie Tine. Sie ist Koordinatorin der Highland Regional Catholic Women Association. „Wir ziehen unser Ding durch, wir machen gegen alle Widerstände immer weiter. Wir sind missio Aachen so dankbar, dass sie zu uns stehen, uns unterstützten. Wir möchten mit keiner anderen Organisation zusammenarbeiten, weil missio Aachen nicht nur kurzfristig ein Projekt hochzieht, sondern uns langfristig hilft, selbst systematisch Kirche und Gesellschaft so zu verändern, dass Mädchen und Frauen darin den ihnen zustehenden Platz haben,“ erklärt sie auf der Versammlung. 

Die Schwestern der Therese von Lisieux planen ein Schutzhaus für Frauen

Nach der Versammlung des Frauenverbandes fahren wir von Mount Hagen nach Minj. Dort treffen wir in einer Pfarrei die Schwestern der Therese von Lisieux. Sie versorgen auf einem weitläufigen Pfarrgelände Mütter, die aus den unterschiedlichsten Gründen Schutz vor ihren Männern, Familien oder Dorfgemeinschaften suchen. Der Pfarrer, Pfarreimitglieder und die Schwestern kümmern sich um sie. Sie können etwa in den Gemüsegärten arbeiten. Für Pfarrei und Konvent wird die Unterbringung und Begleitung immer schwieriger. Deshalb plant der Konvent den Neubau eines Zentrums für die Frauen. Wir von missio Aachen beraten sie dabei. 

Ein tropischer Gewitterregen kann uns nicht stoppen

Ist das nun ein gutes Omen? Während wir mit den betroffenen Frauen, den Ordensschwestern und Gemeindemitgliedern unter einem großen Zelt im Freien sitzen, öffnet plötzlich der Himmel seine Pforten. Ein heftiger Regen geht nieder. Wir verstehen unser eigenes Wort im Geprassel nicht mehr. Jede und jeder hilft, dass die Zeltplanen unter der Wasserlast nicht zusammenbrechen. Wir drängen uns eng zusammen. Der Gewitterregen hört auf. Nichts ist passiert, wir können weitermachen. Erdbeben, tropisches Gewitter: missio Aachen und seine Partnerinnen und Partner lassen sich nicht stoppen. 


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