Die Herausforderungen für die Seelsorge und Sozialarbeit der Kirche in der Millionenstadt Nairobi in Kenia stehen im Mittelpunkt des Monats der Weltmission im kommenden Oktober. Vom 22. bis 29. Januar informieren sich missio-Vizepräsident Gregor von Fürstenberg, Frank Kraus (Leiter der Abteilung Ausland), Katja Heidemanns (Leiterin der Abteilung Spenderservice), Johannes Duwe (Bildungsabteilung) und missio-Pressesprecher Johannes Seibel in Nairobi über diese Arbeit.
Margaret, Alice, Celina und die anderen erzählen von Fluchten, Verlusten, Ängsten, Überlebenskämpfen. Was sie hoffen lässt: Eine Selbsthilfegruppe und Nachbarschaftshilfe in der katholischen Slum-Pfarrei „Our Lady of Lourdes“. Wir treffen sie am Sonntag, dem ersten Tag unserer missio-Reise nach Kenia.
Margaret, Alice, Celina und die anderen. Wir hören ihren Geschichten berührt zu. Da ist die Großmutter, die vor langer Zeit als Bürgerkriegsflüchtling aus Uganda in den Slum nach Kibera kam. Ihre Tochter ist in der Corona-Pandemie arbeitslos geworden. Jetzt versorgt die Großmutter die Tochter und den Enkel, der Schulgeld braucht. Früher verkaufte sie Chips an der Straße. Das geht jetzt nicht mehr. Die Selbsthilfegruppe in der Pfarrei fängt sie auf.
Da ist eine andere Großmutter. Ihr Mann ist während des Militärputsches 1982 getötet worden. Ihre Verwandtschaft hat sie verstoßen und um Grund und Boden gebracht. Mit vier Kindern schlug sie sich im Slum Kibera durch. Jetzt ist sie auch noch verantwortlich für zwei kleine Enkelinnen, die sie bei sich aufzieht. Sie hat große Angst vor der Zukunft. Die Selbsthilfegruppe in der Pfarrei gibt ihr neue Kraft.
Da ist die Alleinerziehende. Der Stress und Bluthochdruck machen sie krank und zehren an den Nerven. Sie steht kurz vor dem Zusammenbruch, bis sie die Selbsthilfegruppe in der Pfarrei „Our Lady of Lourdes“ kennenlernt und sich dort selbst engagiert. Gesundheitlich geht es ihr jetzt viel besser.
Lucie, eine studierte Sozialarbeiterin, und Fanny, eine Missionarin auf Zeit aus Honduras, begleiten die Gruppe, die derzeit aus rund 25 Frauen besteht. „Wir treffen uns, trösten uns, reden miteinander, teilen unsere Sorgen und unser Wissen, wie wir konkrete Probleme im Alltag lösen können“, erzählt Lucie. Sie zeigt mit den anderen Frauen kleine selbstgewebte Teppiche. Ihr Traum: Sie wollen diese kleinen Teppiche und andere eigenproduzierte Waren verkaufen, um so Geld zu verdienen. Noch können sie nicht auf den Markt gehen, weil Behörden sofort Steuern verlangen, die sie sich nicht leisten können.
Die Gruppe wächst. „Unsere größte Hoffnung ist, dass wir Frauen uns selbst Mut machen und unser Schicksal in die eigene Hand nehmen, wir tun es einfach“, sagt Lucie. Ihr entschlossener Gesichtsausdruck unterstreicht die Botschaft.
Mir imponieren diese Frauen, Lucie, Fanny und die Gemeinde „Our Lady of Lourdes“, die Räume und Zeit und menschliche Nähe zur Verfügung stellen. Solidarisch gelebter Glauben und echte Nächstenliebe setzen nicht auf Almosen, sondern auf die Fähigkeiten und die Kraft der Menschen selbst. Ich lerne von diesen Frauen und der Gemeinde im Slum von Kibera. Hier erlebe ich eine Kirche, die wirklich hilft. Sie lässt Menschen sich entfalten und frei werden und verbindet die nur scheinbar Ohnmächtigen. Das ist unser Auftrag bei missio Aachen: Solche Initiativen mit der Kirche in Nairobi und Kenia möglich zu machen.
Lucy, Fanny, Ordensmänner, Sozialarbeiter und andere Mitglieder der Gemeinde „Our Lady of Lourdes“ führen uns an diesem Sonntag durch den Slum von Kibera. Plötzlich rauschen wild hupende Motorräder heran. Fanny drängt uns zur Seite. Schon bahnt sich ein poppig gelb-orange glänzender Monstertruck mit Bühne, Cheerleadern und wummernden Bässen mitten im Wellblechmeer brachial einen Weg. Am 8. August 2022 wählt Kenia einen neuen Präsidenten. Der Truck und die Cheerleader werben für die Partei des Präsidentschaftskandidaten Raila Odingas. Der nagelneue Mercedes-LKW steuert an einem Platz mitten im Slum. Die eingrenzende Mauer dort ist orange mit Parolen der Partei Odingas bemalt. Redner heizen die Umstehenden ein.
Später erzählt uns ein Priester, dass genau an diesem Ort 2007 hunderte von Menschen bei Unruhen nach den damaligen Wahlen ums Leben gekommen sind. Jetzt wirkt alles noch wie bei einem riesigen Sportevent. Ich spüre aber gleichzeitig, wie diese vibrierende Energie von einer Sekunde auf die andere in Gewalt umschlagen kann. Davor haben die Menschen in Kibera Angst.
Kommentar schreiben
Kommentarfunktion deaktiviert