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Libanon: Hilfe für die Menschen in Beirut

Wir sind eine Woche lang im Libanon » unterwegs. Wir, das sind: Ayline Plachta, Elke Breuer-Schulte, Katja Heidemanns, Johannes Seibel, Frank Kraus und Pfarrer Dirk Bingener. Wir lernen Frauen und Männer kennen, die die verschiedenen christlichen Kirchen im Libanon und Nahen Osten prägen. Einige von ihnen sehen wir im Oktober zum Monat der Weltmission » in Deutschland wieder.

 

Foto: Johannes Seibel / missio
Besuch der Baustelle des neuen Pfarrzentrums in der Pfarrei St. Mauroun. Dieses wird saniert, da es durch eine Explosion beschädigt wurde.

„Das geknickte Rohr bricht er nicht“

Ich bin super gerne Pressesprecher von missio. Das hat was. Ganz ehrlich: Nirgends kann ich meine Glaubensbatterien besser aufladen als in diesem Job. Auf unserer Reise durch den Libanon spüre ich es wieder. Ich erlebe ein Volk Gottes und eine Kirche, wie sie eigentlich sein soll - und hier bei uns in Deutschland wesentlich mehr sein könnte. Beispielsweise die maronitische Pfarrei St. Maroun im Hafenbecken von Beirut.

Aus Zerstörung und Depression wächst neues Leben

Die apokalyptische Explosion eines Getreidesilos im Beiruter Hafen 2020 traf die Pfarrei und die Familien mit einer unglaublichen Wucht. Pfarrer Richard Abi Saleh und sein Team standen im wahrsten Sinne des Wortes vor den Trümmern ihrer Arbeit. Aber sie mussten sich um der Menschen wegen schnell aus der Schockstarre befreien. Sie organisierten Soforthilfe für die Familien im Viertel, gingen in die zerstörten Häuser, hörten zu und packten an. So wächst seitdem aus Zerstörung und Depression neues Leben. Unwillkürlich kommt mir Kapitel 42 aus dem Buch des Propheten Jesaja in den Sinn: „Das geknickte Rohr zerbricht er nicht / und den glimmenden Docht löscht er nicht aus; / ja, er bringt wirklich das Recht. Er wird nicht müde und bricht nicht zusammen, / bis er auf der Erde das Recht begründet hat.“  Hier in St. Maroun nimmt heute dieses biblische Wort wirklich Gestalt an.

Wir stehen mit Pfarrer Richard vor der Kirche. Sein Team organisiert eine Tafel für Bedürftige. Auf Bänken sind Lebensmittelpakete sortiert. Frauen und Männer gehen zu einem Container, der jetzt als Pfarrbüro dient. Sie tragen sich in eine Liste ein, halten einen kleinen Schwatz mit den Ehrenamtlern, nehmen Öl, Brot und andere Nahrungsmittel mit.

Impressionen von der Libanon-Reise

Die sichtbaren Schäden in St. Maroun vernarben

Pfarrer Richard dreht sich um. Seine Hände winken mit ausladenden Gesten einen stattlichen Mann zu uns. „Das ist ein berühmter Architekt, er baut unser zerstörtes Pfarrzentrum wieder auf“, lacht Pfarrer Richard. „Aber nicht nur das. Er ist Christ, er ist Mitglied unserer Gemeinde, ist das nicht wunderbar?“, stellt er ihn uns vor. Im Pfarrcontainer zeigt und erläutert uns der Architekt die Baupläne. Spontan starten wir eine Baustellenbesichtigung. Die Handwerker hämmern, graben, legen Leitungen.Die sichtbaren Schäden hier in St. Maroun vernarben.

Pfarrer Richard führt uns in Ateliers, wie er sie nennt. In den Räumen fertigen Ehrenamtler und das Gemeindeteam Seifen, Textilien, liturgische Gewänder, lagern Vorräte für einen kleinen Catering-Service. Hier arbeiten viele neue Freiwillige aus den Familien mit, die die Pfarrei seit der Bombenexplosion begleitet. Das schafft Einkommen für sie und gibt ihrem Leben Struktur und Sinn – wie umgekehrt die Freiwilligen Pfarrer Richard und seinem Team Hoffnung und Kraft geben. „Wir sind so nah bei den Familien, denen wir geholfen haben. Wir haben eine so enge Verbindung zueinander entwickelt. Jetzt brainstormen wir immer wieder zusammen, was machen wir als nächstes, was hilft uns. Wir sind hier in St. Maroun ganz neu zusammengewachsen und kreativ geworden“, schildert eine junge Frau, die die Seifenherstellung managt, ihre Gefühle.

Eine zähe Widerstandskraft und Lebensfreude

Genau dieser Haltung begegnen wir auf unsere Reise so oft. Das Leben im Libanon ist hart. Korruption, gierige Politiker, ein enormer Migrationsdruck, soziale Spannungen, Inflation, Spielball geostrategischer Interessen, Wirtschaftskrise, Corona und als endgültiger Knockout 2020 die Hafenexplosion in Beirut. Wir spüren schon schiere Verzweiflung und Ohnmacht als Grundmelodie im Leben der Menschen hier. Gleichzeitig entwickeln genau die gleichen Menschen, die uns beinahe wortgleich wieder und wieder diese Analyse der Lage ihres Landes vortragen, eine zähe Widerstandskraft, ein kluges Improvisationstalent und ja, auch Lebensfreude.

Ich denke an Schwester Marie Claude Naddaf von den Schwestern vom Guten Hirten. Ihr Orden hilft in Syrien Frauen, die vor Gewalt fliehen. Ich denke an die Schwestern der Nächstenliebe in einem Ort etwa 50 Minuten entfernt von Beirut. Sie bieten in einem Land mit einem maroden Schulsystem Kindern aus einfachen Familien Ausbildung und Schutz vor Gewalt und Ausbeutung. Eine ältere Schwester segnet uns in der Kapelle ihres Wohnhauses. Ihre Gastfreundschaft ist mein Highlight: Sie reichen uns selbstgemachten Limonocello, mit dem wir alle auf das Leben anstoßen.

Klar, das ist keine Idylle, und wir dürfen den Druck, die Verzweiflung und das Leid nicht sentimental überhöhen. Aber wir dürfen auch nicht den Glauben, die Kraft und die Würde dieser Menschen kleinreden, die gegen alle Hoffnung hoffen.


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